22. Mai 2020

Digitalisierung in der Corona-Krise – Teil 2

"Digitale Teilhabe ist jetzt wichtiger denn je"

Die Corona-Pandemie zwingt die Menschen in die soziale Isolation – und weckt eine erstaunliche Kreativität in der digitalen Welt. Vordenker für eine barrierefreie digitale Zukunft ist das PIKSL Labor Düsseldorf – ein inklusiver Lernort für digitale Teilhabe. Zwar musste es in der Pandemie schließen, aber seine Ideen sind gefragt wie selten zuvor. Im zweiten Teil unserer Reihe stellen wir es vor.

Ein Ort für digitale Einsteiger und digitale Teilhabe, noch dazu inklusiv ausgelegt. Ein Knowhow, das in der Pandemie gefragter denn je ist. Zu finden im PIKSL Labor Düsseldorf

"Hier kann jeder – innerhalb unserer Öffnungszeiten – spontan vorbeikommen und Technik benutzen: zum Beispiel Computer, Tablets, Smartphones, Drucker, Kopierer, Spielekonsolen – alles ist umsonst", sagt der 31-jährige Tim Neumann, Leiter des PIKSL Labors Düsseldorf der "In der Gemeinde leben gGmbH", einer Tochtergesellschaft der Diakonie Düsseldorf und den von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. "Wir haben eine Kaffee- und eine Sitzecke und alles ist bei uns möglichst barrierefrei", sagt er. Menschen mit Behinderung, aber auch Senioren haben das Angebot bislang genutzt.

Der Ursprungsgedanke des PIKSL Labors, das übersetzt "Personenzentrierte Interaktion und Kommunikation für mehr Selbstbestimmung im Leben" heißt, ist es, dass Menschen mit Behinderung einen Ort erhalten, an dem sie Zugang zu modernen Informationstechniken haben. Hier können sie die Technik ausprobieren, bekommen Hilfe, sind im Austausch, um digital teilhaben zu können. Einige von ihnen sind mittlerweile selbst zu digitalen Experten geworden und beteiligen sich an Universitäts- und Firmenprojekten zur barrierefreien Nutzung des Internets. Mittlerweile gibt es deutschlandweit fünf PIKSL Labore, die von unterschiedlichen Trägern in Form eines Social Franchise betrieben und dabei durch ein PIKSL Management Team beraten werden.

Die Herausforderung ist, digitale Einsteiger in der Pandemie digital zu erreichen.

Tim Neumann, Leiter vom PIKSL Labor Düsseldorf, sieht die Corona-Krise, in der digitale Einsteiger nur "digital" zu erreichen sind, als größte Herausforderung. 

"Trotz Krise weitermachen"

Doch mit der Corona-Krise musste auch das PIKSL Labor in Düsseldorf schließen – bis 13. Juli. Für Tim Neumann ist die entscheidende Herausforderung in der Corona-Krise, digitale Einsteiger "nur" digital zu erreichen. Das PIKSL Labor hat als Klienten häufig Menschen mit Behinderungen aus stationären Einrichtungen. Der erste Schritt war es, diesen Menschen mobile Endgeräte wie Tablets bereitzustellen.

Im zweiten Schritt musste überlegt werden, was die Klienten in der Corona-Krise besonders benötigen. Die Antwort: Ablenkung. "So arbeiten wir gerade mit einer digitalen Pinnwand-App namens Padlet. Wir haben mithilfe dieser App eine interaktive Pinnwand erstellt, um Infos und Spiele möglichst barrierearm anzubieten. Momentan sind wir zum Beispiel dabei, mehr vorgelesene Inhalte oder Bilder einzupflegen", erzählt er.

Ehrenamtliche PIKSL-Expertinnen und -Experten, Menschen mit Behinderung, erklären Mitarbeitern von Unternehmen die Vor- und Nachteile von Apps.

Tipps für Videotelefonie

So gut wie jeder skypt oder zoomt in der Krise mit Freunden und Familie. "Die Nachfragen von Einrichtungen steigen, die in der Krise plötzlich viel digitaler arbeiten müssen." Die Mitarbeitenden der Einrichtungen brauchen eine Begleitung darin, was Tools können und wie sie für andere zu erklären sind. 

Neumann, ein weiterer hauptamtlicher Kollege und 14 ehrenamtliche PIKSL Expertinnen und Experten, Menschen mit Behinderung, zeigen Mitarbeitern von Unternehmen die Vor- und Nachteile verschiedener Apps auf, wie man diese am besten benutzt, ob sie barrierearm sind, und geben Tipps zum Datenschutz. Beispielsweise gibt es den "Leitfaden für Video-Anrufe mit WhatsApp in einfacher Sprache". "Das sind Inhalte, die man nicht alle in einen Flyer packen kann." Die vermittelt das Labor in Webinaren. 

Veranstaltungen digital gestalten

Darüber hinaus beraten die PIKSL Experten Interessenten für digitale Veranstaltungen, etwa für Barcamp-ähnliche Formate. Das ist ein weitestgehend ein offenes Veranstaltungskonzept, bei dem die Inhalte und Abläufe zu Beginn der Konferenz noch offen sind und gemeinsam vor Ort entwickelt werden. Hauptziel von Barcamps, auch Mitmach- oder Adhoc-Konferenz genannt, ist der Austausch und die Diskussion. Das Labor gibt Tipps und Tricks zu barrierearmen Tools. Zum Beispiel, ob die Sichtgröße von Texten verändert werden kann oder ob es eine Vorlesefunktion gibt. "Die ist für viele Menschen wichtig, die nicht lesen und schreiben können. Oder wir empfehlen ein Tool mit Videochat-Funktion für einen Gebärdendolmetscher." 

Das PIKSL Labor Düsseldorf besuchen nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch Schüler und Schülerinnen und Geschäftsleute, die nach einem Internet-Zugang suchen.

"Das PIKSL Labor fehlt den Leuten"

Auch wenn genug zu tun ist, der analoge Treffpunkt im PIKSL Labor fehlt den Menschen. Und ihm selbst auch, sagt Neumann. "Ich bin froh, wenn wir uns wieder im Büro treffen können. So faszinierend und vielfältig diese digitalen Tools sind, freue ich mich doch sehr auf den analogen Austausch."

Zumal das PIKSL Labor in Düsseldorf schon lange zu einem inklusiven Ort geworden ist. Ihn nutzen nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch Schüler und Schülerinnen, die kein Internet haben, Geschäftsleute, die schnell noch ein Bahn-Ticket ausdrucken wollen, oder Senioren, die mit ihrem Smartphone nicht zurechtkommen. Hier finden regelmäßig Computer- und Social-Media-Kurse statt, die von Menschen mit Beeinträchtigung durchgeführt werden. 

Gerade in der Pandemie müssen allen Menschen gleichermaßen digitale Mittel zur Verfügung stehen. Umso wichtiger sind solche Orte wie das PIKSL Labor Düsseldorf. 

"Digitale Teilhabe ist jetzt wichtiger denn je"

Das PIKSL Labor Düsseldorf ist das älteste der fünf Labore – die anderen vier sitzen in Bielefeld, Dortmund, Kassel und Osnabrück. Es entstand vor neun Jahren. "Wir sind im ständigen Austausch“, sagt Neumann. "An allen Standorten entstehen gerade Ideen, wie wir mit der Krise umgehen. Wir bilden ein PIKSL Netzwerk, um die digitale Teilhabe voranzutreiben." 

Der digitale Anschub in der Corona-Krise fördert die Digitalisierung. Gleichzeitig erhöhe sich das Risiko, dass Menschen auf der Strecke bleiben, weil die Technik zu komplex für sie ist oder die Zugänge nicht haben, warnt Neumann. "In dieser Krise wird sichtbar, wie wichtig es ist, dass alle Menschen von der Digitalisierung profitieren und dass es so etwas wie digitale Teilhabe gibt. Wir hoffen, dass dieses Bewusstsein anhält – auch nach der Pandemie." 

Text: Christoph Bürgener, Fotos: PIKSL Labor Düsseldorf

Weitere Informationen

Das PIKSL Labor bietet eine Hotline an, bei der Menschen anrufen können, wenn Sie Fragen zu digitalen Medien und dem Internet haben. Hier eine kurze Anleitung: 1. Telefonnummer: 05201 736 97 53 zum Ortstarif, 2. Weiterleitung zu einem PIKSL Anrufbeantworter, auf dem man sein Anliegen beschreibt, 3. Es gibt zeitnah einen Rückruf von einem der PIKSL Labore aus dem PIKSL Netzwerk. Außerdem besteht die Möglichkeit, eine Anfrage per E-Mail an hotline@piksl.net zu senden.