27. August 2020

Spendenbilanz "Brot für die Welt"

Neue Hungerkrisen durch Corona-Virus

Die Corona-Krise wird zur Hungerkrise: 132 Millionen Menschen könnten durch die Pandemie zusätzlich an chronischem Hunger leiden. 100 Millionen Menschen drohen in absolute Armut zu rutschen. "Brot für die Welt" bereitet sich auf eine der größten Herausforderungen seit Jahrzehnten vor. Die Politik müsse dringend handeln, fordert Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Hilfsorganisation.

  •  Aufklärung zu Hygiene und Herstellung von Informationsmaterial, Austattung mit Schutzausrüstung für Gesundheitpersonal, Verteilung von lokal hergestellter Seife und Nahrungsmitteln. (Foto: Brot für die Welt)
  • Bis zum heutigen Tag leben Millionen Menschen in Armut, werden verfolgt, gedemütigt oder ausgegrenzt. Brot für die Welt setzt sich dafür ein, diese Situation global und nachhaltig zu ändern. (Foto: Hermann Bredehorst/Brot für die Welt)
  • Händewaschen gehört in der Corona-Pandemie zu den wichtigsten Hygienemaßnahmen. Anali (10) wäscht sich die Hände in Panachi. (Foto: Kathrin Harms/Brot für die Welt)

Eigentlich sollte die Jahresbilanz des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt" ein Grund zur Freude sein: 64,4 Millionen Euro sind 2019 an Spenden und Kollekten zusammen gekommen. Dabei stammen mehr als elf Millionen Euro aus Rheinland, Westfalen und Lippe. Es ist das drittbeste Spendenergebnis seit der Gründung 1959. Doch die Folgen der weltweiten Corona-Krise bedrohen die bisherigen Erfolge.

Entwicklungs- und Schwellenländer stünden vor den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten, sagt Cornelia Fülkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt. (Foto: Hermann Bredehorst/Brot für die Welt)

Entwicklungs- und Schwellenländer stünden vor den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten, sagt Cornelia Fülkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt.

Während in Deutschland trotz erneut steigender Infektionszahlen die Einschränkungen allmählich gelockert werden, befinden sich viele arme Länder noch immer im rigorosen Lockdown. Ohne jede soziale Abfederung stehen Millionen Menschen weltweit vor dem Nichts. "Die Pandemie legt die Schwächen der Gesellschaftssysteme schonungslos offen", sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", anlässlich der Veröffentlichung der Jahresbilanz 2019 in Berlin. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie überträfen die Wucht der ökonomischen und politischen Schocks, die die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die Finanzkrise 2007/2008 ausgelöst hatten.

Umstellung auf Nothilfe

Besonders in Ostafrika und in Teilen Lateinamerikas habe das Corona-Virus dramatische Auswirkungen, betont Ulrich Christenn, Leiter des Zentrums Drittmittel und Fundraising der Diakonie RWL. "Die Lockdowns schützen zwar die Menschen vor Ansteckung, stürzen sie aber häufig in existenzielle Armut", so Christenn. Deshalb sei es gerade jetzt wichtig, dass die Bereitschaft zu spenden auch 2020 weiter anhalte.

Denen helfen, deren Einkommen durch die Covid-19-Maßnahmen weggebrochen ist: In Kisumu, Kenia verteilt eine Partnerorganisation von "Brot für die Welt" Hilfsgüter an arme Familien. (Foto: Brot für die Welt)

Denen helfen, deren Einkommen durch die Covid-19-Maßnahmen weggebrochen ist: In Kisumu, Kenia verteilt eine Partnerorganisation von "Brot für die Welt" Hilfsgüter an arme Familien.

Weltweit haben die Partnerorganisationen von "Brot für die Welt" auf Nothilfen umgestellt. Bisher seien rund 13 Millionen Euro an zusätzlichen Corona-Hilfen bereitgestellt worden. Mit den Mitteln wurden in Peru Covid-19-Aufklärungskampagnen umgesetzt und Hygienekits verteilt. In Brasilien haben Partner, die agrarökologische Lebensmittel produzieren, ihre Hilfe umgestellt auf die Notversorgung der Armen in den Städten und unterstützen außerdem indigene Familien im Amazonasgebiet mit Lebensmitteln und Hygienepaketen. In Indien haben Partner Arbeitsmigranten, die aus den großen Städten zurück in ihre Dörfer mussten, auf dem Weg mit Lebensmitteln versorgt und sie dabei unterstützt, Kontakt zu ihren Familien aufzunehmen, wenn sie kein Mobiltelefon hatten.

Corona und Lieferkettengesetz

"Isolierte Hilfsprogramme helfen ebenso wenig weiter wie Investitionen in den Wiederaufbau einer Wirtschaft von gestern", sagt Füllkrug-Weitzel. In Bangladesch hätten europäische Textilunternehmen massenhaft Aufträge kurzfristig storniert und bereits produzierte Ware nicht abgenommen – obwohl die Unternehmen sich eigentlich freiwillig verpflichten wollten, betont die Präsidentin. Eine große Zahl der Beschäftigten sei entlassen worden und wurde dadurch in existenzielle Armut gestürzt.

Diakonie RWL-Fundraiser Ulrich Christenn mit einer Sammeldose (Foto: Herbst)

Jetzt nicht nachlassen: Fundraisingexperte Ulrich Christenn appelliert an die Menschen, weiterhin zu spenden. 

Bereits vor Beginn der Corona-Krise nähten Frauen, Männer und auch Kinder für Hungerlöhne und unter miserablen Bedingungen in Ländern wie zum Beispiel Nicaragua und Serbien T-Shirts für europäische Modemarken. Die Subunternehmen vor Ort nutzten die Notlage der Menschen häufig aus. "Menschenrechte gelten weltweit", betont Ulrich Christenn. "Wir stehen in der Verantwortung und müssen genau hinschauen, damit wir mit unserem Konsum keine Ausbeutung ermöglichen." "Brot für die Welt" und lokale Partnerorganisationen unterstützen in Serbien und Nicaragua die Arbeiterinnen und Arbeiter. In Workshops erfahren die Frauen und Männer, welche Rechte sie haben und was sie gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen ausrichten können. Die unfairen Arbeitsbedingungen weltweit lösen die Projekte jedoch nicht. "Deshalb unterstützen wir die Initiative Lieferkettengesetz", sagt Christenn. 

"Gegen Gewinne ohne Gewissen hilft nur noch ein gesetzlicher Rahmen": "Brot für die Welt"  demonstriert 2019 vor dem Bundestag. (Foto: Stephane Lelarge/Brot für die Welt)

"Gegen Gewinne ohne Gewissen hilft nur noch ein gesetzlicher Rahmen": "Brot für die Welt"  demonstriert 2019 vor dem Bundestag. 

Klare Sanktionen gefordert

Es müsse klare Sanktionen geben für Unternehmen, die unter ausbeuterischen Verhältnissen produzieren lassen, fordert die Präsidentin von "Brot für die Welt". Seit Herbst vergangenen Jahres setzt sich das Hilfswerk gemeinsam mit anderen Organisationen für ein Lieferkettengesetz ein. Aktuell verhandelt die Bundesregierung über die Eckpunkte des Gesetzes. "Wir setzen uns dafür ein, dass das Gesetz möglichst schnell verabschiedet wird, damit die Arbeiterinnen und Arbeiter in armen Ländern effektiv geschützt werden", sagt Christenn.

Text: Ann-Kristin Herbst (mit Material von Brot für die Welt), Fotos: Kathrin Harms/Brot für die Welt,  Hermann Bredehorst/Brot für die Welt, Ann-Kristin Herbst und Stephane Lelarge/Brot für die Welt.

Ihr/e Ansprechpartner/in
Ulrich T. Christenn
Zentrum Drittmittel und Fundraising