9. Juni 2022

Geflüchtete Kita-Kinder

Kreative Suche nach Betreuung

Seit dem Krieg in der Ukraine sind Tausende Geflüchtete in Deutschland angekommen, unter ihnen viele Mütter mit kleinen Kindern. Um ihnen die Integration möglichst niedrigschwellig zu ermöglichen, nehmen zahlreiche Kitas der Diakonie RWL derzeit ukrainische Kinder auf – häufig zunächst einmal stundenweise. Die Wartelisten auf einen Kita-Platz sind lang.

  • Kinder basteln mit buntem Papier.
  • Erzieherin liest einer Kitagruppe etwas vor.
  • Kind spielt mit Spielklötzen.

Bei einer Liste von 1.000 Kindern, die allein in Solingen darauf warten, einen Betreuungsplatz zu bekommen, ist das kein unumstrittenes Unterfangen – doch für Ulrike Kilp, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Solingen, und den Erzieherinnen vor Ort stand der Wunsch zu helfen im Vordergrund. "In den zwölf Kitas der Diakonie im Stadtgebiet nehmen aktuell rund fünf ukrainische Kinder zumindest ein stundenweises Betreuungsangebot in Anspruch", sagt Ulrike Kilp. Ziel sei es aber, ein Kind pro Gruppe zusätzlich aufzunehmen.

Kriegssituation pädagogisch auffangen

Auch wenn die Integration reibungslos laufe, gebe es Faktoren, die das Projekt erschweren, berichtet die Solinger Geschäftsführerin. "Zum einen ist das System Kita ohnehin ein unter ständiger Überlastung stehendes System, das seit Jahren lange Wartelisten und chronischen Fachkräftemangel zu beklagen hat."

Zum anderen sei das Personal geschwächt von den langen und zusätzlichen Herausforderungen, die die Erzieherinnen in der Corona-Krise gemeistert haben. Darüber hinaus müsse die Kriegssituation in der Ukraine pädagogisch aufgefangen werden – eine zusätzliche Aufgabe für Personal und Eltern. Ulrike Kilp plant unter anderem niedrigschwellige therapeutische Ansätze wie Bewegungs- oder Maltherapie.

Ulrike Kilp, Diakonie Solingen.

Das System Kita ist ständig überlastet, sagt Ulrike Kilp von der Diakonie Solingen.

Freiräume für Mütter schaffen

"Erschwerend kommt hinzu, dass die langfristige Situation der Menschen nicht geklärt ist. In Gesprächen geben die meisten geflüchteten Frauen an, wieder in die Ukraine zurückkehren zu wollen. Das macht die Planung und nachhaltige Integration schwierig", erklärt Geschäftsführerin Ulrike Kilp.

Sie und ihr Team fokussieren sich daher darauf, bei den wichtigsten Bedürfnissen wie Wohnung, Kleidung, Schutz, Sprachkurse und eben Kinderbetreuung zu helfen. "Denn selbst wenn der Aufenthalt in Deutschland nur temporär sein sollte, für die notwendigen Behördengänge brauchen die Mütter Freiräume, die eine stundenweise Kinderbetreuung schaffen kann." Konten müssten eingerichtet, Anträge für das Asylbewerberleistungsgesetz ausgefüllt und eingereicht sowie Sprachkurse besucht werden. "Für eine erfolgreiche Integration ist der zügige Spracherwerb und der Aufbau sozialer Bindungen essentiell wichtig", betont Ulrike Kilp.

Mit ihrem Team versucht sie derzeit, neben den stundenweisen Besuchskindern in den zwölf Kitas noch weitere Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen. Für ein solches Angebot sucht sie nach Fördermitteln sowie nach haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden. So ist die Diakonie als einer von vier Wohlfahrtsverbänden im Mehrgenerationenhaus Solingen involviert, bietet dort eine breite Palette sozialer Beratung an – Strukturen, die nun angesichts des Mehrbedarfs ausgebaut werden sollen.

Ein weiteres Projekt in Solingen ist eine städtische Übergangseinrichtung, in der die Diakonie die soziale Betreuung übernommen hat. Auch hier sollen dringend benötigte Sprachkurse und Kinderbetreuung angeboten werden. Dabei legt Ulrike Kilp Wert darauf, dass ukrainische Flüchtlinge keine bevorzugte Behandlung genießen – selbst wenn solche gesellschaftspolitischen Prioritätendiskussionen immer wieder aufkommen.

Sabrina Wagner, Diakonie Michaelshoven.

Die Kinder fügen sich schnell in die Gemeinschaft in den Kitas ein, sagt Sabrina Wagner von der Diakonie Michaelshoven

Neue Betreuungsangebote starten

Auch für Sabrina Wagner, Bereichsleiterin der Diakonie Michaelshoven, steht die schnelle und unbürokratische Hilfe für geflüchtete ukrainische Familien im Vordergrund. In zwei der 15 Kitas der Diakonie vor Ort wird derzeit ebenfalls eine stundenweise Kinderbetreuung angeboten. So wurde im Familienzentrum Porz mit Unterstützung ortsansässiger Institutionen und Privatpersonen ein Begegnungscafé mit einem offenen Treff für ukrainische Eltern und ihre Kinder eröffnet.

"Montagsvormittags können die Kinder spielen, die Mütter erhalten wichtige Informationen über Anlaufstellen für Wohnungen, Kleidung oder Geld und können zudem über ihre traumatischen Erlebnisse sprechen", sagt Sabrina Wagner. "In der Kita in Bergheim werden außerdem ukrainische Kinder bei Bedarf zwei Mal pro Woche für zwei Stunden betreut."

Auch die Kitas in Sabrina Wagners Bereich sind komplett voll, doch Mitarbeitende und ein engagierter Elternbeirat versuchen derzeit, neue Betreuungsangebote zu schaffen. Falls Familien bestimmte Dinge benötigen, die sie auf der Flucht nicht mitnehmen konnten, versucht das Team ebenfalls zu helfen.

Der unkomplizierteste Teil des Projekts? "Das sind die Kinder, die sich in den Kitas schnell in die Gemeinschaft einfügen", betont Sabrina Wagner. "Das ist ein schönes Miteinander."

Text: Sandra Fischer, Redaktion: Ilka Hahn,
Fotos: Diakonie Michaelshoven, Diakonisches Werk des Evangelischen Kirchenkreises Solingen