Förderprogramm Digitalisierung
Sein Gesicht ist ein Tablet und sein Oberkörper ein rotes Stahlrohr, aus dem ein langer Greifarm ragt. Der Roboter in den Iserlohner Werkstätten der Diakonie Mark-Ruhr ähnelt so gar nicht den Menschen, die dort arbeiten. Aber für viele ist er schon zum "guten Kollegen" geworden, der ihnen bei komplexeren Montagearbeiten zur Hand geht. Seine Unterstützung sorgt dafür, dass Menschen mit einer schwerst-mehrfachen Behinderung aktiv mitarbeiten können, sich gebraucht und wertgeschätzt fühlen.
"Normalerweise werden Roboter in der Industrie zur Prozessoptimierung und Produktionssteigerung eingesetzt", erklärt Prokuristin Claudia Salterberg. "Bei uns sind sie Assistenten, die Teilhabe am Arbeitsleben möglich machen." Rund 900.000 Euro haben die Iserlohner Werkstätten aus dem Digitalisierungsprogramm der Stiftung Freie Wohlfahrtspflege NRW für 25 solcher Assistenz-Roboter erhalten.
Claudia Salterberg, Prokuristin der Iserlohner Werkstätten, hofft auf viele Nachahmer ihres "Roboter-Projekts".
Sie helfen jetzt bei der Montage von Armaturen, Duschköpfen oder Bohrern an fünf Standorten der Werkstätten in Iserlohn und Hemer. Dort sind rund 1.400 Mitarbeitende tätig, darunter etwa 1.200 Menschen mit Beeinträchtigung. Claudia Salterberg ist davon überzeugt, dass das innovative, digitale Projekt der Werkstätten bundesweit Nachahmer finden wird, "weil es die Inklusion voranbringt".
Acht Millionen für Diakonieprojekte
Ob in Werkstätten, Wohnheimen oder Beratungsstellen – die Corona-Krise hat der sozialen Arbeit in vielen Bereichen zu einem Digitalisierungsschub verholfen. An Ideen mangelte es nicht, aber oftmals am Geld. Vor einem Jahr startete die Stiftung Freie Wohlfahrtspflege NRW deshalb ihr Sonderprogramm "Zugänge erhalten – Digitalisierung stärken". Mit fast 42,5 Millionen Euro fördert sie insgesamt 667 soziale Projekte, darunter 121 von diakonischen Trägern. Insgesamt erhalten letztere knapp acht Millionen Euro.
Diakonie RWL-Fundraiser Ulrich Christenn hat das Digitalisierungsprogramm mit seinem Team von Beginn an begleitet.
Für maximal ein Jahr gibt es pro Projekt 5.000 bis 100.000 Euro. Eine mehrfache Förderung wie bei den Iserlohner Werkstätten ist möglich. Das Zentrum Drittmittel und Fundraising der Diakonie RWL prüft alle Projektanträge diakonischer Träger und hilft bei der Beantragung der Gelder. "Wir sind beeindruckt von der Vielfalt der Ideen, wie sich soziale Arbeit mit digitalen Mitteln in der Pandemie weiterführen und weiterentwickeln lässt", erzählt Zentrumsleiter Ulrich Christenn. "Das Förderprogramm ist sicher auch deshalb so erfolgreich, weil wir als Wohlfahrtsverbände von Anfang an beteiligt waren. Wir haben die Rahmenbedingungen und den Förderzweck entwickelt und im Sinne unserer Mitglieder verhandelt."
Therapiestunde als Videotelefonie
Mithilfe der Fördergelder wird nun oftmals möglich, was zuvor nicht möglich war. Zum Beispiel, eine Therapiestunde als Videotelefonie anzubieten – und das auch für Klientinnen und Klienten, die auf einen Dolmetscher angewiesen sind. "Vor der Pandemie hatten wir so gut wie keine technischen Möglichkeiten", erzählt Dima Zito, die seit 18 Jahren als Traumatherapeutin beim Psychosozialen Zentrum Düsseldorf (PSZ) arbeitet. "Wir waren deshalb unter den ersten zehn Antragstellern." Gemeinsam mit ihren 24 Kolleginnen und Kollegen begleitet sie jährlich etwa 1.000 geflüchtete Menschen.
Therapiestunden für Geflüchtete bietet das Psychosoziale Zentrum Düsseldorf nun auch online an.
Die knapp 38.000 Euro an Fördergeldern trugen dazu bei, dass das PSZ eine neue digitale Telefonanlage anschaffen und Dienstlaptops kaufen konnte, so dass digitale Beratung und Therapie aus dem Homeoffice möglich wurde. Im Rahmen des noch laufenden Projekts werden weitere Gelder abgerufen, um das Team sowie die Sprach- und Kulturmittler, mit denen es zusammenarbeitet, zu schulen.
"Gerade die Zeit des ersten Lockdowns war für geflüchtete Menschen extrem belastend", sagt Dima Zito. "Viele saßen isoliert und beengt in den Unterkünften, hatten Angst um die Gesundheit ihrer Angehörigen und um ihre eigene Zukunft, wenn der Aufenthaltstitel von einer Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung abhing, aber gerade gar keine Beschäftigung möglich war." Das förderte Traumata und Depressionen. "Wir haben den Menschen geholfen, durch diese schwere Zeit zu kommen, sich zu stabilisieren und den Lebensmut nicht zu verlieren."
Lernen mit Tablets - dafür nutzt die Diakonie Michaelshoven die Fördergelder.
Tablets für Pflegeheime und Schulkinder
Auch die Bergische Diakonie nutzt Fördergelder aus dem Sonderprogramm, um ihre Dienste und Einrichtungen digital auszustatten und Mitarbeitende dafür zu schulen – sei es für ihre Beratungsstellen oder Pflegeheime. Über 98.000 Euro erhielt sie für das Projekt "Mehr Zeit und digitale Teilhabe für Bewohner, kurze Pflege im Pflegealltag". Die Diakonie Michaelshoven bekam rund 100.000 Euro aus dem Förderprogramm, um im Sinne einer "digitalen Teilhabe" Tablets und Smartphones für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien anzuschaffen. Das Projekt startete Anfang Juli.
Die jeweils für ein Jahr angelegte Projektförderung sei kein "Strohfeuer" gewesen, sondern wirke langfristig, betont Diakonie RWL-Fundraiser Ulrich Christenn. Viele diakonische Träger böten Beratung und Therapie jetzt wieder analog an, nutzten aber weiter die digitalen Möglichkeiten für die Kommunikation mit manchen Klienten oder Videokonferenzen in ihren Teams. "Die Digitalisierung wird als Chance gesehen, die soziale Arbeit flexibler, individueller und umweltfreundlicher zu machen."
Text: Sabine Damaschke; Fotos im Slider: Ludwig/Iserlohner Werkstätten
Roboter-Projekt der Iserlohner Werkstätten
Das Psychosoziale Zentrum Düsseldorf
Diakonie RWL-Reportage zum 30-jährigen Bestehen des PSZ
Die Bergische Diakonie
Die Diakonie Michaelshoven
Spenden und Fundraising
Die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW erhält jährlich etwa 25 Millionen Euro aus der Spielbankenabgabe. Seit ihrer Gründung 1974 flossen rund eine Milliarde Euro in fast 7.000 Projekte. Das im Juni 2020 gestartete Sonderprogramm "Zugänge erhalten – Digitalisierung stärken" soll dazu dienen, "pandemiebedingte Einschränkungen mithilfe digitaler Angebote zu überwinden" und diese langfristig in die Arbeit der Träger zu integrieren. Bis 2022 will die Stiftung die Wirksamkeit der Digitalisierungsprojekte wissenschaftlich auswerten und einen Austausch über Verbandsgrenzen hinaus ermöglichen.