12. Mai 2022

Tag der Pflege

Aufwind für eine Pflegereform

Unter dem Motto "Pflege braucht Aufwind" fordern Mitarbeitende in der Pflege bundesweit bessere Rahmenbedingungen für ihre Arbeit. Am heutigen Tag der Pflege ließen sie an 250 Standorten Luftballons mit konkreten Forderungen und Wünschen steigen. Sie sollen eine Mahnung an die Politik sein, den Ankündigungen endlich Taten folgen zu lassen.

  • Für bessere Pflege: Diakonie Deutschland Vorständin Maria Loheide und Pflegekräfte des Paulus-Quartiers der Adolphi-Stiftung in Essen setzen gemeinsam ein Zeichen für bessere Arbeitsbedingungen. (Foto: Lars Heidrich/ Diakonie Deutschland)
  • Der Pflege Aufwind geben: Pflegekräfte des Paulus-Quartiers der Adolphi-Stiftung lassen zum Tag der Pflege Luftballons mir Forderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen steigen. (Foto: Lars Heidrich/Diakonie Deutschland)
  • Gemeinsam für bessere Pflege: Zwei Pflegekräfte des Paulus-Quartiers der Adolphi-Stiftung lassen ihre Wünsche in den Himmel steigen. (Foto: Lars Heidrich/ Diakonie Deutschland)
  • Was muss sich tun: Dirk Gersie, Geschäftsführer der Adolphi-Stiftung, zeigt Diakonie Deutschland Vorständin Maria Loheide das Paulus-Quartier. (Foto: Lars Heidrich/ Diakonie Deutschland)
  • Jetzt muss sich was tun: Das machen die Pflegekräfte der Adolphi-Stiftung deutlich. (Foto: Lars Heidrich/ Diakonie Deutschland)
  • Startklar: Maria Loheide, Vorständin der Diakonie Deutschland, und Pflegekräfte der Adolphi-Stiftung lassen Luftballons steigen. (Foto: Lars Heidrich/ Diakonie Deutschland)
  • Fliegende Wünsche: Mit der Aktion "Pflege braucht Aufwind" will die Diakonie Aufmerksamkeit erzeugen für die Belange der Pflegekräfte. (Foto: Lars Heidrich/ Diakonie Deutschland)

Strahlender Sonnenschein und jede Menge Ballons – es geht fröhlich zu im Paulus-Quartier der Adolphi-Stiftung. Obwohl der Anlass ein ernster ist. Rund 30 Pflegekräfte haben sich im Foyer des Seniorenzentrums in Essen versammelt. Zum Tag der Pflege wollen sie sich Gehör verschaffen. Mit Luftballons, an denen Karten mit Wünschen und Forderungen – etwa zusätzliches Personal, bessere Bezahlung, mehr Wertschätzung – befestigt sind.

Vor dem Seniorenzentrum wird eine Maske nach der anderen im Kasack, der Dienstkleidung der Pflegekräfte, verstaut. Während der Wind die Luftballons zum Tanzen bringt, stellen sich die Pflegekräfte auf. Gemeinsam lassen sie die Schnüre der Ballons los und schicken ihre Forderungen auf eine Reise. Die Idee: Die Karten sollen von Bürgerinnen und Bürgern gefunden werden. Über Social Media können die Finder und Finderinnen die Postkarten teilen und so mithelfen, dass sich in der Pflege etwas bewegt.

Respekt zeigen: "Verlässliche freie Zeiten und Wochenenden sowie Urlaube ohne Unterbrechung und Notdienste sind ein wirksamer Schutz vor Überlastung", sagt Maria Loheide, Vorständin für Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. (Foto: Lars Heidrich/ Diakoni

Respekt zeigen: "Verlässliche freie Zeiten und Wochenenden sind ein wirksamer Schutz vor Überlastung", sagt Maria Loheide, Vorständin für Sozialpolitik der Diakonie Deutschland.

Respekt und Anerkennung

Bei der Aktion in Essen ist auch Maria Loheide, Vorständin für Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, dabei. "Pflegekräfte verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung. Sie müssen vor Überlastung geschützt werden", betont sie. Dazu seien insbesondere eine bessere Personalausstattung und eine gute Bezahlung erforderlich.

"Verlässliche freie Zeiten und Wochenenden sowie Urlaube ohne Unterbrechung und Notdienste sind ein wirksamer Schutz vor Überlastung. Das trägt dazu bei, dass Pflegekräfte in ihrem Beruf bleiben oder auch wieder einsteigen." Es gebe immer mehr pflegebedürftige Menschen und immer weniger Menschen, die professionell pflegen wollen, so Loheide. "Die Politik muss jetzt handeln, denn wir sitzen auf einem demografischen Pulverfass."

Raus aus dem Schattendasein

Dirk Gersie, Geschäftsführer der Essener Adolphi-Stiftung, freut sich über die Aktion "Pflege braucht Aufwind". "Seit Jahren propagieren wir, dass wir eine bessere Ausgestaltung unserer Vergütung und beispielsweise flexiblere Arbeitszeiten benötigen. Wichtig ist mir, dass wir den Beruf der Pflegekraft in ein besseres Licht bringen und ihn aus dem Schattendasein herausholen, denn die Mitarbeitenden haben eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung."

Wünscht sich mehr Kolleg*innen: Adolphi-Miatrbeiterin Nicole Duwenkamp arbeitet seit 40 Jahren in der Pflege. Oft fehle es an der Zeit für längere Gespräche mit den Bewohnern. (Foto: Lars Heidrich/ Diakonie Deutschland)

Wünscht sich mehr Kolleg*innen: Adolphi-Miatrbeiterin Nicole Duwenkamp arbeitet seit 40 Jahren in der Pflege. Oft fehle es an der Zeit für längere Gespräche mit den Bewohnern.

Nicole Duwenkamp ist eine der Adolphi-Mitarbeitenden, die sich an der Aktion beteiligen. Sie arbeitet seit 40 Jahren in der Pflege und hat auf ihre Wunschkarte an diesem Tag "mehr Personal" geschrieben.

"Und dass sie genauso viel Spaß haben wie ich, weil es eigentlich ein wunderschöner Beruf ist", betont die Pflegefachkraft. "Leider habe ich oft zu wenig Zeit für die Sorgen und Nöte der Menschen oder einfach nur für Gespräche." Was sie dennoch so lange im Beruf gehalten hat? "Das, was ich von den Bewohnerinnen und Bewohnern zurückbekomme: ihre Dankbarkeit, Freude und Liebe."

Pflegekräfte zurückgewinnen

Die Reformen im Pflegebereich müssen endlich angepackt werden, das fordert auch das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL). Bis 2030 könnten bis zu 180.000 Pflegekräfte fehlen, zeigt eine Erhebung der Barmer Krankenkasse. "Doch dieser Notstand lässt sich begrenzen", sagt Kirsten Schwenke, juristischer Vorstand der Diakonie RWL. Das zeigten aktuelle Erhebungen der Hans-Böckler-Stiftung: Demnach könnten sich die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten und sogar 60 Prozent der Ausgestiegenen eine Rückkehr in den Beruf beziehungsweise ein Aufstocken der Stunden vorstellen – sofern sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. "Wir sprechen hier über 300.000 zusätzliche Pflegekräfte, die wir zurückgewinnen könnten", betont Kirsten Schwenke.

"Spätestens die Erfahrungen aus der Corona-Krise müssen zu einem Umdenken in der Pflegepolitik führen", ergänzt Wilfried Wesemann vom Deutschen Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege, der die bundesweite Luftballon-Aktion gemeinsam mit der Diakonie Deutschland initiiert hat. Ein "weiter so wie zuvor" dürfe es nicht geben: "Wir brauchen endlich ein Gesamtpaket, um die Pflege für die Zukunft besser aufzustellen."

Von der Kfz-Mechatronikerin zur Pflegehelferin: Michele-Lisa Steingaß liebt den Beruf. Sie motivieren vor allem die kleinen Fortschritte bei den Bewohnern. (Foto: Lars Heidrich/ Diakonie Deutschland)

Von der Kfz-Mechatronikerin zur Pflegehelferin: Michele-Lisa Steingaß liebt den Beruf. Sie motivieren vor allem die kleinen Fortschritte bei den Bewohnern.

Liebe für den Beruf

Darauf hofft auch Michele-Lisa Steingaß, die in Essen einen der Wunsch-Ballons für die Pflege steigen lässt. Sie ist 30 Jahre alt, hat ursprünglich Kfz-Mechatronikerin gelernt und ist erst seit anderthalb Jahren Pflegehelferin. "Seit dem ersten Tag habe ich diesen Beruf geliebt."

Was sie täglich motiviert? "Wenn ich Fortschritte sehe, zum Beispiel wenn bettlägerige Bewohner mobilisiert werden können und sie wieder aktiver werden. Ich stehe für eine aktive Pflege. Und ich kann der älteren Generation viel wiedergeben – das ist für mich sehr wertvoll, denn meine Oma ist in demselben Alter."

Text: Christoph Bürgener, Redaktion: Ilka Hahn, Ann-Kristin Herbst,
Fotos: Lars Heidrich/Diakonie Deutschland.

Weitere Informationen

Der internationale Tag der Pflege wurde 1965 vom International Council of Nurses (ICN/ Weltbund der Pflegenden) ins Leben gerufen. Er findet jährlich am 12. Mai, dem Geburtstag Florence Nightingales statt. Sie gilt als die Pionierin der modernen Krankenpflege. Mit ihren Ideen für eine bessere Pflege und mehr Infektionsschutz sorgte die Britin für bessere Bedingungen für Pflegerinnen und Kranke in den Kliniken. Darüber hinaus trug ihr Engagement dazu bei, dass die Pflege als gesellschaftlich geachteter und anerkannter Berufsweg für Frauen galt. 1850 verbrachte sie zwei Wochen in der Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf, deren Klinik heute ihren Namen trägt. Florence Nightingale starb am 13. August 1910 in London. Sie wurde 90 Jahre alt.