7. Oktober 2022

Welthospiztag

Impulse für die Hospizbewegung

Im Alltag sind Tod, Sterben und Trauer meist nur Randthemen. Nicht so für die Mitarbeitenden der rund 50 ambulanten NRW-Hospizdienste, die im Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe organisiert sind. Einige von ihnen haben sich in einem Workshop in Düsseldorf mit dem Palliativmediziner Professor Raymond Voltz ausgetauscht.

  • Auf Zetteln sind die Ziele der ambulanten Hospizdienste notiert.
  • Eine Frau legt ihre Hand auf die Hände einer alten Frau.
  • Eine Workshop-Teilnehmerin notiert die Gedanken der anderen auf einem Zettel.
  • Sonnenstrahlen fallen auf ein großes Kreuz auf einem Friedhof.
  • Mitarbeitende aus dem ambulanten Hospizdienst tauschen sich beim Workshop aus.
  • Eine Kerze leuchtet in der Dunkelheit.

Der Welthospiztag am zweiten Samstag im Oktober - in diesem Jahr ist das der 8. Oktober – verschafft dem Thema Sterben zumindest kurzzeitig mehr Aufmerksamkeit. Der eine Hospizdienst veranstaltet dann beispielsweise einen Flashmob am Hauptbahnhof. Ein anderer backt Waffeln auf dem Friedhof. Und wieder andere kleben Plakate. "Solche Aktionen sind auf jeden Fall toll, und gerade in kleineren Orten funktioniert das auch gut", sagt Professor Raymond Voltz, Direktor des Zentrums für Palliativmedizin an der Uniklinik Köln. "Aber dann verpufft das Interesse oft auch wieder – leider." Der Mediziner setzt daher auf nachhaltige Strukturen, um das Thema Sterben dauerhaft und mitten in der Gesellschaft zu verankern. "Wir alle sollten uns rechtzeitig damit auseinandersetzen." Das Palliativ- und Hospiznetzwerk Köln e.V., dessen ehrenamtlicher Vorsitzender Raymond Voltz ist, hat daher gemeinsam mit der Stadt Köln "Caring Community Köln" initiiert. "Caring Community bedeutet, die Hospizbewegung noch einen Schritt weiter zu tragen: in Schulen, Vereine, Unternehmen, Gastronomie und Verwaltung", erklärt Voltz. "Raus aus der eigenen Bubble, rein in die Gesellschaft."

Ulrike Telgenkämper und Axel Bremecke (re.) mit dem Palliativmediziner Raymond Voltz aus Köln.

Ulrike Telgenkämper und Axel Bremecke (re.) haben den Palliativmediziner Raymond Voltz aus Köln eingeladen.

Gast aus Köln

Wie das funktionieren kann, welche unterschiedlichen Wege dorthin es gibt, und welche Hürden dabei möglicherweise zu überwinden sind, das hat der Lehrstuhlinhaber nun in einem Workshop in Düsseldorf für Mitglieder des "Arbeitskreis Ambulante Hospizdienste" erklärt. 24 Koordinatorinnen und Koordinatoren ambulanter Hospizdienste aus Nordrhein-Westfalen, die organisiert sind in der Diakonie RWL, sind dafür aus der näheren Umgebung angereist, aber auch aus Dortmund, der Eifel und aus Südwestfalen. "Das ist unser erstes Treffen in Präsenz seit November 2019", freut sich Axel Bremecke, Referent im Geschäftsfeld Krankenhaus und Gesundheit, über die hohe Teilnehmendenzahl. Und es sei noch dazu "eine Premiere und eine Ehre", dass ein Palliativmediziner anwesend sei. "Dieser Arbeitskreis und der Austausch sind sehr wichtig, das können wir hier und heute wieder sehen", ergänzt Ulrike Telgenkämper, Referentin im Zentrum Pflege. Gemeinsam haben die beiden den Kölner Gastreferenten eingeladen und die Veranstaltung organisiert. 

Teilnehmende ambulanter Hospizdienste tauschen sich in einer Kleingruppe aus.

Die Teilnehmenden berichten von ihren unterschiedlichen Erfahrungen in der Hospizarbeit.

Unterstützung suchen

Auch Raymond Voltz betont bereits zur Begrüßung, wie wichtig das "Miteinander" sei. "Wir dürfen nicht nur unter uns bleiben. Je stärker wir vernetzt sind, desto mehr sind wir Teil der Gesellschaft." Die Palliativmedizin brauche eine starke Hospizbewegung, "künftig mehr denn je, denn der finanzielle Druck steigt". Deshalb räumt er mit einem Vorurteil ebenfalls gleich zu Beginn auf: "Hospizarbeit und Strategiearbeit sind kein Widerspruch, sondern sie gehören zusammen." Er fordert die Teilnehmenden auf, "ruhig hartnäckig zu sein" und sich Unterstützung in Politik und Verwaltung zu suchen. "Diese Unterstützung muss gar nicht finanzieller Art sein."  Es diene vielmehr der Bekanntheit, wenn sich etwa der städtische Briefkopf auf Einladungen wiederfinde, ein städtisches Logo auf den Flyern oder ein Saal im Rathaus für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werde. "Die entsprechenden Inhalte kann die Hospizbewegung liefern", so Voltz weiter. "Was oft fehlt, ist der große Rahmen."

Auf Zetteln haben die Teilnehmenden den Ist-Zustand und die Ziele der ambulanten Hospizdienste notiert.

Auf Zetteln haben die Teilnehmenden den Ist-Zustand und die Ziele der ambulanten Hospizdienste notiert. 

Nächste Schritte planen

Im ersten Schritt des Workshops haben sich die Teilnehmenden in gemischten Gruppen klargemacht, wo sie Stand jetzt mit ihrer Einrichtung stehen. So bieten etwa alle ein Trauercafé an, die sogenannten Letzte Hilfe-Kurse sind weit verbreitet, es gibt Rufbereitschaften und Hotlines, öffentliche Trauerorte, Infoveranstaltungen und Aktionswochen sowie Kooperationen. Im zweiten Schritt geht es darum, Ziele und Visionen zu definieren: "Was könnte für unsere Region der nächste Schritt sein?" Raymond Voltz betont: "Die Ergebnisse können dabei durchaus sehr unterschiedlich sein."

Nach knapp 30-minütiger Diskussion in den Gruppen - "alle sind unglaublich engagiert gewesen", stellt Axel Bremecke fest – werden die Ergebnisse in großer Runde präsentiert. Worin sich alle Teilnehmenden einig sind: Die ambulanten Hospizdienste müssen in den sozialen Netzwerken sichtbarer werden. "Ich bin optimistisch, dass das Thema ,Social Media‘ künftig vorangetrieben wird, weil sich gerade ein Generationenwechsel vollzieht", betont Raymond Voltz. "Die erste Generation Hospizbewegung geht in den Ruhestand, viele junge Leute rücken nach. Das sehe ich auch, wenn ich heute in diese Runde schaue." Außerdem herrscht große Einigkeit darüber, dass die ambulanten Hospizdienste "theoretisch gut aufgestellt" seien. Es hapere jedoch oft an der praktischen Umsetzung. "Wir drehen uns manchmal zu sehr im Kreis", bringt es ein Teilnehmer auf den Punkt.   

Die Mitarbeitenden verschiedener Hospizdienste diskutieren in einer Gruppe.

Die Mitarbeitenden verschiedener Hospizdienste haben sich beim Workshop austauschen können.

Neue Impulse

"Unser Workshop war ungemein produktiv und hat viel Spaß gemacht", so das Fazit einer Teilnehmerin. "Wir haben festgestellt, dass wir in den ambulanten Hospizdiensten viele ähnliche Projekte und Ziele haben. Aber ich konnte auch Ideen für neue Initiativen mitnehmen, auf die ich allein nie gekommen wäre." Ein weiterer Teilnehmer sagt: "Wir machen schon sehr viel, wie mir die anderen heute gespiegelt haben. Aber wir könnten vieles noch optimieren und vor allen Dingen öffentlicher machen." Und auch der Workshopleiter selbst ist mit dem Austausch zufrieden: "Ich habe den Eindruck, dass der Wunsch nach mehr Öffentlichkeit bei vielen Mitarbeitenden der ambulanten Hospizdienste sehr groß ist." Die Palliativmedizin könne in dieser Hinsicht schon Erfolge aufweisen. Voltz: "Als ich vor 18 Jahren im Rheinland ankam, war das kaum ein Thema. Das hat sich geändert: Heute gibt es deutschlandweit rund zehn Lehrstühle für Palliativmedizin – aber wirklich viel ist das natürlich noch immer nicht."

Die Begleitung am Lebensende sei Jedermanns Verantwortung, so der Professor weiter. "Ich hoffe, dass die Teilnehmenden dafür künftig Multiplikatoren in ihren Regionen sein werden." Und schließlich hat er noch ein ungewöhnliches Beispiel parat, wie Trauerarbeit ganz unkompliziert mitten in der Gesellschaft ihren Platz finden kann: In Schottland, wo Raymond Voltz als junger Mann seine Famulatur in einem Hospiz absolvierte, liegen in Kneipen Bierdeckel aus, auf deren Rückseite Tipps für Trauernde zu lesen sind, erzählt er. Voltz: "Denn wohin gehen viele Menschen, wenn sie den Verlust eines geliebten Menschen betrauern? Richtig - in die Kneipe!"

Text: Verena Bretz, Fotos: Verena Bretz, Bernd Kasper, Pixabay, Pixelio      

Ihre Ansprechpartner/innen
Axel Bremecke
Geschäftsfeld Krankenhaus und Gesundheit
Ulrike Telgenkämper
Zentrum Pflege
Weitere Informationen
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Krankenhaus und Gesundheit

Info

Die "Caring Community Köln" ist eine Initiative verschiedener Kölner Institutionen wie dem Palliativzentrum der Uniklinik und dem Verein Endlich, aber auch der Kölner IHK und der Handwerkskammer. Moderiert wird "Caring Community" vom Palliativ- und Hospiznetzwerk Köln und dem Gesundheitsamt der Stadt Köln. Das Ziel: Die Kölner Stadtgesellschaft im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer zu stärken und Kompetenzen zu fördern. Dazu wurden verschiedene Arbeitsgruppen eingerichtet, etwa eine Gruppe, die Trauer am Arbeitsplatz thematisiert. Eine andere erstellt einen digitalen "Sorgestadtplan", der Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung zeigt.
Mehr unter https://caringcommunity.koeln