Fluthilfe in Swisttal und Rheinbach
Noch bis etwa einem Meter hoch klebt der beige Putz verwaschen-dunkel an der Häuserwand, bevor er an dem zweigeschossigen Fachwerkhaus dann darüber fast gerade wie an einer Schnur in einen deutlich helleren Ton wechselt. Sonst wirkt die Umgebung aufgeräumt, normal. Die Straßen sind etwas feucht vom Nieselregen, führen gerade den Hang hinab gen Swist, einem normalerweise vielleicht zwei Meter breitem Bach, hier eingemauert in einer Rinne. Manchmal fährt ein Auto vorbei.
Haushaltsbeihilfen starten bald
Nur diese Trennlinie: Sie gewinnt Richtung Tal deutlich an Höhe. Bis hierhin stand das Wasser in der Nacht auf den 15. Juli in Heimerzheim in der Gemeinde Swisttal: 2,50 Meter hoch in den Ort hinein. Das Wohnzimmer des Fachwerkhauses stand fast komplett unter Wasser, auf dem etwas höher gelegenen Friedhof die ersten Grabreihen ebenfalls.
Aktuell wird in den Flutgebieten gerade der Übergang organisiert: Werden vereinzelt noch Bautrockner recht unkompliziert ausgeliefert, bei akuter Not mit kleineren Geldbeträgen geholfen, geht es nun bald um größere Beträge, sogenannte Haushaltsbeihilfen. Da werden dann Möbel oder Küchengeräte gestiftet. Bis zu 5.000 Euro sind aufgrund des Katastrophenerlasses möglich. Bald soll es damit losgehen.
Die "Kommandozentrale": Auf dem Kirchplatz in Odendorf vernetzen sich die Helfer. Hier können sie sich Geräte abholen oder einmal kurz durchatmen.
Bachlauf wurde zur Flut
Zum Beispiel in Odendorf: Der Ort stand im Prinzip tagelang im Schlamm. "Immer mehr hat es hier gestunken", erinnert sich Pfarrerin Anke Kreutz. Der Grund: Die Einwohner waren fünf Tage evakuiert, denn die nahe Steinbachtalsperre drohte zu brechen. Wer heute über die Flamersheimer Straße auf die Katholische Kirche St. Petrus und Paulus stößt, merkt davon auf den ersten Blick nichts, ein ganz normaler Ort, schnell durchfahren mit dem Auto. Hier treffen sich alle ehrenamtlichen Helfer, der Kirchplatz ist zentrale Anlaufstelle. Zwischen einem roten Containerbau und der Kirche stehen und liegen Schaufeln, ein Mobilfunkmast, ein paar Zeltdächer. Schlamm gibt es hier keinen mehr.
Seit dem Hochwasser arbeiten hier viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, der harte Kern am Infopoint sind vielleicht sieben bis acht Personen. Aber: Mittlerweile müssen viele wieder ihrer normalen Arbeit nachgehen. Was bleibt, ist die Unsicherheit: Was wird mit den Häusern?
Ulrich Christenn von der Diakonie RWL macht Mut: "Wir werden regionale Hilfeteams bilden, um hier in der Region mittel- und langfristig zu unterstützen. Wir planen mit den Diakonischen Werken vor Ort gerade, dass es in den nächsten Wochen losgeht." Als mobile Teams werden psycho-soziale Berater, Bauberater und auch Sozialarbeiter direkt vor Ort tätig werden.
Bereit für den Schulanfang: Durch eine private Spende gibt es für die Kinder in Rheinbach voll ausgestattete Grundschulranzen.
Soforthilfen in Rheinbach
Auch das beschauliche Rheinbach verwandelte sich in eine Wasserwüste. Am Gemeindezentrum der evangelischen Gemeinde in der Ramershovener Straße erinnern Blumen, Kerzen und Fotos an eine in der Flut verstorbene 20-jährige Frau. 20.000 Euro an Soforthilfe hat die Gemeinde an zahlreiche Bedürftige verteilt. Bisher wird hier sehr viel ehrenamtlich organisiert. Konkret: Zwei Presbyter der Gemeinde verteilen die Soforthilfe.
Wie geht es nun weiter? Die Hoffnungslosigkeit ist groß. Zum Glück sind noch einmal weitere Beträge möglich, erläutert Ulrich Christenn. "Es ist genug Spendengeld da." Und natürlich macht auch die Aussicht auf mobile Teams der Diakonie Hoffnung. Für das Jugendzentrum der Gemeinde stellen die Diakonie RWL und die Diakonie Katastrophenhilfe zudem Sofortgelder zur Verfügung. Das Zentrum ist seit der Flut unbenutzbar geworden.
"Auch Schulsachen werden hier dringend benötigt", sagt einer der Presbyter beim Gespräch im Gemeindezentrum. "Die Menschen haben hier alles verloren." Da weiß Marion Schaefer von der Diakonie Bonn schnellen Rat: "Mein ganzes Auto ist voller Schulranzen." Eine private Sachspende. "Hier ist sie doch genau richtig." Wenige Minuten später stehen bunte Schulranzen für die Mädchen und Jungen der Grundschulen und dunkelgraue für die der weiterführenden Schulen auf den Stufen zur Kirche. Die Grundschulranzen sind komplett ausgestattet mit allem, was so benötigt wird.
Zerstörtes Wohnhaus: Während vielerorts Schäden bereits beseitigt sind, ist in anderen Städten und Gemeinden noch viel Unterstützung nötig. Vor allem die "inneren Wunden" werden viel Zeit brauchen, um zu heilen.
Innere Wunden noch lange nicht verheilt
Zurück in Heimerzheim: An der Ecke des Fachwerkhauses zeigt sich das gesamte Ausmaß der Zerstörung noch einmal sehr deutlich. Die Verkleidung ist bis zum ersten Stock komplett abgerissen, die Wand mit vielen Stangen gestützt. Unten klaffen längliche Löcher wild im Mauerwerk. Äußere Wunden, noch sichtbar als Überrest einer furchtbaren Nacht. Wunden vor der Fassade der Häuser. Irgendwann werden sie verschwinden.
Die inneren Wunden, die Wunden hinter den Fassaden, sind zwar weniger sichtbar – aber sie werden viel länger brauchen, um zu heilen.
Text: Jörg Stroisch, Fotos: Jörg Stroisch/Diakonie Katastrophenhilfe