Nachbarschaft baut Zukunft
Wenn man an einem Mittwoch ins Sprachcafé des Stadtteilzentrums Wiki in Wichlinghausen kommt, herrscht leise Aufregung. Stimmen in vielen Sprachen füllen den Raum, deutsche Wörter werden ausprobiert, wiederholt, korrigiert – und zwischendrin wird gelacht. Genau so soll es sein, sagt die ehrenamtliche Helferin Martina Sprenger.
Die Autorin und Lektorin kam 2017 eher zufällig ins Wiki. Eigentlich suchte sie damals für ihre Literaturgruppe einen Raum für Lesungen – geblieben ist sie wegen der Menschen. "Zunächst habe ich mich im Nachmittagscafé für Seniorinnen und Senioren engagiert, später dann im Sprachcafé mitgeholfen und gemerkt, wie viel ich auch selbst dadurch lerne, dass ich hier mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen zusammenkomme."

Martina Sprenger und Yüksel Hiz leiten das Sprachcafé gemeinsam. Ihr Motto: Deutsch lernen soll Freude machen.
"Habt keine Angst vor Fehlern"
Mittlerweile leitet Martina Sprenger das Sprachcafé zusammen mit Yüksel Hiz. Zweimal in der Woche treffen sich hier zwischen 20 und 30 Frauen und Männer, die aus verschiedenen Ländern nach Deutschland geflüchtet sind und nun in Wichlinghausen leben. Yüksel Hiz war in der Türkei Jurist. Vor mehr als acht Jahren kam er nach Deutschland – ohne Sprachkenntnisse, voller Unsicherheit. "Ich sage den Menschen im Sprachcafé immer: Habt keine Angst vor Fehlern. Sprecht so oft wie möglich Deutsch, auch draußen. So lernt man nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur kennen."
Als das Stadtteilzentrum Wiki in der umgebauten Wichlinghauser Kirche als gemeinsames Projekt der Diakonie Wuppertal, der Stadt und Kirchengemeinde entstand, gehörte Yüksel Hiz zu den ersten Teilnehmenden des Deutschkurses für Migrant*innen. Schon bald kam die Idee des Sprachcafés auf, in dem in geselliger Atmosphäre Alltagsdeutsch gelernt werden kann. "Ich teile meine Erfahrungen und gebe weiter, was mir geholfen hat. Und gleichzeitig lerne ich dazu – Geduld, Empathie, und dass man das Leben aus ganz verschiedenen Perspektiven sehen kann."
Ein offenes Haus für alle
Respekt und Offenheit sind für ihn der Schlüssel zum Zusammenleben in einem Stadtteil, in dem mehr als 60 Prozent der Menschen eine Migrationsgeschichte haben. Diese Offenheit prägt das Familien- und Begegnungszentrum. Jede und jeder sei willkommen, betont Wiki-Leiter Eric Stöcker. Der Sozialarbeiter der Diakonie Wuppertal koordiniert nicht nur die vielen Angebote – von Kinderspielgruppen über das Sprachcafé bis hin zu Kulturveranstaltungen -, sondern bietet auch soziale Beratung an.
"Mit dem Wiki haben wir dazu beigetragen, dass Menschen Perspektiven für sich und ihr Leben entwickeln konnten und in einer guten und friedlichen Nachbarschaft miteinander leben“, sagt Eric Stöcker. Einer Nachbarschaft, die sich aus Sicht vieler älterer Menschen stark verändert hat. Manchen sei es schwergefallen, dass ihre Kirche, in der sie Taufen und Hochzeiten erlebt hätten, zu einem Stadtteilzentrum umgebaut wurde. "Doch gerade ältere Menschen waren die ersten, die kamen und im offenen Treff des Wiki Gemeinschaft suchten", erzählt Stöcker.

Sandra Ifang mit Gästen im Spielecafé.
Gemeinsam statt einsam
Aus dem offenen Treff für Senior*innen entwickelte sich dann ein Spielecafé. Seit 2019 wird es ehrenamtlich von Sandra Ifang gestaltet. "Es ist schön zu sehen, wie sich neue Kontakte ergeben, das Gedächtnis angeregt wird und einfach ein Stück Lebensfreude entsteht", sagt sie.
Zehn Jahre nach seiner Gründung ist das Wiki weit mehr als ein Stadtteilzentrum. Es ist ein Ort, an dem Menschen füreinander da sind – egal, ob sie Hilfe beim Deutschlernen brauchen, Anschluss suchen oder einfach eine Runde "Mensch ärgere dich nicht" spielen möchten. "Hier im Wiki", sagt Yüksel Hiz, "lernt man nicht nur eine Sprache, sondern auch, dass wir alle Nachbarn sind."
Text und Fotos: Sabine Damaschke (Diakonie Wuppertal)
Ansprechperson
diakonie-rwl.deKurztext
Das am 26. September 2015 eröffnete Stadtteilzentrum Wiki (alte Wichlinghauser Kirche) ist mit Fördermitteln im Rahmen des Bund-Länder Programms Soziale Stadt NRW zu einem Familien- und Begegnungszentrum umgebaut worden. Es ist ein Ort der Begegnung, der Vielfalt und der Bereitschaft, für die Bürger Wichlinghausens eine Stätte für Kultur, Begegnung, Freude und geselliges Beisammensein zu bieten.


