Welthospiztag
Yasin und Selim sind ganz in ihrem Element, wenn sie zeigen, was in einer Kindertrauergruppe passiert. Sie zünden Teelichter an, setzen sich auf Kissen um die "Schatzkiste", aus der sie sich zu Beginn immer einen bunten Stein herausnehmen dürfen und holen die Bilder, die sie für ihre Oma in den vergangenen Wochen im Ökumenischen Hospiz Emmaus gemalt haben. "Ich versuche, nicht immer an meine Oma zu denken, aber sie auch nicht zu vergessen", fasst der achtjährige Selim zusammen, was er in der Kindertrauergruppe gelernt hat. "Als ich zuerst hier hinkam, war ich oft ganz traurig und wütend."
Mit 73 Jahren ist die Oma, die sich intensiv um ihn und seinen elfjährigen Bruder Yasin gekümmert hat, an Corona gestorben. "Ich war auch sauer", ergänzt Yasin. "Besuchen durften wir sie in der Klinik ja nicht, aber ich bin jeden Tag mit einem Freund hingelaufen und habe vor ihrem Fenster gebetet, damit sie wieder gesund wird. Hat aber nichts genützt."
Selim denkt oft an seine Oma, die an Corona gestorben ist.
Lernen, mit Trauer und Wut umzugehen
Beide vermissen die Oma sehr, die vor einigen Monaten in ihrem Heimatdorf in der Türkei begraben wurde. Aber sie wissen jetzt besser, wie sie mit ihrer Trauer und Wut umgehen können. "Wir malen und basteln etwas, das uns an sie erinnert und sprechen darüber, wenn wir traurig sind", sagt Yasin. "Aber wir spielen auch Uno und toben", betont Selim und rollt auf dem Hüpfball durch das große Zimmer, in dem die Kindertrauergruppe einmal in der Woche stattfindet.
Seit 2016 bietet das Ökumenische Hospiz Emmaus in Gevelsberg Trauergruppen für Kinder und Jugendliche an. Auch in der Begleitung von Familien mit Kindern, die lebensverkürzende Krankheiten haben, engagiert sich der ambulante Hospizdienst. Viele Jahre stand die Sterbe- und Trauerbegleitung von Erwachsenen im Fokus des 1995 gegründeten Hospizes, das ein Mitglied der Diakonie RWL ist.
"Von den Sterbefällen in den Familien sind auch Kinder und Jugendliche betroffen, die eine eigene, altersangemessene Begleitung brauchen, die ihnen gerecht wird", erzählt Koordinatorin Michaela Pesenacker. "Wir konnten sie früher nur an die Angebote anderer, weit entfernterer Kinderhospizdienste verweisen."
Michaela Pesenacker koordiniert die Hospizarbeit für Kinder und Jugendliche sowie für Erwachsene.
Einzelbegleitungen in der Pandemie
Nun gibt es alles unter einem Dach. Insgesamt 59 Ehrenamtliche engagieren sich im Hospiz Emmaus, 22 von ihnen arbeiten im Kinder- und Jugendbereich. Sie gestalten die Kinder- und Jugendtrauergruppen, machen aber auch Einzeltrauerbegleitungen und betreuen derzeit fünf Familien mit schwerkranken Kindern im Tandem. Während der Corona-Pandemie konnten keine Gruppen stattfinden, und die Einzelbegleitungen mussten nach draußen verlegt werden.
Auch Yasin und Selim wurden nach dem Tod der Oma zunächst einmal pro Woche von zwei Hospizmitarbeitenden besucht, die mit ihnen etwas unternommen haben. Beim Fußballspielen oder Eisschlecken gingen die geschulten Ehrenamtlichen auf all das ein, was die beiden Brüder in den Wochen nach dem Tod der Oma beschäftigte. Erst nach den Sommerferien durften wieder Gruppen stattfinden, so dass die beiden Jungs dann an einer Kindertrauergruppe teilnehmen konnten.
Birgit Prottung leitet die Kindertrauergruppen. Sie mag die Offenheit und Neugierde der Kinder.
Kinder brauchen einander
"Insbesondere für die Kinder und Jugendlichen war es schwierig, dass nur Einzelbegleitungen stattfinden durften, denn es stärkt sie, wenn sie mit Gleichaltrigen zusammen sein können, die Ähnliches erlebt haben", sagt Birgit Prottung. Sie leitet mit Andrea Schilling die Kindertrauergruppe, ist aber auch in der Begleitung der erkrankten Kinder aktiv.
Ein ehrenamtliches Engagement, auf das sie immer wieder angesprochen wird. "Viele fragen, warum ich mir als Hospizhelferin ausgerechnet diese Altersgruppe ausgesucht habe", erzählt sie. "Mit Kindern über Sterben und Tod zu reden, finden die meisten Menschen schwierig. Ich erlebe das anders. Kinder und Jugendliche sind offen, ehrlich und neugierig. Sie freuen sich am Leben, auch wenn sie Angehörige verloren haben oder wissen, dass sie selbst bald sterben werden."
Bunte Fingerabdrücke statt schwarze Trauerränder - Auch Yasin hat im Hopiz einen Abdruck hinterlassen.
Leben im Sterben
Den Welthospiztag am 9. Oktober nutzt das Hospiz Emmaus in diesem Jahr, um in einer Aktionswoche auf seine vielfältige Arbeit aufmerksam zu machen. Es gibt eine Ausstellung über Trauer-Tatoos, Musik, Tanz, einen "Letzte Hilfe"-Kurs sowie verschiedene Vorträge.
"Wir wollen zeigen, dass Tod und Trauer zum Leben gehören, dass das Thema nicht nur dunkel und schwer ist, sondern es neben Tränen auch Freude und Hoffnung gibt", betont Michaela Pesenacker. Das ganze Hospiz erzählt davon. Die Räume sind hell und bunt. Kraniche aus Papier erinnern an die Verstorbenen, die die Mitarbeitenden begleitet haben. Ein Regenbogen ziert die Wand im Eingangsbereich und umschließt die bunten Fingerabdrücke der Kinder, die hier die Gruppen besucht haben.
Auch Yasin hat seinen hinterlassen. Die bunten Farben schmücken auch einen Stein, den er in der Kindertrauergruppe für seine Oma gestaltet hat. Wenn er in den Herbstferien mit seiner Familie in die Türkei fährt, wird er ihn auf ihr Grab legen.
Text und Fotos: Sabine Damaschke
Sterbebegleitung in der Pandemie
Zu Besuch im stationären Kinderhospiz Wuppertal
Krankenhaus und Gesundheit
Der Welthospiztag findet jährlich am zweiten Samstag im Oktober statt. In diesem Jahr steht er unter dem Motto "Leben! Bis zum Schluss." Der Hospizidee liegt die Überzeugung zugrunde, dass Menschen jeden Lebensalters – das gilt für Kinder ebenso wie für alte Menschen, ihre Familien und die ihnen Nahestehenden – in der letzten Lebensphase sowie nach dem Tod eines Angehörigen Zuwendung und Unterstützung brauchen. In NRW gibt es mehr als 300 Hospizdienste. In der Diakonie RWL sind 63 ambulante Hospizdienste aktiv.