19. Oktober 2021

Hochwasserschäden

Wann zahlt die Versicherung?

Eingestürzte Häuser, vollgelaufene Keller, zerstörte Autos – sieben Milliarden Euro sind durch das Hochwasser im Juli an Schäden entstanden, schätzt der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Doch wie gelangen Betroffene an Zahlungen durch die Versicherungen? Was gibt es zu beachten?

  • Symbolfoto Versicherung: Mann mit Stift, Formular und Papierhaus
  • Grafik Versicherungen

Das Haus ist zerstört, das Auto und die Inneneinrichtung weggespült – nach dem Juli-Hochwasser sitzen viele Menschen auf immensen Schäden. Für viele ist nicht klar, wer für was aufkommt. Um Unterstützung aus dem Wiederaufbaufond der Länder zu erhalten, muss zuerst geklärt werden, was die abgeschlossenen Versicherungen übernehmen. Doch das ist den Betroffenen nicht immer klar. 

"Bei den Gesprächen vor Ort habe ich immer wieder gehört, dass dieser oder jener Schaden nicht durch die Versicherung gedeckt ist", sagt Ulrich Christenn, Hochwasserhilfe-Koordinator der Diakonie RWL. "Viele sind damit überfordert, ihre eigenen Risiken abzuschätzen und richtig zu versichern. Da braucht es unabhängige Beratung." Hilfe und Unterstützung wird Betroffenen dazu in den Allgemeinen Sozialberatungsstellen der Diakonie vor Ort und bei den Mobilen Teams vermittelt.

Ein Mann füllt ein Formular aus.

In den Beratungsstellen der Diakonie helfen die Mitarbeitenden, den Versicherungsschutz zu prüfen und Formulare auszufüllen. 

Elementarschäden müssen versichert sein

In den Beratungsstellen wird zuerst geklärt, welche Versicherungen die Betroffenen abgeschlossen haben. Nach dem Hochwasser sind vor allem die Hausrats- und die Wohngebäudeversicherung entscheidend. Wer die Versicherung hat, sollte überprüfen, ob er oder sie auch die Zusatzversicherung, die sogenannte Elementarschadensversicherung, abgeschlossen hat. "Eine der häufigsten Fragen ist, ob die Versicherung überhaupt zahlt", sagt Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Und ich kann klar sagen: Nur, wenn weitergehende Elementarschäden mit versichert sind, ist beispielsweise auch der Überschwemmungsschaden gedeckt."

Sieben Tipps zur Schadensabwicklung

In einer kurzen Checkliste geben wir einen Überblick, wie die Schäden gemeldet werden sollten und was Versicherte erwarten können. Hier geht es zur Liste.

Deutschlandweit sind nur 45 Prozent der Haushalte gegen Schäden durch Hochwasser und Überschwemmung versichert. In Rheinland-Pfalz sind es sogar nur etwa 35 Prozent. Es lohne sich, den eigenen Versicherungsschutz noch vor dem nächsten Starkregen zu überprüfen, betont Ulrich Christenn: "Hauseigentürmer und auch Mieter sollten sich in jedem Fall um eine Elementarschadensversicherung bemühen."

Zimmer mit zerstörten Möbeln in Bad Neuenahr

Wer zusätzlich zur Hausratversicherung einen Elementarschadenschutz hat, bekommt auch Möbel und technische Geräte ersetzt.

Separater Versicherungsbaustein

Besteht Elementarschadenschutz kommt es sehr auf die Details in den Versicherungsklauseln an.
Die Elementarschadensversicherung muss oft als separater Baustein abgeschlossen werden, entweder als:
  • Elementarschadenschutz als Zusatz zur Hausratversicherung: Hiermit wird dann das Inventar wie technische Geräte, Möbel oder Bilder in einer Wohnung gegen Elementarschäden zusätzlich zu den Standardabsicherungen der Hausratversicherung versichert.
  • Elementarschadenschutz als Zusatz zur Wohngebäudeversicherung: Dieser Zusatz betrifft Eigentümer von Immobilien. Die Wohngebäudeversicherung sichert die Gebäudesubstanz finanziell ab.
Neuere Verträge bieten oft den Inklusivschutz an. Dieser muss meist aber explizit beim Abschluss der Versicherung ausgewählt werden. Durch die Elementarschadensversicherung sind meist Schäden aus folgenden Ereignissen zusätzlich abgesichert: Überschwemmung, Rückstau, Erdsenkung, Erdrutsch, Erdfall, Lawinenabgang, Schneedruck und auch ein Vulkanausbruch. Aber die Konditionen unterscheiden sich hier. Im Falle der Überschwemmungsgebiete ist eine Differenzierung zwischen Überschwemmung und Rückstau entscheidend:
  • Überschwemmungen: Überschwemmungen treten ein, wenn ein Gewässer über die Ufer tritt und für Schäden sorgt. Auch Schäden durch Grundwasser können versichert sein, wenn es erst an die Oberfläche gelangt und dann ins Haus eindringt. Und letztlich können hiermit auch Überflutungen aufgrund von Regenfällen gemeint sein.
  • Rückstau: Mindestens genauso schädlich ist der sogenannte Rückstau. Dieser entsteht, wenn Wasser aus den Abwasserrohren zurückdrängt.
Ein Mann zeigt auf eine Hauswand und hat ein Handy in der Hand.

Wie kam das Grundwasser ins Haus? Das will die Versicherung wissen. Dieser Betroffene aus Hagen macht Fotos für die Versicherung.

Überschwemmungen durch Grundwasser als Streitpunkt

Beim Elementarschutz ist es meist sinnvoll, sich umfassend abzusichern. Ist zum Beispiel der Eintritt von Grundwasser nicht versichert, die Überschwemmung aber schon, dann ist im Zweifelsfall schwer zu klären, was tatsächlich die Ursache des Schadens ist – und es kann zum Streit kommen. Aber auch hier ist die Differenzierung wichtig, klärt Verbraucherschützerin Weidenbach auf. "Wenn das Grundwasser über die Grundstücksfläche in den Keller geflossen ist, dann ist es versichert", so Weidenbach. "Wenn es aber durch eine Ritze in der Bodenplatte nach oben gestiegen ist, dann ist es nicht versichert." Die Schäden dadurch können enorm sein, etwa, wenn dadurch die Ölheizung zerstört wird.

Ob und wie diese Schäden gedeckt sind, darüber klärt ausschließlich ein Blick in die konkreten Versicherungskonditionen auf. Dort findet man dann auch die Ereignisse, die nicht zu versichern sind, wie zum Beispiel die Sturmflut. Wer Unterstützung beim Durchschauen benötigt, kann sich an die Allgemeinen Sozialberatungsstellen der Diakonie oder die Verbraucherzentralen wenden.

Vom Hochwasser beschädigtes Haus mit Anbau

Ein An- oder Umbau des Hauses muss vorher genehmigt sein, damit die Versicherung im Schadensfall zahlt.

Versicherungsdetails sind wichtig

"Vermutlich lesen nur wenige Menschen die konkreten Konditionen einer Versicherung", so Christenn. "Es wäre aber wichtig, diese zu kennen." Denn zusätzlich zur Beschreibung der Elementarschäden können auch weitere Details unterschiedlich sein. Manche Versicherungen verpflichten die Versicherungsnehmer zum regelmäßigen Überprüfen von Rückstausicherungen oder dem Lagern von Gegenständen im Keller in einer bestimmten Höhe, oft 12 Zentimeter vom Boden entfernt. Wer sich nicht an die im Vertrag vereinbarten Vorgaben hält, könnte also Probleme mit der Schadenszahlung bekommen.

"Ein Streitpunkt ist immer wieder die Frage nach der groben Fahrlässigkeit", beobachtet Ulrich Christenn. So gibt es zwar Verträge, die ausdrücklich auch bei grober Fahrlässigkeit zahlen. Das ist aber alles andere als Standard in den Versicherungsbedingungen. So gibt es häufiger Streit darüber, was "grob fahrlässig" ist: Dazu kann etwa das Verletzen von vereinbarten Verpflichtungen wie das regelmäßige Überprüfen der Rückstausicherung zählen.

Auch wer sich nicht an geltende Vorschriften hält, also beispielsweise ohne Genehmigung eine bauliche Veränderung am Haus durchführt, hat schlechte Karten. "Neben den baurechtlichen Problemen hat der Versicherer auch einen Anspruch darauf, dass er bei solchen Umbauten informiert wird, weil sich dadurch die Gefährdung erhöhen kann", so Weidenbach. "Wer das nicht macht, gefährdet sonst seinen Versicherungsschutz oder diesen zumindest teilweise."

Mehrere kaputte Autos stehen vor einem Haus.

Auto kaputt? Bei Überschwemmungen kommen nur Kasko-Versicherungen dafür auf, nicht Kfz-Haftpflichtversicherungen.

Kaskoversicherungen zahlen

Während es bei der Hausrat- und der Wohngebäudeversicherung kompliziert werden kann, ist es beim Auto meist eindeutiger. Wer nur eine Kfz-Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, geht bei Überschwemmungen leer aus. Kasko-Versicherungen hingegen begleichen den Schaden. "Die  Teilkaskoversicherung tritt in solchen Fällen ein", so Weidenbach. 

Aus den Überschwemmungsgebieten hört sie hierzu keine großen Beschwerden. "Manchmal ist das Auto einfach nicht mehr auffindbar", sagt die Mitarbeiterin der Verbraucherzentrale NRW. "Die Schadensursache steht also nicht fest." Aber selbst, wenn es gestohlen worden sein sollte, zahlt die Teilkasko-Versicherung, die einzeln neben der Haftpflichtversicherung bestehen kann. In der Vollkaskoversicherung ist immer auch eine Teilkaskoversicherung enthalten.

Text: Jörg Stroisch, Redaktion: Ann-Kristin Herbst;
Fotos: pixabay, Frank Schultze, Bernd Bazin, Ulrich Christenn

Ihr/e Ansprechpartner/in
Pfarrer Ulrich T. Christenn
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Wer hilft?
Die Allgemeinen Sozialberatungsstellen der Diakonie unterstützen bei Fragen rund um die Versicherung. Die nächste Beratungsstelle finden Sie hier: https://hilfe.diakonie.de/ 
Die Verbraucherzentrale NRW hat für Versicherungsfragen zudem eine kostenlose Infoseite und Hotline eingerichtet.