Fluthilfe für arme Menschen
Vor der Tür von Luthers Waschsalon füllt ein Mann mit einer Ehrenamtlichen einen Antrag auf Soforthilfe für Überschwemmungsopfer aus. Unterdessen telefoniert eine andere Mitarbeiterin mit einem jungen Mann, der über drei Monate nach der Überschwemmung immer noch keine Hilfe erhalten hat und in seiner durchnässten Wohnung sitzt. "Wir haben hier noch eine Matratze für ihn", ruft Ilona Ladwig-Henning, Leiterin von Luthers Waschsalon, ihrer Mitarbeiterin Silvana Golic zu. "Wir müssen nur noch den Transport organisieren."
In und vor Luthers Waschsalon in Hagen herrscht reges Treiben. Als Waschservice für wohnungslose und arme Menschen ging die Einrichtung der Diakonie Mark-Ruhr vor 24 Jahren an den Start. Heute gibt es noch ein Frühstückscafé, Sozialberatung, medizinische Versorgung und über 30 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Sie sind jetzt zunehmend damit beschäftigt, noch all jene zu unterstützen, die vom Hochwasser in Hagen und Umgebung betroffen waren.
Ilona Ladwig-Henning (rechts) und ihre Mitarbeiterin Silvana Golic helfen jetzt auch vielen einkommensarmen Menschen, die die Flutkatastrophe hart getroffen hat.
Soforthilfe für Flutopfer
Sehr viel Soforthilfe ist hier aus Spendengeldern für die Diakonie Katastrophenhilfe und die Diakonie RWL an die Betroffenen geflossen. Insgesamt wurden daraus 90.000 Euro gezahlt, 200 Heizlüfter und diverse Trocknungsgeräte verteilt.
"Ich bin nur kurz losgegangen, um etwas einzukaufen. Und dann stand ich an der Bushaltestelle und kam nicht mehr weg", erzählt Silke Müller (Name geändert), die sich im Café aufwärmt und frühstückt. Das schnell steigende Wasser der Volme hatte sie innerhalb weniger Minuten komplett eingeschlossen. Um sie herum bildete der Fluss einen unbeherrschbaren Sog. Die Feuerwehr musste sie aus ihrer Notlage befreien - mit einem Boot.
Hier im Innenstadtteil Eckesey von Hagen ist die Volme eigentlich ein kleiner Bach. Und dennoch stieg in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli das Wasser auf über 4,30 Meter. Der Normalpegelstand liegt etwa zwischen 1,00 und 1,30 Metern. Das Wasser zerstörte ganze Häuser, machte das Erdgeschoss auch des Mehrfamilienhauses, in dem Silke Müller wohnt, bis heute unbewohnbar.
Seit 24 Jahren ist "Luthers Waschsalon" ein wichtiger Treffpunkt für wohnungslose und arme Menschen in Hagen.
Bekannter Treffpunkt
Luthers Waschsalon dagegen war nicht direkt von den Überschwemmungen betroffen. Aber viele Bewohner aus Eckesey gehören zur "Kundschaft". Die Einrichtung, die in der Nähe des Hauptbahnhofs liegt, ist weit über die Grenzen der Stadt bekannt und hat für ihr Konzept schon zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Gerade mal zwei hauptamtliche Mitarbeitende hat Luthers Waschsalon. Die soziale Arbeit wird vor allem ehrenamtlich geleistet. "Das ist im besten Sinne der ursprüngliche diakonische Gedanke", betont Martin Wehn, Geschäftsführer der Diakonie Mark-Ruhr und des Waschsalons.
Hochbetrieb herrscht in der Einrichtung vor allem zur Frühstückszeit. Aufgrund von Corona muss allerdings streng auf Hygiene und Abstand geachtet werden. Derzeit werde in drei Schichten mit je 15 Personen geplant, erzählt Ilona Ladwig-Henning. "Die Corona-Pandemie markiert schon einen starken Einbruch bei uns." Jetzt ist auch noch die Überschwemmung hinzugekommen. Ständig geht das Telefon und Menschen fragen nach Hilfe bei der Beantragung von Geldern für die Flutopfer.
"Wir befürchten, dass wir einige unserer Besucher und Besucherinnen in der langen Zeit der Pandemie verloren haben", sagt die Leiterin von Luthers Waschsalon. Viele dieser Menschen könnten nun vereinsamen, denn die Geselligkeit und der regelmäßige Austausch mit Gleichgesinnten fehle ihnen.
Essen, aufwärmen, reden: Flutopfer Silke Müller (Name geändert) frühstückt jeden Donnerstag in "Luthers Waschsalon".
Frühstücken und reden
Silke Müller dagegen kommt jeden Donnerstag in die Einrichtung. Sie ist arbeitslos, hat eine Betreuerin. Aber sie hat auch wieder einen Halt im Leben gefunden, engagiert sich stark für die örtliche Handballmannschaft. "Es ist schön zu sehen, wie sie seitdem auflebt", sagt Ladwig-Henning. "Wie ihr Leben eine gute Wendung nimmt."
Anders als manch ein Besucher oder eine Besucherin, die obdachlos sind oder bei Bekannten wohnen müssen, lebt Silke Müller weiterhin in ihrer kleinen Wohnung in Eckesey. Das Erdgeschoss ist im Rohbauzustand, der Putz abgeklopft, ungeheizt. "Zwar zeigen Messungen kein Wasser in den Wänden", sagt sie, "aber bei mir beschlagen ständig die Fensterscheiben." Und es bleibt, trotz komplett aufgedrehter Heizung, kalt in ihrer Wohnung.
"Wir haben einen Heizlüfter für sie", schlägt Ilona Ladwig-Henning vor. Doch den will Müller nicht. "Der verbraucht so viel Strom. Ich kann mir das einfach nicht leisten", sagt Silke Müller, die immer nur das billigste Brot kauft, bei jedem Einkauf auf den Cent achtet. Aber zumindest in Luthers Waschsalon kann sie sich aufwärmen, bekommt ein gutes Frühstück mit guten Brötchen - und ein offenes Ohr, wenn sie über ihre Probleme und ihre Erlebnisse in der Überschwemmungsnacht sprechen möchte.
Text: Jörg Stroisch, Redaktion: Sabine Damaschke, Fotos: Frank Schultze/Diakonie Katastrophenhilfe.