15. Februar 2022

Hochwasser in Stolberg

Die Möbelpacker der Fluthilfe

Lange waren sie arbeitslos. Dann bekamen Walter Kriegel und Lars Essler einen Job im Diakonie-Sozialkaufhaus der WABe in Stolberg. Als es in der Flutkatastrophe fast unterging, sorgten sie mit dafür, dass die Arbeit weiterlief. Jetzt bringen sie die Möbelspenden zu den Flutopfern und helfen beim Ab- und Aufbau. Bei der Beantragung von Hilfsgeldern unterstützt das mobile Team der Diakonie. 

  • Lars Essler und Walter Kriegel (v.l.) beim Einräumen eines Pakets in ihren Transporter
  • Marion Spiertz (vorne) und Monika Meissner mit Kleiderspenden in der Lagerhalle der WABe in Stolberg
  • Sabrina Kulas steht an einem Bett im Sozialkaufhaus der WABe
  • Blick in das Sozialkaufhaus der WABe in Stolberg
  • Cafeteria des Sozialkaufhauses der WABe in Stolberg
  • Walter Kriegel mit einem renovierten Stuhl in der Schreinerei des Sozialkaufhauses
  • Das Team der WABe steht in blauen Jacken vor dem neuen blauen Dienstfahrzeug

Während Walter Kriegel und Lars Essler mit Waschmaschine und Trockner für die Familie Bellajdel in Stolberg unterwegs sind, sortiert Marion Spiertz die Kleider- und Möbelspenden in der Lagerhalle, und Sabrina Kulas baut im Sozialkaufhaus ein Bett zusammen. "Auch sieben Monate nach der Flutkatastrophe kommen jeden Tag mindestens sieben bis acht Leute vorbei, deren Wohnungen überflutet wurden und die noch Möbel, Geschirr oder Decken brauchen", erzählt sie.

Nebenan wird in der Schreinerei des Sozialkaufhauses gehämmert, geschraubt und geleimt. "Aus einem sechstürigen Kleiderschrank, der in der Flutnacht kaputt gegangen ist, haben wir einen Viertürer gemacht", berichtet Manfred Peters. Aus Regalen, die nicht mehr zu gebrauchen sind, entstehen Insektenhotels. Nachhaltigkeit werde hier groß geschrieben, betont der Schreiner, der seit 13 Jahren als sogenannter "Anleiter" im Stolberger Sozialkaufhaus der diakonischen Beschäftigungsgesellschaft WABe arbeitet. Er macht zusammen mit zwei Kollegen rund 60 langzeitarbeitslose Menschen, die hier im Rahmen von "Arbeitsgelegenheiten" tätig sind, für den Arbeitsmarkt fit. 

Marion Spiertz und Sabrina Kulas stehen in blauen Diakoniejacken vor dem Sozialkaufhaus der WABe in Stolberg

Marion Spiertz und Sabrina Kulas vor dem Sozialkaufhaus der WABe in Stolberg

Ein Haus voller Sachspenden

Das Sozialkaufhaus liegt im Stadtteil Mühle und ist in der kleinen Geschäftsstraße auf drei Läden verteilt. In der Flutnacht stieg das Wasser des Vichtbaches, der mitten durch die kleine City fließt, bis auf 1,60 Meter. Noch immer stehen viele Geschäfte leer, weil sie trocknen und renoviert werden müssen, darunter auch zwei Läden der WABe. Alles, was gerettet werden konnte, ist nun in der größten Filiale untergebracht. Für die vielen Möbel- und Kleiderspenden hat die Beschäftigungsgesellschaft noch eine große leerstehende Lagerhalle oberhalb der City angemietet. Hier arbeitet Marion Spiertz. "Die halbe Halle ist schon leergeräumt", sagt sie stolz. 

Seit über drei Jahren ist die 52-Jährige bei der WABe. Vorher war sie lange arbeitslos und immer nur in Minijobs beschäftigt. Für fünf Jahre ist sie nun sozialversicherungspflichtig im Rahmen des Teilhabechancengesetzes angestellt. "Als ich nach der schrecklichen Flutnacht unser Sozialkaufhaus sah, dachte ich: So, das war's mit deinem Job", erzählt sie. "Ich war total fertig." Ähnlich ging es Walter Kriegel, der nun jeden Tag im Transporter unterwegs ist, um Familien, deren Wohnungen vom Hochwasser beschädigt wurden, Möbel zu bringen, beim Aufbau oder kleineren Reparaturen zu helfen. Doch statt arbeitslos zu werden, haben sie nun mehr denn je zu tun.

Drei Männer stehen auf einer beschädigten Terrasse vor einem Bach.

Walter Kriegel (Mitte) steht mit den Anleitern Manfred Peters (r.) und Ralph Kreitz hinter dem Sozialkaufhaus. Ein Teil der Terrasse wurde in der Flutnacht vom Vichtbach weggerissen.

Helfen – mit ungeahnten Kräften

Viele Jahre hat Walter Kriegel als ungelernte Kraft auf dem Bau gearbeitet. Seit einem Jahr ist er bei der WABe fest angestellt. "Die sind wie eine Familie für mich", sagt der 48-Jährige. "Deshalb war klar, dass ich sofort mitanpacke, um das Sozialkaufhaus zu retten." Im vergangenen Sommer hätten sie "Überstunden ohne Ende" gemacht, erzählt er, ungeahnte Kräfte entwickelt und über Gefahren nicht nachgedacht, um ihren Stadtteil wieder aufzubauen. "Sabrina hat sogar einen Kanaldeckel geschleppt", berichtet Walter Kriegel stolz. "Es ist ein ganz starker Zusammenhalt entstanden, wie ich ihn vorher nicht erlebt habe. Unser Job macht uns jetzt noch mehr Spaß als vorher."
Etwa 10.000 Menschen sind in Stolberg vom Hochwasser betroffen. Rund 56.000 Einwohner hat die Stadt. Im Mühlenviertel leben viele, die schon vorher auf das Sozialkaufhaus angewiesen waren, weil sie wenig Geld haben. Der Stadtteil gilt als sogenannter "Brennpunkt". 

"Die meisten Menschen hier haben keine Versicherungen, die nun für Flutschäden aufkommen", berichtet WABe-Geschäftsführer Peter Brendel. Geld für Renovierungen, Handwerker oder neue Möbel fehlt. Dass sie Hilfsgelder vom Staat und Spenden der Diakonie RWL und Katastrophenhilfe bekommen können, wissen viele nicht. "Sie gehen zum Sozialkaufhaus, um sich eine neue Matratze zu holen und bekommen dann mit, dass wir auch bei der Beantragung von Geldern helfen", sagt Brendel. 

Eine Frau mit Kopftuch steht vor einem Transporter, aus dem zwei Männer zwei Pakete heben.

Hasna Bellajdel  freut sich über die neue gespendete Waschmaschine samt Trockner.

Familie Bellajdel kann wieder waschen

Und manchmal ist es auch umgekehrt. Dann erfährt das mobile Team, das von der Diakonie RWL und der Diakonie Katastrophenhilfe bezahlt wird, dass Familien ohne Möbel, Heizkörper oder eine Waschmaschine dastehen. 

Hasna Bellajdel hat seit der Flutnacht keine Waschmaschine mehr. Dass Keller und Erdgeschoß ihres kleinen Hauses, in dem sie mit vier Kindern lebt, komplett unter Wasser standen, erfuhr sie in der Türkei. Die Nachbarin hatte sie während ihres Sommerurlaubs angerufen. Sie war es auch, die sich beim mobilen Team der WABe Hilfe holte und von Hasna Bellajdel und ihren Kindern erzählte. Die Kollegin sagte Walter Kriegel Bescheid – und der wusste von einer neuen Waschmaschinen- und Trocknerspende.

Also ging es schnell zum Lager, wo Lars Essler und er die zwei Geräte in den Transporter luden, mit dem sie täglich in Stolberg unterwegs sind. Hasna Bellajdel und ihre Familie waren beeindruckt. "Am Montag hat sich die WABe bei mir gemeldet und am Mittwoch bekomme ich Waschmaschine und Trockner. So schnell hat uns noch niemand geholfen", sagt sie.

Text: Sabine Damaschke, Fotos: Andreas Schmitter

Weitere Informationen

Die WABe gehört zu den mehr als 100 diakonischen Einrichtungen, die im Verbandsgebiet der Diakonie RWL in den Bereichen Arbeit, Qualifizierung und Jugendberufshilfe tätig sind. Seit über 20 Jahren ist die WABe in Stolberg aktiv. Der Verband unterstützt im gesamten Raum Aachen jährlich etwa 800 Langzeitarbeitslose, Wohnungslose, Haftentlassene und Menschen mit Behinderungen in Projekten und Qualifizierungsmaßnahmen. Zur WABe gehören neben den Sozialkaufhäusern in Stolberg und Aachen auch eine Radstation mit Fahrradwerkstatt. Hinzu kommen Kreativ- und Recyclingwerkstätten, zwei Inklusionsbetriebe mit einem Bioladen sowie biologischem Gemüseanbau auf einem Gutshof, Gastronomieangeboten und Handwerksmeisterbetrieben.