Start für Kinderrechte-App "Justy"
Geschäftsfeld Familie und junge Menschen
Geschäftsfeld Familie und junge MenschenGeschäftsfeld Familie und junge Menschen
Hilfen zur Erziehung
Wofür darf ich mein Taschengeld ausgeben? Wann muss ich abends zurück in meiner Wohngruppe sein? Dürfen Mitarbeitende der Einrichtung einfach mein Zimmer betreten? Mitbestimmen und Mitwirken sind im Alltag von Kindern und Jugendlichen in der Heimerziehung wichtig. "Gerade wenn junge Menschen neu in eine solche Einrichtung kommen, ist die Unsicherheit oft groß und es fällt ihnen schwer, einen Überblick zu bekommen", sagt Tim Rietzke, Geschäftsfeldleitung Familie und junge Menschen beim Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL). Die Diakonie RWL, in deren Verbandsgebiet 140 diakonische Träger rund 12.000 Plätze in der stationären Jugendhilfe anbieten, ist federführend für das Projekt "Justy" verantwortlich, das nun startet. Die neue App soll jungen Menschen, die in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe leben, ein zusätzliches digitales Medium zum Austausch und als Informationsquelle anbieten. "Auf keinen Fall soll das Tool den persönlichen Kontakt und den vertrauensvollen Umgang innerhalb der Einrichtungen ersetzen", betont Rietzke.
Fachkräfte einbinden
Die Aktion Mensch Stiftung fördert das Modellprojekt mit 940.000 Euro. "In diesem Modellprojekt werden die digitalen Innovationen zur Persönlichkeitsbildung und Teilhabestärkung junger benachteiligter Menschen genutzt. Es illustriert Jugendlichen ihre Rechte unter anderem durch Augmented Reality. Sie werden dadurch in jugendtypischer Weise angesprochen und motiviert, von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Dies ist eine hervorragende Umsetzung unserer Förderstrategie Inklusion durch Digitalisierung", sagt Friedhelm Peiffer von der Aktion Mensch Stiftung.
Die technische Umsetzung realisiert die beemo GmbH Münster. Die App soll barrierearm funktionieren, also auch für junge Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen leicht zu bedienen sein. Mitarbeitende des Fachbereichs Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Dortmund begleiten das Projekt. "Nach der Auswertung unserer Forschung soll bereits im kommenden Jahr eine Testversion vorliegen, mit der wir in die Einrichtungen gehen und die App im Austausch mit den Nutzer*innen zielgruppengerecht und barrierearm weiterentwickeln können", sagt Professorin Nicole Knuth, die nun mit ihrem Team qualitative Interviews in sieben Einrichtungen der Diakonie RWL startet. Die Kernfrage: Wie muss eine App konzipiert sein, damit sie dabei helfen kann, dass Jugendliche in den Einrichtungen ihre Rechte kennen und durchsetzen können? "Dabei binden wir auch die Fachkräfte in den Einrichtungen ein", erklärt die Sozialwissenschaftlerin. Nur wenn die App auch von Erzieher*innen akzeptiert werde, könne das Projekt gelingen.
Fünf Jahre Projektlaufzeit
Die Projektlaufzeit beträgt fünf Jahre (bis 2027) und gliedert sich in verschiedene Phasen von der Planung über den Entwurf über die Entwicklung bis zum Einsatz in der Praxis. Zum Projektstart werden Kinder und Jugendliche in ausgewählten Einrichtungen der Diakonie RWL die Themen ermitteln und benennen, die es dann umzusetzen gilt. Anschließend stehen Testphasen der App-Bausteine an. "Wir verstehen Justy als Prozess: Die Kinder und Jugendlichen sollen bestmöglich in die Gestaltung und Umsetzung einbezogen werden", sagt Alexander Hundenborn, Projektleitung der Diakonie RWL. "Ihr Feedback ist sehr wichtig für den gelingenden Einsatz in der Praxis."
Die Idee zu einer App sei bereits 2019 entstanden, ergänzt Tim Rietzke. Damals habe die Ombudschaft Jugendhilfe NRW, die externe unabhängige Beschwerdestelle im Land, berichtet, dass sie zwar regelmäßig kontaktiert werde, häufig aber von Eltern oder Großeltern, anderen Personenberechtigten oder Fachkräften aus den Einrichtungen. Jugendliche selbst nutzten bestehende Kanäle wie Telefon oder Mail weniger. Rietzke: "Mit Justy möchten wir die Beschwerdestellen bekannter machen und jungen Menschen im Bereich der Heimerziehung neue, niedrigschwellige Zugänge ermöglichen."