Themenreihe Familie
Die Frau am anderen Ende der Leitung klingt verzweifelt, als sie bei Sozialberaterin Elisabeth Keller von der Diakonie Paderborn-Höxter e.V. anruft. Die Familie sei in einer schwierigen finanziellen Situation, erzählt sie. Doch dann stellt sich im Laufe des Gesprächs heraus, dass es noch mehr Probleme gibt. Es kriselt in der Ehe und mit den drei Kindern gibt es Schwierigkeiten. Elisabeth Keller verabredet einen Beratungstermin mit der Anruferin.
Beratung in vielschichtigen Problemlagen
Fälle wie dieser zeigten, dass Schwierigkeiten in der Paar-Beziehung, der Erziehung und Finanznöte oftmals eng miteinander verwoben seien, sagt Keller. Natürlich gäbe es für jedes dieser Probleme Fachberatungsstellen. Viele Menschen seien aber gar nicht sicher, welche Beratungsstelle ihnen helfen könne. Wer berät etwa, wenn es starke Konflikte mit der Schwester gibt, oder junge Erwachsene Streit mit den Eltern haben? Für all diese Fälle sind die diakonischen Paar-, Familien- und Lebensberatungsstellen mit ihrem breit gefächerten Beratungsangebot ein Anlaufpunkt. "Wir wollen, dass jeder bei uns ein offenes Ohr findet und keiner weggeschickt wird", sagt Keller.
In der Beratung kann dann ein individuelles Hilfepaket gefunden werden. Im Fall der verzweifelten Frau kann Keller zum Beispiel mit ihr erste Lösungsschritte für die Bewältigung ihrer familiären Probleme besprechen. Falls nötig, könnte sie der stark belasteten Mutter etwa bei der Beantragung einer Kurmaßnahme helfen. Oder es könnten weitere Beratungstermine in anderen Fachbereichen der Diakonie Paderborn-Höxter vermittelt werden, etwa bei der Schuldnerberatung. "Und wenn unser Angebot nicht hundertprozentig passt, kann ich andere Beratungsstellen empfehlen oder direkt den Kontakt vermitteln", sagt Keller.
Das besondere diakonische Profil
Eltern, Jugendliche oder junge Volljährige, die Unterstützung brauchen, können sich überall in Deutschland an eine Beratungsstelle wenden. Der Anspruch darauf ist gesetzlich geregelt, weshalb die Kommunen Erziehungsberatungsstellen bereitstellen müssen. Die Paar-, Familien- und Lebensberatung in kirchlicher Tradition geht aber über das Angebot der reinen Familienberatung hinaus. Sie sind nicht nur Anlaufstellen für Familien und Kinder, sondern auch für kinderlose Paare oder Alleinlebende jeden Alters. Im Gebiet des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL) bieten 92 Beratungsstellen Paar-, Familien und Lebensberatung an. Das Besondere an den Angeboten in evangelischer Trägerschaft: Es handelt sich in der Regel um integrierte Beratungsstellen. Neben Paar-, Familien-, und Lebensberatung verfügen sie in unterschiedlichen Kombinationen auch über andere Fachberatungen wie etwa Schwangerschafts(konflikt)beratung, Sozialberatung, Schuldnerberatung oder Erziehungsberatung. Damit sind die Wege von einem Beratungsschwerpunkt zum nächsten kurz und der Zugang ist besonders niederschwellig.
Dank der Aktion #wärmewinter kann die Diakonie Herne eine Sozialberatung anbieten, berichtet Sabine Karkuth-Dohmeier.
Sozialberatung dank des #wärmewinter
Die evangelischen Paar-, Familien- und Lebensberatungsstellen sind mit ihrem breit gefächerten Beratungsangebot auf vielschichtige Problemlagen vorbereitet. "Es gibt einen unglaublich hohen Bedarf bei Menschen, die bei uns Beratung anfragen", sagt Sabine Karkuth-Dohmeier, Leiterin der Ehe-, Partnerschafts- und Lebens- sowie Schwangerschaftsberatung der Diakonie Herne, die seit einem Jahr auch eine über das Programm #wärmewinter finanzierte Sozialberatung anbietet. Diese habe von Anfang an großen Zulauf von Ratsuchenden jeden Alters gehabt, sagt Karkuth-Dohmeier. Die Zahl der Menschen, die den täglichen Bedarf mit ihrem Einkommen nicht mehr decken können, habe seit der Pandemie zugenommen. Auch litten seither mehr Menschen unter Einsamkeit.
Elisabeth Keller von der Diakonie Paderborn-Höxter beobachtet, dass neben finanziellen Problemen und Erziehungsschwierigkeiten viele Menschen mit psychischen Belastungen in die Beratung kommen. Mangelnder Selbstwert, Einsamkeit, Unsicherheit bei beruflichen Perspektiven oder emotionale Überforderung seien häufige Themen.
Expertinnen der Diakonie Paderborn-Höxter: Vanessa Kamphemann (rechts) und Elisabeth Keller.
Finanzierung wird zunehmend schwieriger
"Immer mehr Menschen suchen die Beratungsstelle auf und brauchen Unterstützung", sagt auch Vanessa Kamphemann, Vorstand und Geschäftsführung der Diakonie Paderborn-Höxter. "Doch wo ein Ausbau stattfinden müsste, haben die Beratungsstellen mit dem Halten des Status quo und dem Aufrechterhalten des Qualitätsniveaus der Beratung zu kämpfen." Die Finanzierung der Beratungsstellen wird zunehmend schwieriger. Während die klassischen Erziehungsberatungsstellen Pflichtaufgabe der Kommunen sind und neben der freiwilligen Landesförderung kommunal finanziert werden, hat die Paar-, Familien- und Lebensberatung in kirchlicher Tradition keinen gesetzlichen Anspruch auf öffentliche Finanzierung.
Die meisten Beratungsstellen sind dennoch in der Landesförderung und manche Kommunen unterstützen die Beratungsstellen darüber hinaus. Doch auch das garantiert keine auskömmliche Finanzierung. Vielerorts steigen die Finanzierungsanteile der Träger, erklärt Deane Heumann, Referentin im Geschäftsfeld Familie und junge Menschen bei der Diakonie RWL. Denn die gestiegenen Tarifgehälter für ihre Beschäftigten würden den Trägern nicht immer von den Kommunen ausgeglichen. Das Defizit muss dann mit kirchlichem Geld finanziert werden. Auch die Landesförderung nehme jedes Jahr real ab, da sie seit Jahren nicht erhöht worden sei, sagt Heumann. Aktuell decke sie im Schnitt 25 Prozent der Personalkosten und 20 Prozent der Betriebskosten der evangelischen Beratungsstellen. Seit 1993 werden auch keine weiteren Beratungsstellen mehr in die NRW-Landesförderung aufgenommen.
Die Diakonie und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) starteten im Winter 2022/23 die Aktion #wärmewinter, um Menschen zu helfen, die aufgrund der hohen Energiepreise in Not geraten sind.
Suche nach Finanzierung
Die Familien- und Lebensberatungsstelle der Diakonie Paderborn-Höxter gehört zu den Einrichtungen, die ganz ohne öffentliche Zuschüsse auskommen müssen. "Angesichts sinkender Kirchensteuereinnahmen müssen wir überlegen, wie lange wir uns das leisten können", warnt Kamphemann. Auch hier wird die Sozialberatung derzeit noch durch das kirchliche Sonderprogramm #wärmewinter ermöglicht.
Die Beratungsstellen der Paar-, Familien- und Lebensberatung sind sehr kreativ, um ihre Existenz aufrecht zu erhalten und sich zugleich auf die veränderten Bedürfnisse der Ratsuchenden einzustellen. Mit Fundraising und ergänzenden Projekten wie etwa der durch das Programm #wärmewinter geförderten Sozialberatung gehen sie aus der Not heraus innovative Wege. Die Beratungsstelle der Diakonie Herne zum Beispiel konnte die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung dafür gewinnen, wöchentlich sechs Stunden Beratung durch eine Hebamme zu finanzieren. Außerdem zahlen Ratsuchende einen Beitrag für die Beratung – Einzelpersonen 18 Euro und Paare 25 Euro pro Gespräch. Für Menschen, die den Betrag nicht aufbringen können, springt der Förderverein der Beratungsstelle ein.
Es sei eine große Herausforderung, für die Finanzierung der Beratungsstellen zu sorgen, sagt Heumann. "Es besteht Handlungsbedarf." Damit die Beratungsstellen den großen Zulauf weiterhin decken könnten, müssten Land und Kommunen die Zuschüsse an den Bedarf anpassen. "Die konfessionellen Träger erbringen bisher eine Leistung, die im Endeffekt eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung ist."
Text: Claudia Rometsch, Fotos: Canva, Diakonie Herne, Diakonie Paderborn-Höxter e.V.
Eine Pressemitteilung zum Thema
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