Projektförderung
Wer das Büro von Pfarrer Ulrich Christenn in der Diakonie RWL betritt, weiß sofort, mit wem er es zu tun hat. Spendenbüchsen verschiedener Größe schmücken den Raum – von der alten Diakoniesammeldose über den hölzernen Goldesel bis zur kleinen orangefarbenen "Brot für die Welt"-Blechbüchse. Keine Frage, das Sammeln von Spenden ist eine alte Tradition in Diakonie und Kirche. Und auch heute noch eine wichtige.
1,35 Millionen Euro an kirchlichen Kollektengeldern haben Ulrich Christenn und sein Team, das aus fünf Referentinnen und vier Sachbearbeiterinnen besteht, im vergangenen Jahr vergeben. Rund 800 Projekte, Initiativen und Einzelfallhilfen – von der Babyausstattung für einkommensschwache Familien bis zum Kunstprojekt für psychisch-kranke Menschen – wurden damit finanziert. "In der Regel handelt es sich um kleinere, vierstellige Beträge", erklärt Christenn.
Auch wenn für die gute Sache jeder Cent zählt - Für größere Projekte braucht es auch große Scheine.
Keine Angst vor Fördermittelanträgen
Doch viele größere diakonische und kirchliche Projekte lassen sich mit diesem Geld nicht finanzieren. Umfangreichere Fördersummen vergeben Lotterien und Stiftungen. Allerdings kann es aufwändig sein, sich in die Antragsverfahren einzuarbeiten oder an erforderlichen Ausschreibungen teilzunehmen. Gerade kleinere Träger haben oft weder die Zeit noch das Personal, um sich ausführlich damit zu beschäftigen.
Daher verschwindet so manche gute Projektidee wieder in der Schublade. "Meist in der Hoffnung, dass man eines Tages über eine Ausschreibung stolpert, mit der man ohne großen Aufwand Fördermittel abgreifen kann." Für den Fundraiser ist das eine vertane Chance. Er empfiehlt, genau andersherum vorzugehen und nicht zu schauen, wie die eigene Idee den Geldgebern angepasst werden kann, sondern welcher Fördertopf dazu passt. Genau dabei hilft das Team "Zentrum Drittmittel, Fundraising und Quartiersentwicklung" der Diakonie RWL.
Gute Idee, anderer Fördertopf als gedacht: das inklusive Social Media Team der Stiftung Hephata
Andere Geldgeber als gedacht
Im vergangenen Jahr hat es 11,6 Millionen Euro an Fördermitteln aus Lotterien, Stiftungen und diakonieeigenen Fonds vermittelt und dafür 830 Anträge bearbeitet. Darunter waren auch Fördergelder für ein erfolgreiches Projekt der Stiftung Hephata. Sie hat ein Social-Media-Team aufgestellt, das aus Menschen mit Behinderung besteht. Verschiedene, auch bislang eher ungewöhnliche Quellen für Fördermittel wurden angefragt, darunter die Landesmedienanstalt. Letztlich finanzierte die "Aktion Mensch" das Projekt.
Ähnliche Erfahrungen machte Ulrich Christenn in der Beratung für ein Gesundheitsprojekt der Altenhilfe. Die Träger hatten dafür die klassische Wohlfahrtslotterie als Geldgeber im Blick. Passgenauer aber war die Finanzierung über die Krankenkassen, die im Rahmen des Präventionsgesetzes ebenfalls Projektgelder vergeben.
Viel Recherche ist nötig, um die Finanzierung der Projekte möglich zu machen.
Mittler und Möglichmacher
"Über all diese Möglichkeiten muss ich als Fundraiser informiert sein", so Christenn. "Doch zu meiner Aufgabe gehört es auch zu wissen, wie die Organisation tickt, die die Gelder vergibt." Fundraising sei Beziehungsarbeit, betont er. So versucht er, auch zu den Organisationen, die die Ideen der Träger realisieren helfen, einen guten Kontakt aufzubauen. "Die Diakonie RWL soll als kompetenter Mittler und Möglichmacher wahrgenommen werden", wünscht sich Christenn.
Neben Dritt- und Fördermitteln kümmert sich das Zentrum auch um Fundraising. Traditionell ist dabei die Diakoniesammlung ein wichtiges Standbein. Mehr als 400 Gemeinden arbeiten mit Materialien der Diakonie RWL und bitten um Spenden für diakonische Arbeit. Insgesamt kommen so jedes Jahr rund 1,5 Millionen Euro zusammen.
Daneben unterstützt die Abteilung auch die weltweite Diakonie. Dazu gehören "Brot für die Welt", die Diakonie Katastrophenhilfe, "Hoffnung für Osteuropa" und "Kirchen helfen Kirchen". Insgesamt kamen dafür im vergangenen Jahr knapp 17 Millionen Euro an Spenden und Kollekten im Gebiet der drei Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe zusammen. Mit diesem Geld wurde zum Beispiel ein Projekt in Rumänien unterstützt, das Mitarbeitende einer diakonischen Einrichtung in gesundheitlicher Vorsorge schult.
Die Diakonie RWL hat nicht nur diakonische Wohnprojekte gefördert, sondern mit ihrem "Bündnis fairer Wohnraum" politisch begleitet. Initiiert wurde es von Heike Moerland, Leiterin des Geschäftsfeldes Berufliche und soziale Integration.
Viele Projekte rund ums Wohnen
Im vergangenen Jahr hat aber vor allem ein Thema das Zentrum beschäftigt: Wohnen. Das Team half bei der Beantragung von Fördergeldern für Gemeindezentren, die zu Nachbarschaftstreffs umgestaltet oder Mehrgenerationenhäusern, die gebaut wurden. Auch kleine, innovate Initiativen gehörten dazu - wie etwa das Wohnpatenprojekt des diakonischen Beschäftigungsträger GESA in Wuppertal, in dem Ehrenamtliche alleinerziehende Familien bei der Wohnungssuche unterstützen.
Gute Ideen, die mit politischen Forderungen nach dem Ausbau des sozialen Wohnungsbaus und der Schaffung von mehr fairem Wohnraum von der Kampagne "Fairer Wohnraum" der Diakonie RWL flankiert wurden.
Erfolgreich seien all jene Anträge gewesen, die mit einer zukunftsweisenden Idee verbunden waren, erklärt Christenn. Er macht diakonischen Einrichtungen und Kirchengemeinden Mut, ihre Vision zu entwickeln und sich dabei nicht von möglichen Hürden und Grenzen der Finanzierung abschrecken zu lassen. "Es gibt eine Menge Fördertöpfe und darunter sind sogar viele, die nicht ausgeschöpft werden. Wir helfen allen dabei, den richtigen zu finden."
Text: Sabine Damaschke, Fotos: Ann-Kristin Herbst/Sabine Damaschke