Tag der Pflege 2024
"Wenn wir eine Überlebenschance auf diesem Planeten haben wollen, muss jeder das tun, was in seinem Rahmen möglich ist", sagt Kai Garben, Geschäftsführer der Grafschafter Diakonie. Für das Diakonische Werk im Kirchenkreis Moers heißt das unter anderem, dass es einige seiner Einrichtungen mit Photovoltaik-Anlagen ausgerüstet hat. Gründe, auf Solaranlagen zu setzen, sind für Garben etwa diese: Das Klima soll geschützt und CO2 reduziert werden. "Wir wissen, dass wir mit unseren Photovoltaik-Anlagen sehr singulär sind. Es gibt in unserem Kreis nicht viele, die so ausgerüstet sind. Wir möchten einen Vorbildcharakter haben, unser Leitbild hinsichtlich Nachhaltigkeit und Bewahrung der Schöpfung auch umsetzen und nicht nur darüber zu reden. Und schließlich zeigen, dass wir etwas erreichen können, wenn wir wirklich wollen", sagt er.
Und auch den Mitarbeitenden möchte die Grafschafter Diakonie zeigen, dass sie etwas für den Klimaschutz tut. "Natürlich hatten wir auch das Interesse daran, zu sparen." Aber das habe sich so leider noch nicht erfüllt, gibt der Geschäftsführer zu.
Langer Weg
Im April 2022 startete Garben mit den Planungen. Er ließ von der Enni, einem lokalen Versorger am Niederrhein, ein Gutachten erstellen. Anhand von Satellitenaufnahmen wurde geprüft, wo eine Photovoltaik-Anlage überhaupt möglich ist. Von fünf möglichen Einrichtungen waren schließlich drei geeignet: Die Altenheimat in Neukirchen-Vluyn mit 84 Bewohner*innen, das Haus Jung und Alt in Moers mit 42 Plätzen und einem Kindergarten sowie die Stationäre Eingliederungshilfe Wittfeld. Seit August 2023 sind die Anlagen in Betrieb.
Für die Installation mussten die Dächer ertüchtigt und eine Lösung für den Blitzschutz gefunden werden. Zudem erfolgte ein Eintrag ins Grundbuch, damit die Enni ein Wegerecht zur Anlage erhielt. Die Feuerwehr wurde informiert, da bei einem Brand andere Löschmittel benötigt werden, und die Baugerüste wurden so angebracht, dass die Unbefugte sie nicht betreten konnten. Ein unerwartet großes Problem waren die Lieferengpässe, die den Bau verzögert haben. "Das war alles nicht ganz einfach, aber wir haben durchgehalten, und für uns hat es sich gelohnt", so Garben.
Im Oktober 2022 wurden die ersten Solarmodule auf dem Dach des Neubaus der Altenheimat Vluyn installiert.
Wartung inklusive
Für die Grafschafter Diakonie hat sich ein Pachtmodell als beste Lösung erwiesen. Das beinhaltet, dass die Enni die Anlagen kontrolliert und wartet. Garben: "Dafür würde uns das Know-how fehlen." Die Photovoltaik-Anlage der Altenheimat Vluyn schafft 129 Kilowatt Peak (kWp), damit wird die maximale Leistung einer Photovoltaikanlage angegeben. Das Haus für Jung und Alt liegt bei 81,81 kWp. Laut Gutachten der Enni produzieren beide jährlich gemeinsam rund 170.000 Kilowattstunden Strom (kWh). Beide Anlagen erzeugen nur für den Eigenverbrauch, decken aber keine 50 Prozent des Stromverbrauches der Einrichtungen ab. "Das ist nicht so viel, wie erhofft. Trotzdem ist es schön zu sehen, wenn der Stromzähler nicht mehr so schnell läuft", so Garben.
Wird zu viel produziert, geht der Strom in das allgemeine Netz, womit auch der Überhitzungsschutz für die Anlagen gewährleistet ist. "Wir überlegen schon, wie wir es nutzen können, wenn wir über dem Eigenbedarf liegen. So könnte beispielsweise das Wasser in unseren mit Gas betriebenen Heißwasserbehältern mit Tauchsiedern zusätzlich und damit schneller erhitzt werden. Dadurch würden wir zudem Gas sparen", sagt Garben. Auf einen Energiespeicher wurde aufgrund der Kosten verzichtet. Ein Dashboard an der großen Anlage hingegen zeigt, wie viel Kilowatt gerade produziert werden und wie viel CO2 gespart wird. Seit Inbetriebnahme sind es schon rund sieben Tonnen.
An vielen Stellen im Bereich der Pflege sei in Sachen Nachhaltigkeit noch mehr möglich, sagt Kai Garben, Geschäftsführer der Grafschafter Diakonie.
Pflege und Klimaschutz
Der Gesellschafter und auch die Bewohner*innen der Einrichtungen haben den Aufbau der Anlagen aufmerksam beobachtet. "Bei unseren Klient*innen kommt es gut an, dass wir etwas tun und uns neben der Pflege auch für Klimaschutz engagieren", erzählt Garben. Auch von außen gab es viele Nachfragen, etwa von politischen Parteien. Besonders deren Resonanz freut ihn, denn die Politiker*innen hätten die Möglichkeit, den Klimaschutz in der Pflege voranzutreiben. Die Grafschafter Diakonie möchte andere davon überzeugen, ihrem Beispiel zu folgen. "Wenn wir jetzt nicht handeln, wird der Planet irgendwann für Menschen nicht mehr bewohnbar sein", sagt Garben. Wer sich für Photovoltaik-Anlagen interessiere, könne sich an die regionalen Versorger wenden, die eine lokale Verantwortung tragen würden. "Mit denen lässt sich dann klären, was überhaupt möglich ist", so Garbens Rat.
Wenig Geld für Investitionen
Das Problem sei, dass so ein Projekt, wenn die Einrichtungen es selbst zahlen, nicht refinanziert werde. "Als gemeinnützige Organisation werden wir insbesondere von Gesetzeswegen her sehr kurzgehalten und dürfen keine Gewinne erwirtschaften. Wir haben wenig Geld, um zu investieren, erst Recht nicht für den Klimaschutz. Leider wird der Sozialbereich im Allgemeinen als eine Belastung empfunden. Wir sind für die Kommunen aber eine Investition, indem wir Arbeitsplätze bieten und Geld in die Kommune bringen. Zudem kann die Wirtschaft nur so gut funktionieren, weil die Freie Wohlfahrt ihr den Rücken freihält, zum Beispiel durch Kindergärten oder Altenheime und durch unsere Beratungsdienste in Notlagen. Letzten Endes hat jeder und jede einmal eine Krise oder gerät aus unterschiedlichen Gründen in eine Lage, in der externe Unterstützungen gebraucht werden: Dann sind wir da und helfen."
Die Grafschafter Diakonie plant, Ladestationen für E-Autos an die Photovoltaik-Anlagen anzuschließen, damit Mitarbeitende dort ihre Elektrofahrzeuge laden können.
Noch mehr möglich
Das Thema Nachhaltigkeit sei der Grafschafter Diakonie wichtig. Sie pflanze Bäume und versuche, überwiegend regional einzukaufen, um Wege kurz zu halten und regionale Erzeugerbetriebe zu unterstützen, so Garben. Geplant sei außerdem, Wall-Boxen an die Photovoltaik-Anlagen anzuschließen, damit Mitarbeitende dort ihre E-Autos laden können. "Eventuell nehmen wir für den städtischen Bereich auch ein paar E-Autos in unsere Flotte auf. Aber für den ländlichen Bereich wird das schwer." Denn dort seien die Wege zu lang und das Netz an E-Ladesäulen noch nicht ausreichend ausgebaut.
Im Großen und Ganzen seien die Themen Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität noch nicht umfassend im Bereich der Pflege angekommen, meint Geschäftsführer Kai Garben. An vielen Stellen sei noch mehr möglich.
Text: Nicole Esch, Fotos: Grafschafter Diakonie, Klaus Dieker/Grafschafter Diakonie, Pixabay