Held*innen der Migrationsarbeit
Sie heißen Harry und Kawthara, Elena und Asemota, Mahmoud und Mahsum. Diese und zehntausende andere Menschen haben in den vergangenen 20 Jahren in Mitgliedseinrichtungen der Diakonie RWL eine individuelle und professionelle Unterstützung beim Ankommen in Deutschland finden können. Denn so lange gibt es die beiden Programme "Jugendmigrationsdienste" (JMD) und "Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte" (MBE) schon. Das Jubiläum haben nun in Düsseldorf rund 70 Beteiligte aus der Praxis gemeinsam mit Vertreter*innen aus Politik und Wissenschaft gefeiert. Das Motto: Brücken der Begegnung.
"Diese Brücken, die wir heute feiern, sind keine Bauwerke aus Beton oder Stahl", begrüßte Elena Vorlaender-Badjie, Referentin im Geschäftsfeld Flucht, Migration und Integration bei der Diakonie RWL, die Teilnehmenden. "Es sind Brücken aus Vertrauen, aus Dialog, aus Solidarität – gebaut von vielen engagierten Beraterinnen und Beratern, von Trägern, Ehrenamtlichen und natürlich von den Ratsuchenden selbst."
Manfred Hoffmann, ehemaliger Leiter des Geschäftsfelds Flucht, Migration und Integration bei der Diakonie RWL und mittlerweile im Ruhestand, blickte zurück auf 20 Jahre Migrationssozialarbeit in Form von JMD und MBE. Die Wurzeln beider Programme reichten sogar noch weiter zurück, bis in die 1960er-Jahre, berichtete Hoffmann. Damals seien die sogenannten Gastarbeiter – aufgeteilt nach Nationalitäten – beraten worden; die Diakonie war für Menschen aus Griechenland zuständig. Seitdem hätten sich beide Programme enorm weiterentwickelt. Hoffmann: "In all den Jahren seid ihr vor Ort die wirklichen Heldinnen und Helden der Migrationsarbeit gewesen."

Die Mitarbeitenden der Jugendmigrationsdienste stärken junge Leute, die neu in Deutschland angekommen sind.
"Einfach unbezahlbar"
Yassin Taha etwa. Er selbst kam vor 24 Jahren nach Deutschland. "Damals gab es die Jugendmigrationsdienste in dieser Form noch nicht", erzählt er. Heute, nach einem Studium der Sozialen Arbeit und einer Bachelorarbeit über die Jugendmigrationsdienste, arbeitet er bei der Diakonie Saar und begleitet dort junge Menschen als JMD-Berater. "Viele Jugendliche, denen ich dort begegne, erinnern mich an mich selbst. Dieses Gefühl, wenn sie dann ihre eigenen Erfolgsgeschichten schreiben und zum Beispiel die Schule oder eine Ausbildung abschließen, das ist für mich einfach unbezahlbar."

Carsten Stumpenhorst (li.), Geschäftsführer Gemeinsame Diakonische Werke Rheinland-Süd gGmbH, kritisiert die mangelnde Planungssicherheit für die Träger.
Kaum Planungssicherheit
Apropos unbezahlbar: Die haushaltsjährliche Finanzierung beider Programme und die damit verbundene mangelnde Planungssicherheit sind für alle Beteiligten das größte Problem. "Jedes Jahr müssen wir wieder neu rechnen. Aus rein finanzieller Sicht wäre es verständlich, dass wir als Träger aus der Migrationsberatung aussteigen", beschreibt Carsten Stumpenhorst, Geschäftsführer Gemeinsame Diakonische Werke Rheinland-Süd gGmbH, die schlechten Rahmenbedingungen. Weil es jedoch ur-diakonischer Auftrag sei, Menschen zu unterstützen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, komme ein solcher Schritt nicht infrage. "Die unabhängige Migrationsberatung ist ein Garant für gelingende Integration", so Stumpenhorst weiter. "Ein Aufstocken der Mittel im Haushalt wäre deshalb ein deutliches Signal gewesen." Nun aber müsse man sich damit zufriedengeben, dass es wenigstens keine drastischen Kürzungen gebe.
Franz Biebl vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wies auf die angespannte Haushaltslage hin, machte aber gleichzeitig deutlich: "Wir stehen zu dem Programm, wir wollen es weiterhin, und wir wissen um die Erfolge dieser wertvollen Beratung." Derzeit laufe ein Reformprozess mit dem Ziel, künftig weniger Fälle umfassender begleiten zu können. Dafür setze man auch auf Online-Beratung und beschäftige sich aktuell mit der Frage, wie und an welchen Stellen KI in der Beratung eine Unterstützung sein könne.

Prof. Dr. Susanne Spindler von der Hochschule Düsseldorf analysierte die gesellschaftlichen und politischen Diskurse rund um Migration und deren Auswirkungen auf die Soziale Arbeit.
Expertise, Ausdauer und Empathie
Prof. Dr. Susanne Spindler analysierte die gesellschaftlichen und politischen Diskurse rund um Migration und deren Auswirkungen auf die Soziale Arbeit. Besonders hob sie die Bedeutung von Bindung, biografischer Begleitung und menschenrechtsorientierter Beratung hervor. In der anschließenden Gesprächsrunde wurden aktuelle Herausforderungen und politische Entwicklungen diskutiert: Wie kann sich Migrationssozialberatung zukunftsfähig machen? Welche Handlungsspielräume bleiben den Beteiligten, wenn sich das gesellschaftliche Klima wandelt und eine Politik der Abschottung gelebt wird? Wie können qualifizierte Mitarbeitende trotz schlechter Rahmenbedingungen gehalten werden? Was hilft bei der hohen mentalen Belastung, die die Beratungsarbeit oft mit sich bringt?
Es ging aber auch um die Geschichten, die im Kopf bleiben, wenn der Computer in der Beratungsstelle schon längst heruntergefahren ist. Um einen Beruf, in dem kaum ein Tag dem anderen gleicht und in dem neben der nötigen Expertise auch Ausdauer, Empathie und Verantwortung gefragt sind. Für Oxana Sticher, die seit drei Jahren erwachsene Zugewanderte begleitet, könnte es keinen besseren Beruf geben: "Als ich 2001 nach Deutschland gekommen bin, hatte ich überall nur Fragezeichen." Heute unterstützt sie als Diakonie-Mitarbeiterin professionell Ratsuchende im Saarland. Dabei macht sie den Menschen auch immer wieder Mut, indem sie verspricht: "Wir kriegen das hin, und wir werden den Papierkampf gewinnen!"
Text: Verena Bretz, Fotos: Celina Winter
Ansprechperson
diakonie-rwl.de
diakonie-rwl.deKurztext
Die bundesgeförderten Beratungsdienste "Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte" (MBE) und "Jugendmigrationsdienste" (JMD) in der Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern (BMI) und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bilden wichtige Grundpfeiler der Integrationspolitik des Bundes und haben sich zu anerkannten Anlauf- und Beratungsstellen für Menschen mit Migrationshintergrund entwickelt. In diesem Jahr feiern beide Programme ihr 20-jähriges Bestehen.











