29. Juli 2019

Inklusion digital

Ein Social-Media-Team der besonderen Art

Wie kann das Soziale erfolgreich in die sozialen Medien gebracht werden? Das beschäftigt alle Öffentlichkeitsarbeiter der Diakonie. Die Evangelische Stiftung Hephata hat jetzt mit ihrem Social-Media-Team einen neuen Weg eingeschlagen: Sie lässt Menschen mit Behinderung für sich selbst sprechen. Das kommt gut an, denn die Themen sind hochaktuell. Es geht um Liebe, Mobbing, gerechten Lohn, Respekt und Mitbestimmung.

  • Das inklusive Social Media Team der Stiftung Hephata

Philipp Fuchs ist mehr als zufrieden. Mit dem Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck hat er jüngst beim evangelischen Kirchentag in Dortmund ein Interview abgedreht. Dass ausgerechnet er die Chance hat, vor der Kamera mit Politikern und anderen bekannten Persönlichkeiten zu sprechen, macht den 27-Jährigen stolz. Fuchs lebt mit einer geistigen Beeinträchtigung und arbeitet in den Werkstätten der Evangelischen Stiftung Hephata in Mönchengladbach. Bei dem Sozialunternehmen betreuen 2.600 Angestellte mehr als 3.000 Menschen mit Behinderung.

Philipp Fuchs gehört zu den ersten Menschen mit Behinderung in Deutschland, die ihre Einrichtung im Netz selbst vertreten. Seit Mai hat die Stiftung Hephata ihre Social-Media-Arbeit neu aufgestellt. In dem Sozialunternehmen sei lange überlegt worden, und am Ende sei es die einzig logische Entscheidung gewesen: "Wenn jemand dort unterwegs sein soll, dann die Menschen, um die es geht", sagt Kommunikationsleiterin Manuela Hannen.

Gruppenfoto

Viel Kaffee und intensive Diskussionen: Teambesprechung (Foto: Udo Leist/Hephata)

In der Testphase

Im Moment läuft noch die Findungsphase. Philipp Fuchs und seine Kolleginnen und Kollegen dürfen sich in Sechser-Teams einige Wochen lang als Social-Media-Redakteure ausprobieren, bis die Kommunikationsabteilung am Ende entscheidet, wer am besten dafür geeignet ist, Facebook, Youtube und Instagram zu bespielen.

Hephata arbeitet dabei mit Christoph Krachten und seiner Youtube-Agentur „United Creators“ zusammen. Die Agentur produziert auch bekannte Youtuber wie Y-Titty, LeFloid und die mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten "Datteltäter".

In der Planungsphase habe man viel hin und her überlegt, sagt Hannen: "Natürlich gab es auch die Sorge: Was passiert, wenn es Hasskommentare gibt? Was machen wir, wenn zum Beispiel ein Shitstorm kommt?" Schließlich sollten die neuen Teammitglieder nicht überfordert werden.  

Gruppenbild

Journalist Christoph Krachten und Hephata-Kommunikationsleiterin Manuela Hannen begleiten das Social-Media-Team.

Extrem authentisch und angstfrei

Krachten sieht das nach einem Monat mit dem neuen Team ganz pragmatisch. Für Shitstorms oder Hasskommentare habe man eine feste Strategie, wie jedes andere professionelle Social-Media-Team auch, betont er. "Alles, was da bisher von den Menschen mit Behinderung kam, ist so positiv", sagt er. "Sie sind extrem authentisch, und das passt perfekt in die sozialen Medien."

So ist es für Zora Kiesow ganz selbstverständlich, über Behinderungen zu sprechen, während manch eine Journalistin oder ein Social-Media-Manager bei dem Thema ins Drucksen gerät und um den politisch korrekten Ausdruck ringt. Die 27-Jährige ist seit sechs Wochen im Social-Media-Team und lebt mit einem geistigen Handicap. Im Interview mit der WDR-Moderatorin Bettina Böttinger fragt sie geradeheraus: "Wir Menschen mit Behinderung haben kleine Macken. Aber haben nicht alle eine Macke, und welche haben Sie?"

Portrait

Menschen mit Behinderung werden oft nicht ernst genommen, kritisiert Social-Media-Manager Simon Roehlen, der selbst im Rollstuhl sitzt.

Behinderungen sichtbar machen

Behinderungen werden ein Stück weit von der Öffentlichkeit ausgeschlossen, gewissermaßen unsichtbar gemacht. Der Social-Media-Manager des Teams, Simon Roehlen, kennt das aus eigener Erfahrung: "Mit einer Beeinträchtigung wird man oft nicht richtig ernst genommen, auch wenn man wie ich 'nur' im Rollstuhl sitze. Durch Social Media können wir uns Gehör verschaffen." Das Team um Hannen und Krachten will auch anderen Menschen mit Behinderung Beratung bei der Nutzung von sozialen Medien anbieten.

Das Team arbeitet wie viele andere Redaktionen auch: Morgens trifft man sich zur Besprechung, tauscht Ideen aus, Beiträge und Drehs werden geplant, Interviewpartner angefragt, und das Team ist mit der Kamera unterwegs. "Also ich find das voll cool", sagt Zora Kiesow nach sechs Wochen im Team. Das Schneiden der Filme sei zwar manchmal etwas kompliziert, aber dabei gibt es Unterstützung. Sie ist stolz darauf, eine Plattform zu haben für das, was ihr im Kopf herumgeht.

Ideen für zukünftige Beiträge hat das Team schon viele, zum Beispiel die Themen Mobbing und Dating gehören dazu. So ist es ein kleiner Traum, einen Dating-Kanal aufzubauen, "weil das Thema Beziehungen natürlich auch für Menschen mit Behinderung total wichtig ist, es aber für viele auch schwierig ist, überhaupt jemanden kennenzulernen", sagt Hannen.

Text: Nora Frerichmann (epd)/ Fotos: Sabine Damaschke

Weitere Informationen

Das dreijährige Social-Media-Projekt der Evangelischen Stiftung Hephata ist bundesweit einzigartig. Die Diakonie RWL hat die Stiftung bei der Beantragung der dafür nötigen Fördergelder bei der "Aktion Mensch" unterstützt.