Gaming ohne Grenzen
Dennis Winkens gehört zu den Gamern in Deutschland, denen andere Spieler beim Zocken gerne zuschauen. In Livestreams auf Twitch oder Youtube zeigt der 33-Jährige aus Viersen, wie er in Videogames wie Rocket League, Minecraft oder Watch Dogs Legion gegen andere Spieler antritt oder Abenteuer in virtuellen Welten bestehen muss. Da schlägt er gelegentlich drei Gegner gleichzeitig.
Schon als Kind und Jugendlicher habe er gerne gezockt, mit dem Gameboy oder später am PC, erzählt Dennis Winkens. Doch dann ging nach einem Unfall mit dem Mountainbike zunächst nichts mehr. Im Alter von 17 Jahren war er plötzlich querschnittsgelähmt. "Mein Gamer-Dasein wurde auf Eis gelegt", sagt er. Seitdem kann er Arme und Beine nicht bewegen und sitzt im Rollstuhl.
Spielen mit dem "Quadstick"
Zehn Jahre musste er warten. Dann eröffneten sich neue Perspektiven für ihn: Ein Entwickler aus den USA brachte den "Quadstick" auf den Markt, der per Adapter mit dem Controller verbunden und mit dem Mund gesteuert wird. Statt Knöpfe und Tasten zu drücken, pusten die Nutzer in kleine Röhrchen. Eine "lebensverändernde Erfindung", meint Winkens. "Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne gewesen für mich."
Inzwischen lassen sich mit dieser angepassten Steuerung auch hochkomplexe Games spielen, die man im Team bewältigen muss. So hat Dennis Winkens online neue Menschen kennengelernt, "auch meinen besten Freund, mit dem ich regelmäßig streame und zocke". Am besten findet er es, "nicht alleine zu spielen, sondern im Team mit anderen, wo jeder seine Stärken ausspielen kann". Sein Handicap sei dabei völlig nebensächlich, betont er. "Was zählt ist das, was im Spiel passiert".

"Gaming ist ein Gleichmacher"
Diese Einschätzung teilt auch Nadja Zaynel, Leiterin des PIKSL-Labors Düsseldorf, das Menschen mit und ohne Behinderung zum Umgang mit dem Internet berät. "Gaming ist ein Gleichmacher", sagte sie. "Man kann es gemeinsam tun und achtet nicht so sehr auf Äußerlichkeiten, sondern darauf, wie jemand spielt. Berührungsängste werden abgebaut."
Das gemeinsame digitale Spielen bietet ihrer Ansicht nach eine Möglichkeit zur sozialen Teilhabe. Auch im PIKSL-Labor, einem inklusiven Projekt für digitale Teilhabe mit Standorten in mehreren deutschen Städten, können die Besucherinnen und Besucher an Spielekonsolen zocken und Fragen zu Computer-, Video- und Onlinespielen stellen. Sie kritisiert, dass es noch zu wenig gute einfache Spiele für Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt. "Da greifen wir oft auf Kinder-Lernspiele zurück, aber das hat für Erwachsene einen komischen Beigeschmack." Auch die Steuerung sei häufig komplex und schnell. "Für die Hersteller ist Barrierefreiheit noch nicht gesetzt", bedauert Nadja Zaynel.

Vorreiter in Sachen Inklusion
Dabei sind die Spiele ein "Vorreiter" in Sachen Inklusion, meinen die Leiterin des PIKSL-Labors und Dennis Winkens. "Die Community ist super offen." Spiel-Gegner und -Partner seien begeistert, dass auch Menschen mit Einschränkungen spielen können, berichtet der Gamer.
Neben den Hürden, die es noch auf Seiten der Konsolen- und Spieleanbieter gibt, sind die Kosten ein weiterer Knackpunkt. 800 bis 900 Euro kostet der Quadstick. Anders als für technische Hilfsmittel, die zur Computernutzung am Arbeitsplatz nötig sind, wie etwa Eyetracker oder eine mit dem Mund gesteuerte Integramouse, gibt es hierfür keine Kostenübernahme oder wenigstens finanzielle Unterstützung. Dabei sind angepasste Controller für das Gaming ganz klar eine Hilfe zur sozialen Teilhabe, findet Dennis Winkens: "Ohne das Gaming hätte ich viele Freunde nicht kennengelernt."
Text: Esther Soth (epd), Redaktion: Sabine Damaschke, Video: epd, Fotos: Dennis Winkens, PIKSL-Labor Düsseldorf