18. März 2021

Studie zu Teilhabechancen-Gesetz

"Ein Traumjob für jeden Fußballfan"

Markus Mingers ist Fußballfan und hat mit dem Teilhabechancengesetz seinen Traumjob gefunden: Er arbeitet im Alemannia Aachen-Fanshop, einem Inklusionsbetrieb des diakonischen Beschäftigungsträgers WABe. Das Gesetz hat nicht nur Mingers geholfen, wie eine neue Studie der Bundesregierung zeigt. Aktuell werden rund 55.000 Arbeitsverhältnisse gefördert.

  • Markus Mingers zeigt ein T-Shirt im Alemannia Aachen-Shop des diakonischen Beschäftigungsträgers WABe (Foto WABe)
  • Markus Mingers vor den Kleiderständern im Alemannia Aachen-Shop des diakonischen Beschäftigungsträgers WABe (Foto WABe)
  • Markus Mingers mit WABe-Geschäftsführer Alois Poquett im Alemannia Aachen-Shop des diakonischen Beschäftigungsträgers WABe (Foto WABe)

Zum Ticket für das nächste Heimspiel von Alemannia Aachen noch einen schwarz-gelben Schal mit Mütze oder doch lieber die Kappe und knalligen Socken dazu? Wer sich nicht recht entscheiden kann, was er kaufen will, ist bei Markus Mingers genau richtig. Er hat den richtigen Blick für das, was den Kunden gefällt, ist immer gut gelaunt und zu einer kleinen Fachsimpelei über die Fußball-Bundesliga und seinen Lieblingsverein Alemannia Aachen aufgelegt.

Sehnsüchtig wartet Markus Mingers darauf, dass sein Fanshop bald wieder öffnen kann, und er nicht nur Onlinebestellungen bearbeitet. "Mir fehlt der Kontakt zu den Kunden", sagt der 40-jährige Großhandelskaufmann, der seit 15 Monaten im Shop des Fußballclubs arbeitet. Der diakonische Beschäftigungsträger WABe führt den Laden in der Aachener Altstadt seit über drei Jahren als Inklusionsbetrieb. "Ich bin richtig glücklich, dass ich hier arbeiten kann. Für mich ist dieser Job wie ein Sechser im Lotto", betont Mingers.

Eingang des Tivoli-Fußballstadions in Aachen (Foto: pixabay)

Tickets für Heimspiele im Aachener Tivoli-Stadion kann sich Markus Mingers jetzt wieder leisten. Er wartet sehnsüchtig auf die Öffnung der Fußballstadien.  

Endlich Geld für Heimspiele

Für fünf Jahre ist der Fußballfan dort im Rahmen des Teilhabechancengesetzes angestellt. Er bezieht ein festes Gehalt, von dem er leben und sich wieder Tickets für Heimspiele, einen Urlaub und einen eigenen Laptop leisten kann – nach 17 Jahren Hartz IV, ständigen Terminen beim Jobcenter, rund 1.000 Bewerbungen, mehreren Arbeitsgelegenheiten und berufsbildenden Maßnahmen.

Markus Mingers gehört zu den etwa 16.000 langzeitarbeitslosen Menschen in Nordrhein-Westfalen, die vom Teilhabechancengesetz profitieren. Seine Stelle wird im Rahmen des seit Anfang 2019 gültigen Gesetzes in den ersten beiden Jahren zu 100 Prozent vom Staat gefördert, in den Jahren danach zu 90 und 70 Prozent. Für das Gesetz stellt die Bundesregierung bis 2022 bundesweit rund vier Milliarden Euro bereit.

Die Evaluation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat nun bestätigt, dass das Gesetz "wirkt". Menschen, die seit mindestens sieben Jahren arbeitslos sind oder noch nie Erwerbserfahrungen sammeln konnten, finden mit dieser Förderung eine Beschäftigung. Fester Bestandteil ist ein begleitendes Coaching durch die Jobcenter und beauftragte Träger. Doch hier gibt es laut Studie noch "Entwicklungsbedarf". Zum Teil werden 100 Menschen von einem Coach betreut – und das auch nur bis zu einem Jahr.

WABe-Geschäftsführer Alois Poquett im Alemannia Aachen-Shop (Foto: WABe)

WABe-Geschäftsführer Alois Poquett im Alemannia Aachen-Shop, einem von zwei Inklusionsbetrieben des diakonischen Beschäftigungsträgers.

Ein Gewinn für Unternehmen

Markus Mingers hat das Glück, bei einem diakonischen Beschäftigungsträger mit viel Erfahrung in der Begleitung von langzeitarbeitslosen Menschen angestellt zu sein. Seit mehr als 35 Jahren unterstützt die WABe in Aachen jährlich etwa 400 Langzeitarbeitslose, Wohnungslose, Haftentlassene und Menschen mit Behinderungen in verschiedenen Projekten und Qualifizierungsmaßnahmen. Zur WABe gehören neben einer Kreativ- und Fahrradwerkstatt, einem Sozialkaufhaus, Bioladen sowie dem Ökologischen Anbau in einem Gutshof auch zwei Inklusionsbetriebe. Dazu zählen der Fanshop und eine Fankneipe. 

70 der rund 350 Mitarbeitenden hat Geschäftsführer Alois Poquett mittlerweile über das Teilhabechancengesetz bei der WABe angestellt. Er rechnet damit, dass er etwa 15 von ihnen unbefristet übernehmen kann. Die anderen, so hofft er, finden spätestens nach fünf Jahren einen festen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt. Zehn Teilnehmende sind bereits zu anderen Arbeitgebern in Aachen gewechselt. 

"Auch für Unternehmen ist das Teilhabechancengesetz ein Gewinn", glaubt Poquett. "Sie bekommen sehr motivierte Mitarbeitende, die ihre Chance auf einen festen Job nach Jahren der Arbeitslosigkeit, Arbeitsgelegenheiten und Qualifizierungsmaßnahmen unbedingt nutzen wollen." 

Diakonie RWL-Referentin Ina Heythausen (Foto: Diakonie RWL)

Diakonie RWL-Arbeitsmarktexpertin Ina Heythausen wünscht sich, dass das Teilhabechancengesetz in bestimmten Fällen auch eine unbefristete Förderung ermöglicht.

Der Pandemie trotzen

Doch viele Menschen, die über das Teilhabechancengesetz angestellt sind, haben nun Angst, dass die Pandemie ihre Chance auf eine Weiterbeschäftigung deutlich verringert. "Wir wünschen uns, dass das Gesetz  verstetigt wird", betont Diakonie RWL-Arbeitsmarktexpertin Ina Heythausen. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wirbt für eine Entfristung. "Das begrüßen wir sehr. In der Diakonie und der Freien Wohlfahrtspflege setzen wir uns schon lange dafür ein, dass Langzeitarbeitslose dauerhaft die Chance erhalten, mit einer öffentlich geförderten Beschäftigung wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen." 

Markus Mingers hofft, dass der Alemannia Aachen-Fanshop die Corona-Krise übersteht und er dort noch mindestens weitere drei Jahre bleiben kann, vielleicht sogar darüber hinaus. "Ich will optimistisch bleiben", betont er. "Ich arbeite hier in meinem Traumjob, bekomme von Kunden und Kollegen viel positives Feedback und kann endlich Berufserfahrung vorweisen. Daraus muss jetzt etwas werden."

Text: Sabine Damaschke, Fotos: WABe Aachen

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Ina Heythausen
Geschäftsfeld Berufliche und soziale Integration
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Auch die Diakonie Deutschland bewertet das Teilhabechancengesetz positiv. "Die jetzt vorgelegte Bewertung zeigt, was eine gute Förderung und passgenaue Jobs ausmachen – sie führen raus aus der Sackgasse Langzeitarbeitslosigkeit", betont Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Da die Zahl der Arbeitslosen als Folge der Corona-Pandemie steigen werde, sei es besonders wichtig, dass Langzeitarbeitslose dauerhaft die Chance erhalten, mit einer öffentlich geförderten Beschäftigung wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. "Das Förderinstrument 'Teilhabe am Arbeitsmarkt' wird auch in der Pandemie rege genutzt und von vielen Jobcentern als ein wichtiges Element der Arbeitsmarktförderung gesehen. Ein solches Angebot der Arbeitsförderung, das vor allem auf soziale Teilhabe zielt, hat zuvor in der arbeitsmarktpolitischen Förderlandschaft gefehlt."