21. Mai 2015

Plädoyer für eine neue Unternehmenskultur

Gesund und glücklich im Job

Studien zufolge sind in Deutschland immer weniger Arbeitnehmer mit ihrem Job zufrieden. Die einen leiden unter dem hohen Arbeitstempo, andere unter geringer Wertschätzung, wieder andere zweifeln am Sinn dessen, was sie täglich tun. Auch in vielen diakonischen Einrichtungen wächst eine Unzufriedenheit, die langfristig krank machen kann. Auf einer Fachtagung der Diakonie RWL haben Experten jetzt für eine Unternehmenskultur plädiert, die die Gesundheit der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt.

Gerd Palm

Gerd Palm

Gerd Palm gehört zu den Männern, die gerne „groß“ denken. Die Welt verbessern, Kunden und Mitarbeitende glücklich machen und der beste deutsche Arbeitgeber werden – All das gehört zu den Visionen des stellvertretenden Geschäftsführers der St. Gereon Seniorendienste in Hückelhoven bei Aachen. Mit seinem Konzept einer gesundheitsfördernden Unternehmenskultur hat er es tatsächlich geschafft, drei Mal in Folge die Auszeichnung als Deutschlands bester Arbeitgeber zu gewinnen. „Ich möchte, dass meine Mitarbeiter begeistert zur Arbeit kommen, dann leisten sie auch gute Arbeit“, betont Palm.

Sonderurlaub, Homeoffice und Ferienhaus

Das Ergebnis kann sich seiner Ansicht nach sehen lassen: Ein Krankenstand von 2,3 Prozent statt der bundesweit üblichen neun Prozent, 430 engagierte Mitarbeiter, die sich ihre Arbeitszeit weitgehend frei wählen und kein Nachwuchsmangel, sondern 200 Auszubildende. Auf der dritten Fachtagung der Diakonie RWL zum betrieblichen Gesundheitsmanagement warb Palm dafür, dass die Einrichtungen der Sozialbranche ihre Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellen. „Das müssen wir in der Freien Wohlfahrtspflege erst lernen.“

In den St. Gereon Seniorendiensten der Caritas werden die Mitarbeitenden entsprechend ihren Begabungen und Kompetenten eingesetzt. Wer in der Pflege gerne dokumentiert und Dienstpläne schreibt, übernimmt dies. Andere kümmern sich dafür stärker um die Pflege. Drei Tage Sonderurlaub stehen allen Mitarbeitenden zu, jede Weiterbildung wird bezahlt, ein Sabbatical ebenfalls. Es gibt Betreuungsangebote für Kinder und pflegebedürftige Eltern.

Fahrtkostenzuschüsse, Sonderprämien, persönliche Danksagungen und regelmäßige Essenseinladungen gehören zum Arbeitsalltag. Wer Urlaub braucht, kann ihn im unternehmenseigenen Ferienhaus in den Niederlanden verbringen. „All das mag nach hohen zusätzlichen Kosten klingen, aber der geringe Krankenstand und die gute Auslastung unserer Einrichtung dank engagierter Pflegekräfte gleicht dies leicht aus“, erklärt Palm.

Den Sinn in der Arbeit erkennen

Noch ist eine solche Unternehmenskultur in der Sozialbranche selten zu finden. Doch das Bewusstsein für ein nachhaltiges Gesundheitsmanagement steigt, wie Tim Hagemann, Professor an der Bielefelder Fachhochschule für Diakonie, beobachtet. „Es ist nicht alleine damit getan, dass es Rückenschulungen, gesundes Essen oder ein Fitnessstudio im Keller gibt“, betont er. „Es geht vielmehr darum, die Arbeitsbedingungen so zu verändern, dass Mitarbeitende sich an ihrem Arbeitsplatz wertgeschätzt fühlen und Sinn in ihrer Tätigkeit sehen." (Mehr dazu im Interview mit Tim Hagemann.)

Zwar sei der finanzielle Druck in der Branche groß, so der Arbeitspsychologe. Umstrukturierungen und Personalkürzungen gehörten inzwischen zum Arbeitsalltag. Aber darüber dürfe das Management nicht die eigenen Mitarbeiter aus dem Blick verlieren. „Wer hier investiert, hat langfristig mehr Erfolg.“ Die Diakonie habe einen guten Ruf in der Bevölkerung, auf den sie mit engagiertem und zufriedenem Personal aufbauen könne. „Jetzt geht es darum, gute, neue Ideen zu entwickeln, wie dieses Pfund in finanziell schwierigen Zeiten erfolgreich genutzt werden kann“, erklärt Hagemann.