17. Januar 2022

Gedenkgottesdienst Fluthilfe

Lichter der Hoffnung anzünden

Mit einem Lichtergottesdienst haben Kirche und Diakonie am vergangenen Wochenende im Ahrtal an die Flutkatastrophe vor sechs Monaten erinnert. "Wir mussten uns jeden Tag neu aufraffen, Schlamm zu schippen, Menschen zu trösten und Tote zu beweinen", sagte Pfarrerin Claudia Rössling-Marenbach. Sie dankte allen Helfern, betonte aber auch, dass es lange nicht bei allen Betroffenen gut aussehe.

  • Lichtergottesdienst von Kirche und Diakonie in Ahrbrück im Freien

25 Menschen haben sich in der Januarkälte vor der Auferstehungskapelle im Dorf Ahrbrück versammelt, knapp 20 Kilometer vor Bad Neuenahr, an der Zufahrtsstraße zum Nürburgring. Vor einem halben Jahr drang der angeschwollene Kesselinger Bach hinter der Kapelle, der wenige hundert Meter weiter in die Ahr mündet, in das Gemeindehaus nebenan ein. Jetzt muss der Boden erneuert werden. Das nur wenig höher gelegene Kirchengebäude blieb heil.

Unten im Ort mäandert die Ahr in flach planierten Auen von nackter Erde. Noch ist kein Gras über die eingeebneten Verwüstungen gewachsen. Schwere Schredder häckseln Tonnen von Treibholz. Die Lastwagen, die Holz und angespülten Unrat wegbringen, legen einen Schlammfilm auf die Straßen, der Rand- und Mittelstreifen verdeckt. Noch sind die unteren Geschosse der meisten Häuser im Tal unbewohnbar. Niemand weiß, wann die Ahrtalbahn wieder fährt, die in Ahrbrück endete. Die Flut hat die meisten Brücken und Kilometer Trasse mitgerissen. 

Die Pfarrerinnen Claudia Rössling-Marenbach (links) und Beate Smidt-Kulla mit der Flutgedenkplastik

Die Pfarrerinnen Claudia Rössling-Marenbach (links) und Beate Smidt-Kulla am Altar vor der Auferstehungskapelle in Ahrbrück. Vor ihnen steht die Flutgedenkplastik des Kunstschmieds Rüdiger Schwenk.

Flutkunstwerk erinnert an Todesopfer

Auf dem Altar vor der Auferstehungskapelle steht jetzt das Flutkunstwerk des Kunstschmieds Rüdiger Schwenk: eine Scheibe mit 134 Nagelköpfen für jedes Todesopfer. In der Mitte erhebt sich ein Kreuz, umschlungen von einer goldenen Rose, dem Zeichen der Hoffnung. Fluthelfer haben es ersteigert; und jetzt, sagt Schwenk, "soll es in den Kirchen aller Orte gezeigt werden, wo Menschen umgekommen sind." 

Rössling-Marenbach wird es noch oft sehen. Allein in ihrem Gemeindebezirk, einem der flächengrößten im Rheinland, liegen neun Flutorte. Die Pfarrerin spricht im Gottesdienst zum Gedenken an die Flutnacht der Ahr am 14. Juli 2021, vor genau einem halben Jahr. Sie berichtet von einer Frau, die sich freute, dass sie mit ihrer Hausrenovierung auf der Zielgeraden angelangt war: "Was für ein schönes Zeichen: das Lächeln, das man zurückgeben kann, weil es wieder eine Zukunft gibt. Wir wissen aber, dass es noch lange nicht bei allen gut aussieht."

Vertreterinnen und Vertreter der Diakonie-Katastrophenhilfe sind mit ihren blauen Jacken da. Sie werden später Fürbitten sprechen. Ein Kamerateam filmt für Tagesschau und Lokalfernsehen. Fackeln umgrenzen den Vorhof, auf dem der Gottesdienst coronabedingt stattfindet. 

Die Auferstehungskapelle in Ahrbrück

Vorbereitung für die Fernsehaufnahme: Vor der Auferstehungskapelle in Ahrbrück fand der Gedenkgottesdienst statt. 

Unterwegs mit den Menschen

Pfarrerin Elke Smidt-Kulla ist aus Bad Neuenahr-Ahrweiler gekommen. Noch wenige Tage vor der Flut hat sie im Juli mit einem fröhlichen Fest Kinder in der flach und friedlich dahinfließenden Ahr Kinder getauft. Sie berichtet vom Schmuck- und Antiquitätengeschäft ihres Mannes in der Ahrweiler Altstadt, das ebenfalls den Wassermassen zum Opfer fiel. 

"Wir sind unterwegs mit den Menschen, die sich freuen. Aber auch mit denen, die keine Perspektive sehen", sagt sie und zitiert eine Botschaft Gottes im alttestamentlichen Buch des Propheten Jeremia: "Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung."

Pfarrerin Beate Smidt-Kulla entzündet die Kerze des Künstlers Rüdiger Schwenk.

Pfarrerin Beate Smidt-Kulla entzündet die Kerzen der Gottesdienstbesucher. Vor ihr steht der Schöpfer des Flutkunstwerkes, Rüdiger Schwenk.

Bitte um "Sicherheit zum Leben"

Jetzt nehmen alle die Kerze im Glas in die Hand, die sie am Eingang bekamen. Smidt-Kulla entzündet einen Span an einer Altarkerze, trägt ihn durch die Reihe und bringt das Licht: Ihrer Kollegin, dem Künstler, den Gemeindemitgliedern. "Gib uns die Sicherheit zurück, die wir brauchen zum Leben", sagt eine Diakoniemitarbeiterin kurz darauf in ihrer Fürbitte.

Zum Schluss des Gedenkgottesdienstes singen alle "Der Mond ist aufgegangen". Kerzenschein fällt auf die Liedblätter. Besonders die zweite Strophe über die Dämmerung, die stille Kammer, "wo ihr des Tages Jammer/verschlafen und vergessen sollt", berührt die Teilnehmenden sichtbar. Das Fernsehteam hat sich ins Auto auf dem nahen Parkplatz zurückgezogen, die Übertragung läuft schon.

Text und Fotos: Wolfgang Tielmann

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Zentrum Drittmittel und Fundraising