22. Juli 2021

Erste Soforthilfe für Flutopfer

"Wir stehen an eurer Seite"

Leben konnte gerettet werden, aber Häuser und Infrastruktur sind größtenteils zerstört. Heute haben Diakoniepräsident Ulrich Lilie, der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Keßler, und Diakonie RWL-Vorstand Thomas Oelkers eine erste Übergabe von Soforthilfen an die Kirchengemeinde im Schleidener Tal bei Aachen gestartet. Mit im Gepäck hatten sie Trockengeräte für die Aufräumarbeiten.

  • Übergabe der Trockengeräte in Kall (Foto: Hermann Bredehorst/Diakonie Katastrophenhilfe)
  • Übergabe eines Trockners durch Martin Kessler von der Diakonie Katastrophenhilfe
  • Diakonievorstände in einem zerstörten Wohnraum in Kall
  • Verzweifeltes Ehepaar in Kall, das sich umarmt
  • Diakonie-Präsident Ulrich Lilie tröstet eine vom Hochwasser betroffene Frau

Die Straßen sind zum Teil komplett weggespült, zwischen den Häusern liegen Bruchstücke von Möbeln und privater Habseligkeiten. "Wir haben hier Bilder gesehen, die man sonst nur von anderen Ländern der Welt kennt", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. "Die Menschen haben ihr alles verloren, was ihre Identität ausmacht." Martin Keßler von der Diakonie Katastrophenhilfe versprach eine "schnelle, materielle Soforthilfe – und zwar so unbürokratisch wie möglich". Die Diakonie stehe jetzt an der Seite der Menschen, wolle "Verbündete sein", ergänzte Lilie. 

Die Diakonie-Vorstände besuchten ein Seniorenheim der Kirchengemeinde, in dem 15 Appartements des betreuten Wohnens im Erdgeschoss vollständig zerstört wurden, sprachen mit dem Einrichtungsleiter, Pfarrer und Gemeindemitgliedern, deren Häuser überflutet wurden. Und sie brachten vier Trocknungsgeräte für die Aufräumarbeiten mit. Weitere sollen in den nächsten Tagen folgen. 

Martin Keßler, Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, im Gespräch mit einem vom Hochwasser betroffenen Mann.

Martin Keßler, Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, sieht sich die Schäden des Hochwassers an. 

"Das Wasser stieg auf 1,8 Meter"

In Kall wie auch im Nachbarort Gemünd ist ein großer Teil der Infrastruktur zusammengebrochen. Wohnhäuser, Geschäfte und Bankautomaten seien teilweise komplett zerstört, berichtete Pfarrer Erik Schumacher von der Evangelischen Trinitatis Kirchengemeinde Schleidener Tal. Es gebe keinen öffentlichen Nahverkehr mehr. Die Busse seien größtenteils einfach weggeschwemmt worden. In den Orten im Schleidener Tal war der Wasserpegel des Kallbach durch den Starkregen auf eine Höhe von 1,8 Metern angestiegen. 

"Viele Menschen haben hier ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Bislang wissen wir von elf Menschen, die gestorben sind. Insbesondere ältere Menschen sind traumatisiert, weil sie die Evakuierungen an die Kriegszeiten erinnern", berichtete der Pfarrer. Die Seniorinnen und Senioren, die aus ihren Appartements des betreuten Wohnens evakuiert werden mussten, wurden in einem anderen Altenheim der Kirchengemeinde untergebracht. Viele hätten einen Schock erlitten. 

"Nicht nur für sie brauchen wir seelsorgerliche Begleitung. Auch andere Menschen aus unserer Nachbarschaft werden noch eine psychologische Nachbetreuung benötigen." Für Schumacher ist klar: Die materiellen, aber auch psychischen Folgen der Flutkatastrophe werden die Menschen im Schleidener Tal noch Jahre beschäftigen. Deshalb sei eine  langfristig angelegte strukturelle Hilfe nötig, betont der Pfarrer. Der Diakoniepräsident versprach, auch Fachleute vor Ort zu bringen, die den Aufbau und die Hilfen mit den Menschen vor Ort koordinieren.

Bündel von Euroscheinen (Foto: pixabay)

Mit Bargeldauszahlungen - rund 1.500 Euro für eine Einzelperson - können die Betroffenen selbst entscheiden, was sie am dringendsten benötigten. 

Spendengelder von mehreren Millionen Euro

Gemeinsam stellen die evangelische Kirche und die Diakonie in einem ersten Schritt vier Millionen Euro für Betroffene der Flutkatastrophe als Soforthilfe bereit. Insgesamt stehen über die verschiedenen Spendenkonten von Kirche und Diakonie nun 11,8 Millionen Euro (Stand 22.7.2021) zur Verfügung. "Knapp 30 diakonische Einrichtungen und Kirchengemeinden haben bereits Anträge für die Sofortgelder eingereicht, bisher wurden mehr als 200.000 Euro an Betroffene ausgezahlt – und das wird stündlich mehr", sagte Diakonie RWL-Vorstand Thomas Oelkers.

Aktuell kommen die Anträge aus Städten, die noch eine gewisse Infrastruktur besitzen, in denen es zum Beispiel wieder Strom gibt. Doch auch für besonders betroffenen Regionen gebe es pragmatische Lösungen: "Einige Bonner Einrichtungen beantragen Soforthilfe-Gelder für die Büros im zerstörten Ahrtal und fahren das Geld dort hin, damit es an die Menschen ausgezahlt werden kann", berichtet Oelkers. 

Die bereitgestellten Gelder werden für ganz unterschiedliche Bedarfe eingesetzt, zum Beispiel für Fahrzeuge, die Einrichtungen benötigen, um Bewohner zu transportieren. Und: "Wir bieten an, auch Bestattungskosten zu übernehmen. Eine würdevolle Beerdigung ist Diakonie und Kirche in dieser dramatischen Zeit ein Anliegen", betonte RWL-Vorstand Thomas Oelkers.

Text: Sabine Damaschke, Fotos: Hermann Bredehorst/Diakonie Katastrophenhilfe

Teaser-Foto:  Auf dem Bild von links nach rechts:

Thomas Oelkers, Vorstand Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe
Hans Peter Bruckhoff, Superintendent des Kirchenkreises Aachen
Malte Duisberg, Geschäftsführer EVA Evangelisches Alten- und Pflegeheim 
Ulrich Lilie, Präsident Diakonie Deutschland 
Martin Kessler, Direktor Diakonie Katastrophenhilfe