2. September 2022

Parlamentarisches Frühstück

Lobbyarbeit für die Offene Ganztagsschule

Ab dem Schuljahr 2026/27 gilt der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung für Kinder an Grund- und Förderschulen. Doch bis dahin muss noch viel passieren, wenn die Mädchen und Jungen tatsächlich attraktiv, umfassend und qualitativ hochwertig betreut und gebildet werden sollen. Wie das gelingen kann, darüber haben sich am Freitag im NRW-Landtag Vertrer*innen aus Politik und Praxis ausgetauscht.

  • Kinderwünsche für die OGS auf Papier-Sonnenblumen.
  • Reichhaltiges Buffet beim Parlamentarischen Frühstück.
  • Christian Heine-Göttelmann begrüßt die Gäste.
  • An Thementischen konnten die Teilnehmenden diskutieren.
  • Von Links: Staatssekretär Lorenz Bahr-Hedemann, RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann und Thomas Kutschaty (SPD)..
  • Viele Gäste sind zum Parlamentarischen Frühstück gekommen.
  • Björn-Christian Jung (Diakonie RWL) und Anna Knüfer (Ev. Bildungswerk im Kirchenkreis Duisburg).
  • Eileen Woestmann (Grüne), Christian Heine-Göttelmann (Vorstand Diakonie RWL) und Lena Zingsheim-Zobel (Grüne).
  • Jana Groß, stellvertretende Schulleiterin an der Grundschule am Dichterviertel Mühlheim an der Ruhr.
  • Franz Werfel (Diakonie RWL), Claudia Schlottmann (CDU) und Gönül Eglence (Grüne).

Anton wünscht sich mehr Platz in der Offenen Ganztagsschule. Laura möchte gerne noch häufiger Zeit mit ihren Erzieherinnen verbringen. Und Eleni würde sich freuen, wenn es im Sommer in den Räumen nicht so warm wäre. Auf Sonnenblumen aus Papier hatten einige Kinder aus der Sternwart-Grundschule in Düsseldorf ihre Wünsche an die Politik notiert. Die zierten an diesem Freitagmorgen das Restaurant im NRW-Landtag, in dem die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe gemeinsam mit dem Landtagspräsidenten zum Parlamentarischen Frühstück eingeladen hatte.

An drei Thementischen - "Bildung", "Betreuung" und "Erziehung" – stellten Praktikerinnen und Praktiker, Führungskräfte sowie Geschäftsführungen unterschiedlicher Einrichtungen ihre pädagogische Arbeit vor. Rund 20 Fachpolitiker*innen der vier demokratischen Parteien CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen waren gekommen, um mit ihnen über die wichtigsten Punkte für ein OGS-Gesetz zu sprechen, das notwendig ist, um auch in Zukunft eine gute Bildungslandschaft zu garantieren.

Vize-Landtagspräsident Rainer Schmeltzer (SPD) begrüßt die Gäste beim Parlamentarischen Frühstück.

Vize-Landtagspräsident Rainer Schmeltzer (SPD) begrüßt die Gäste beim Parlamentarischen Frühstück.

Engagiertes Miteinander

"Wir machen Lobbyarbeit für die OGS und hoffen, dass wir die Abgeordneten hier und heute sensibilisieren können, sich ebenfalls für eine gute Ganztagsbetreuung stark zu machen", sagt Tim Rietzke, Leitung Geschäftsfeld Familien und junge Menschen bei der Diakonie RWL. Dafür nötig seien neben ausreichend qualifiziertem Personal entsprechend ausgestattete Räume und ein engagiertes Miteinander von Schule, Jugendhilfe und anderen Partnern vor Ort.

Auf diese Zusammenarbeit setzt auch Vize-Landtagspräsident Rainer Schmeltzer (SPD), der in seiner Begrüßung betonte: "Der Landtag NRW ist dankbar für die Arbeit der Diakonie als organisierter und helfender Arm der evangelischen Kirche." Und Christian Heine-Göttelmann, Vorstand der Diakonie RWL, forderte die Teilnehmenden auf, die Gelegenheit zum Austausch zu nutzen: "Denn wir brauchen jetzt schon die Gespräche, um die Rahmenbedingungen für das Jahr 2026 zu klären."

Jennifer Galle (li., Diakonie Mülheim a.d. Ruhr) und Jana Groß, stellvertretende Schulleitung der Grundschule am Dichterviertel Mülheim a.d. Ruhr, mit dem Schulpreis.

Jennifer Galle (re., Diakonie Mülheim a.d. Ruhr) und Jana Groß, stellvertretende Schulleiterin der Grundschule am Dichterviertel Mülheim a.d. Ruhr, mit dem Schulpreis.

Ausgezeichnete Vorbilder

Bei Kaffee, Croissants und Obstsalat waren sich alle Anwesenden einig, dass die Zeit drängt. "Und es muss noch viel passieren", sagt CDU-Landtagsabgeordneter Christos Katzidis. So gab es zwar uneingeschränktes Lob für die Mitarbeitenden der Grundschule am Dichterviertel Mühlheim an der Ruhr, die für ihre vorbildliche Arbeit bereits mehrfach ausgezeichnet wurde und in Sachen Ganztagsbetreuung beispielhaft für die gute Zusammenarbeit von Diakonie und Grundschule ist. "Aber solche Best Practice-Beispiele stehen leider nicht für die Masse der Schulen", sagt Marcel Fischell, Geschäftsführer des Evangelischen Bildungswerks im Kirchenkreis Duisburg. Er fordert vielmehr, den Blick auch auf die schlechteren Beispiele zu lenken. "Es gibt beispielsweise Schulen, deren Grundrisse hundert Jahre alt sind. Da ist es eine echte Herausforderung, moderne Raumkonzepte umzusetzen."

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD) im Gespräch mit Friedrich-Rudolf Michel-Fabian (Diakonie RWL).

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD) im Gespräch mit Friedrich-Rudolf Michel-Fabian (Diakonie RWL).

Fachkräfte sind ein Muss

Stefanie Klein von der Diakonie Düsseldorf, ebenso wie Fischell im Evangelischen Fachverband Ganztagsangebote an Schule RWL, macht der Fachkräftemangel große Sorgen. "Gute Betreuung braucht qualifiziertes Personal, aber der Markt ist leer. Wir brauche eine Ausbildungsoffensive." Der gesamte Bereich soziale Arbeit müsse viel stärker in den Fokus rücken, wurde sie von der Grünen-Abgeordneten Eileen Woestmann unterstützt. "Ambitionierte Ergänzungskräfte können in der OGS eine echte Bereicherung sein. Aber an bestimmten Stellen sind pädagogische Fachkräfte ein Muss." Die Sprecherin für Kinder und Familie ist selbst Sozialpädagogin und verspricht: "Bei mir rennen Sie mit dem Thema offene Türen ein!"

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Lisa-Kristin Kapteinat wünscht sich, dass soziale Berufe für junge Menschen attraktiver werden. Sie berichtete von einem jungen Mann in ihrem privaten Umfeld, der sich nach einigem Hin und Her für eine Ausbildung zum Erzieher entschieden habe: "Und jetzt", so die Landtagsabgeordnete weiter, "ist er total glücklich mit seiner Entscheidung, weil ihm die Kinder so viel zurückgeben."

Stefanie Klein (Diakonie Düsseldorf), Marcel Fischell (Ev. Bildungswerk im KK Duisburg), Lena Zingsheim-Zobel (Grüne), Vera Nosek (Ev. Büro NRW) und Tim Rietzke (Diakonie RWL).

Praxis trifft Politik: Stefanie Klein (Diakonie Düsseldorf), Marcel Fischell (Ev. Bildungswerk im KK Duisburg), Lena Zingsheim-Zobel (Grüne), Vera Nosek (Ev. Büro NRW) und Tim Rietzke (Diakonie RWL).

Flexible Modelle

Das Stichwort Verlässlichkeit kam an allen drei Thementischen zur Sprache. "Eher heute als morgen muss ein gesetzlicher Rahmen für die Ganztagsbetreuung geschaffen werden", fordert etwa Stefanie Klein. "Wir brauchen zügig Klarheit und Handlungssicherheit." Marcel Fischell plädiert als Vorsitzender des Evangelischen Fachverbands Ganztagsangebote an Schule RWL für ein flexibles Modell, das den Schulen und Trägern ausreichend Freiraum lässt. Eben darin sieht Landtagsabgeordnete Lena Zingsheim-Zobel, bei den Grünen Sprecherin für Schule und Bildung, die große Herausforderung: "Die Kunst wird es sein, eine Verankerung im Gesetz hinzubekommen, die Verlässlichkeit garantiert, aber die Kommunen nicht in ein Korsett zwängt."

In ein Korsett gezwängt – so fühlen sich oft auch die Eltern, die den Alltag zwischen Beruf und Kinderbetreuung meistern müssen. „Wenn meine Tochter in der dritten Klasse nachmittags aus der OGS kommt, muss ich ihr meist noch bei den Hausaufgaben helfen. Das wünsche ich mir anders“, schildert eine berufstätige Mutter ihr Dilemma am Thementisch Bildung. Ihre Forderung: „Ich muss und möchte guten Gewissens arbeiten gehen und mein Kind dabei gut betreut und gebildet wissen.“

Von Links: Thomas Kutschaty (SPD), Ulf Schlüter (Vizepräsident Ev. Kirche von Westfalen), Christian Heine-Göttelmann, Elisabeth Müller-Witt (SPD) und Vize-Landtagspräsident Rainer Schmeltzer (SPD)

Entspannte Gesprächsrunde mit (v.l.): Thomas Kutschaty (SPD), Ulf Schlüter (Vizepräsident Ev. Kirche von Westfalen), Christian Heine-Göttelmann, Elisabeth Müller-Witt (SPD) und Vize-Landtagspräsident Rainer Schmeltzer (SPD).

Reger Austausch

Auf zwei Stunden lebhafte Diskussion folgte für die Landtagsabgeordneten in der ersten Sitzungswoche nach den Sommerferien gleich die dritte Plenarsitzung. "Umso mehr freue ich mich über das große Interesse am Austausch mit uns", so Christian Heine-Göttelmann zum Ende des Parlamentarischen Frühstücks. "Von unseren Mitgliedern habe ich die Rückmeldung bekommen, dass sie dankbar sind, so unmittelbar mit den zuständigen Fach-Politikerinnen und -Politikern ins Gespräch gekommen zu sein. Das gab ihnen die Gelegenheit, ausführlich von ihrer Arbeit und den damit auch verbundenen Herausforderungen und Schwierigkeiten zu berichten."  

Text: Verena Bretz, Fotos: Jana Hofmann

Ihr/e Ansprechpartner/in
Tim Rietzke
Geschäftsfeld Familie und junge Menschen
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