3. Dezember 2021

Bürgerschaftliches Engagement

Das Netzwerk der Netzwerke

Ob in der sozialen Arbeit, im Sportverein oder der Umweltinitiative – ohne Ehrenamtliche geht es nicht. Doch das freiwillige Engagement braucht Unterstützung, Förderung und Vernetzung. Zum "Welttag des Ehrenamts" am 5. Dezember gründet sich deshalb das "Netzwerk bürgerschaftliches Engagement NRW". Was die neue Plattform leisten soll, erklärt Diakonie RWL-Referentin Karen Sommer-Loeffen.

  • Netzwerken: Menschen halten sich an den Händen

Die Landesregierung kündigt das Netzwerk, das sich am Samstag gründet, vollmündig als "Netzwerk der Netzwerke" und "Sprachrohr für die Engagierten im Land" an. Was ist da dran?

Das neue Netzwerk ist tatsächlich breit aufgestellt. Viele Akteure, die landesweit im Ehrenamtsbereich unterwegs sind, sollen Mitglied werden. Und zwar aus allen Bereichen. Neben der Zivilgesellschaft gehören auch Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Verwaltung dazu. Ich weiß von etwa 40 Verbänden und Initiativen, die die Kooperationsvereinbarung bereits unterschrieben haben. Dazu gehört auch die Diakonie RWL. Die Landesregierung finanziert die Geschäftsstelle. Ein Sprecherteam aus sieben Mitgliedern wird das Netzwerk repräsentieren.

Portrait Karen Sommer-Loeffen

Karen Sommer-Loeffen ist für die Ehrenamtsarbeit in der Diakonie RWL zuständig.

Dass es viele Verbände und Initiativen in NRW gibt, die für zivilgesellschaftliches Engagement stehen, ist klar. Aber wie passen die anderen Bereiche in das Netzwerk?

In vielen Kommunen gibt es Servicestellen für die Ehrenamtsarbeit, die in der Verwaltung angesiedelt sind und das Ziel haben, Menschen, die sich für ein Ehrenamt interessieren, zu beraten und zu vermitteln. In der Privatwirtschaft gibt es immer mehr Unternehmen, die im Rahmen des sogenannten "Corporate Volunteering" Beschäftigte fördern, die sich für gemeinnützige Projekte engagieren. Und auch Politikbereiche, die sich für das Gemeinwesen engagieren, gehören dazu. 

Die Wissenschaft wiederum passt ins Netzwerk, weil es viele Hochschulen gibt, die sich in ihren Studien mit ehrenamtlichem Engagement beschäftigen. All dieses Know-How zusammenzubringen, um voneinander zu lernen und auch gemeinsame Strategien für die Gewinnung von Ehrenamtlichen, ihre Qualifizierung und Begleitung zu entwickeln, halte ich für sinnvoll.

Das Netzwerk ist ein Baustein der "Engagementstrategie" für das Land NRW. Rund 24 Millionen Euro sollen in den kommenden Jahren für die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements ausgegeben werden. Das klingt nach großer Wertschätzung für die Ehrenamtsarbeit. 

Ja, das kann man so sagen. Es hat sich enorm viel entwickelt, seit ich vor gut dreißig Jahren als Referentin für das Thema Ehrenamt gestartet bin. Heute engagiert sich in NRW etwa jeder dritte Einwohner ehrenamtlich. Wir haben fast flächendeckend Freiwilligenzentralen, die Menschen beraten, welches Ehrenamt zu ihnen passt und die ihnen passende Engagementfelder vorschlagen. Aber wir stellen auch fest, dass diese Servicestellen noch zu wenig bekannt sind. Und wir wollen in der Ehrenamtsarbeit viel mehr auf Diversität achten. Migrantinnen und Migranten oder Menschen mit einer Behinderung werden noch zu wenig berücksichtigt. Auch das Thema Digitalisierung muss künftig eine größere Rolle spielen.

In welcher Hinsicht?

In der Pandemie sind viele digitale Angebote entstanden, die wir weiterentwickeln sollten. Das betrifft einerseits die Begleitung und Qualifizierung von Ehrenamtlichen, die häufiger als bisher in Form von Videokonferenzen stattfinden kann. Das spart Zeit und Geld für Fahrtkosten. Auch das Engagement selbst kann mehr als bisher digital gestaltet werden. Denken Sie an Kontakte per Videotelefonie mit Menschen in Alten- und Pflegeheimen. Um die Technik gut nutzen zu können, sind wiederum neue Ehrenämter gefragt wie etwa "digital coaches".

Zwei Frauen spielen Geige im Freien.

In der Pandemie gab es mehr "Kurz und Gut"-Angebote wie Balkonkonzerte, Brief- und Einkaufsaktionen. Die langfristige Ehrenamtsarbeit dagegen ging in einige Bereichen zurück.

Hat die Pandemie der Ehrenamtsarbeit neuen Auftrieb gegeben?

Ja und nein. Es war beeindruckend, wie viele Menschen sich kurzfristig im Rahmen der Nachbarschaftshilfe engagiert haben. Es sind Einkaufs-, Brief- und Telefonaktionen für alte und kranke Menschen entstanden, Balkonkonzerte fanden statt. Auch in der Flutkatastrophe waren viele bereit, direkt zu helfen. Es gab also eine Menge an sogenannten "Kurz und Gut"-Angeboten. In dieser Richtung sollten wir das Ehrenamt auch weiterdenken, denn viele Menschen wollen sich nicht langfristig einbringen, sondern suchen nach einem überschaubaren und zeitlich befristeten Engagement. 

Andererseits haben die Kontaktbeschränkungen und strengen Hygienebestimmungen sowie die Lockdowns dazu geführt, dass langjährige Ehrenamtliche ihr Engagement zurückgefahren oder aufgegeben haben. Das hören wir zum Beispiel aus dem Bereich der evangelischen Kranken- und Altenhilfe oder den Bahnhofsmissionen. Also dort, wo Verbindlichkeit, hohe Einsatzbereitschaft und Qualifizierung wichtig sind. Hier müssen Ehrenamtsstrukturen zum Teil neu entwickelt werden.

Die Frage, wie mehr und vor allem gut qualifizierte Ehrenamtliche gewonnen werden können, beschäftigt sicher alle Mitglieder des Netzwerkes. Fürchten Sie da nicht eine Tendenz zur Konkurrenz statt Kooperation?

Wir sind ja alle auf der Landesebene aktiv und helfen den Einrichtungen vor Ort mit Konzepten und Ideen für die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements. Daher verstehe ich uns nicht als Konkurrenten. Wir wollen uns gemeinsam dafür einsetzen, dass es ein breites und vielfältiges Angebot an ehrenamtlichen Tätigkeiten in unserem Land gibt und dies bekannter und leichter zugänglich für alle Menschen wird. 

Im Rahmen der "NRW-Engagementstrategie" fließt jetzt auch mehr Geld in Qualifizierungsangebote, was ich sehr begrüße. Und es gibt eine Kleinstförderung für 2.000 Ehrenamtsprojekte, die mit jeweils 1.000 Euro unterstützt werden. Da tut sich gerade viel. Und das lässt mich hoffen, dass dieses Netzwerk wirklich etwas für Menschen bewirkt, die sich engagieren wollen.

Das Gespräch führte Sabine Damaschke. Fotos: pixabay