2. November 2023

Fluthilfe

Mobile Teams starten in die zweite Phase

Im September ist die zweite Phase der mobilen Beratung der Hochwasserhilfe der Diakonie Katastrophenhilfe Rheinland-Westfalen-Lippe (DKH RWL) gestartet. Sie läuft bis August 2025 und hat die Schwerpunkte Wiederaufbau und psycho-soziale Begleitung. Bei der Kick-Off Veranstaltung in Düsseldorf haben sich die Mitarbeitenden der Fluthilfeteams intensiv auf die kommenden Monate vorbereitet, um die betroffenen Menschen auch künftig optimal unterstützen zu können. 

  • Mitarbeitende der mobilen Fluthilfeteams haben sich beim Workshop in Düsseldorf getroffen.
  • Pfarrerin Christine Gühne erklärt beim Workshop der Diakonie Katastrophenhilfe Rheinland-Westfalen-Lippe die Grundzüge psycho-sozialer Arbeit.
  • Fachleute der Bezirksregierung Düsseldorf und aus dem NRW-Bauministerium im Gespräch mit den mobilen Fluthilfeteams.
  • Kick-Off Workshop der mobilen Hochwasserhilfe der Diakonie Katastrophenhilfe Rheinland-Westfalen-Lippe.
  • Für die Fluthilfeteams gibt es beim Kick-Off Workshop viel Impulse zur Arbeit in der Hochwasserhilfe.

Mehr als zwei Jahre nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen benötigen immer noch viele Betroffene die Unterstützung der mobilen Teams der Diakonie Katastrophenhilfe Rheinland-Westfalen-Lippe (DKH RWL). "Aber die Bedarfe der Menschen haben sich verändert", sagt Elena Weber, Fluthilfekoordinatorin der Diakonie RWL. Einige sind schon weit vorangekommen mit dem Wiederaufbau ihres Hauses, merken nun aber, dass ihre seelischen Wunden doch viel größer sind als bislang gedacht. Andere sitzen noch im Rohbau und haben erst jetzt die Kraft, das umfangreiche Thema Wiederaufbau überhaupt anzugehen. Und wieder andere haben ihr Leben schon recht gut "geordnet", blicken nach vorne und haben den Wunsch, sich auf mögliche künftige Katastrophen besser vorzubereiten.

Veränderte Bedarfe

"Unser Ziel ist es daher, die Betroffenen mit unseren verschiedenen Angeboten jeweils genau dort abzuholen, wo sie heute stehen", so Weber weiter, "und sie letztlich sowohl finanziell als auch psycho-sozial gestärkt wieder zurück ins Leben zu entlassen." Der Schwerpunkt der zweiten Phase der mobilen Beratung der Hochwasserhilfe an acht Projektstandorten liegt dabei vor allem auf zwei Themen: Wiederaufbau und psycho-soziale Arbeit. 

Die psycho-soziale Begleitung der Flutbetroffenen in allen Regionen gehört seit Tag eins der Katastrophe zu den Kernaufgaben aller Teams. Bei der Antragsberatung jedoch hat sich der Bedarf verändert: War es bis Ende August vor allem die Förderlinie Haushaltsbeihilfe für Hausrat und Möbel, die stark gefragt wurde, so widmen sich nun immer mehr Menschen dem Wiederaufbau und benötigen dafür entsprechende Beratung und Spendenmittel. "Die Haushaltsbeihilfen haben wir anfangs mit rund vier Millionen Euro veranschlagt", berichtet Markus Koth, Fluthilfekoordinator der DKH. "Letztlich haben wir fast neun Millionen Euro bewilligt – das ist ein großartiger Erfolg. Aber wir sehen gleichzeitig, wie viel Potential in der Wiederaufbauhilfe steckt." 

Das Podium mit fünf Vertreter*innen der Düsseldorfer Bezirksregierung und des NRW-Bauministeriums.

Fünf Vertreter*innen der Düsseldorfer Bezirksregierung und des NRW-Bauministeriums tauschten sich beim Workshop mit den Fluthilfeteams der DKH RWL aus.   

Intensiver Austausch

Dem Antrag auf Wiederaufbauhilfe bei der DKH RWL ist stets der Antrag beim Land vorgeschaltet. Umso wichtiger ist es, dass die Abstimmung zwischen den Antragsberater*innen in den mobilen Teams einerseits und den Ministerien und jeweiligen Bezirksregierungen andererseits reibungslos läuft. Was braucht es für eine schnelle Bewilligung? Wie können bürokratische Prozesse optimiert und Fehler vermieden werden? Welche Tücken stecken im Detail? Wo gelten Ausnahmen? Wie kann der Kontakt zwischen allen Beteiligten konstant gesichert werden? Über diese und weitere Fragen und Probleme tauschten sich die Teilnehmenden des Kick-Off Workshops mit fünf Vertreter*innen der Düsseldorfer Bezirksregierung und des NRW-Bauministeriums aus.

"Ihr Besuch zeigt, dass wir eine sehr gute Arbeitsbeziehung haben und uns gegenseitig schätzen", betont Markus Koth. Auch die Gäste waren dankbar für die Einladung: "Wir können voneinander lernen und nehmen aus diesem Austausch viel mit." Schließlich würden die Fälle, die nun anstehen, immer komplexer. Daher sei es besonders wichtig, dass sämtliche Beteiligte auf staatlicher wie diakonischer Seite sich immer wieder deutlich machten: "Wir alle möchten dasselbe, nämlich den Betroffenen bestmöglich helfen." Den persönlichen Austausch empfanden auch die Mitarbeitenden der Fluthilfeteams als Bereicherung: "Alle Probleme wurden angesprochen, viele Fragen geklärt", sagt etwa Dorothee Meidling vom Team Euskirchen. "Außerdem ist es für uns extrem motivierend zu sehen, dass sowohl das Ministerium als auch die Bezirksregierung die Qualität unserer Arbeit erkennt und wertschätzt."

Pfarrerin Christine Gühne ist Expertin für psycho-soziale Arbeit nach Katastrophen.

"Kein Mensch fühlt sich gerne als Opfer", sagt Pfarrerin Christine Gühne, Expertin für psycho-soziale Arbeit nach Katastrophen.

Grenzen erkennen

Neben der finanziellen Antragsberatung mit dem Fokus Wiederaufbau ist die psycho-soziale Unterstützung der Betroffenen Grundlage der zweiten Projektphase der Hochwasserhilfe. "Wir möchten entsprechende Angebote stärken beziehungsweise bedarfsorientiert und gemäß den Gegebenheiten vor Ort entwickeln", kündigt Elena Weber an. Markus Koth ergänzt: "Dabei sollten die Mitarbeitenden auch immer das Projektende im Blick haben: Im Idealfall machen wir uns letztlich überflüssig und bringen die Betroffenen mit unseren Angeboten auf das Niveau vor der Flut zurück." Was alles mit psycho-sozialer Arbeit erreicht werden kann, aber auch, welche Grenzen diese hat, damit kennt sich Christine Gühne aus. Als theologische Referentin bei Brot für die Welt hat die Pfarrerin langjährige Erfahrung in der psycho-sozialen Arbeit nach Katastrophen. Ihr Wissen teilte sie nun auch mit den diakonischen Fluthilfeteams.

"Viele Flutbetroffene haben ein Trauma", so Gühne. "Das heißt: Sie haben eine Wunde erlitten, die so tief geht, dass ihr Leben nach der Katastrophe nie mehr so sein wird wie davor." Helfende müssten den Betroffenen daher Zeit geben und deren Grenzen akzeptieren. "Nicht jeder möchte sich öffnen, auch Verdrängung kann eine Strategie zur Bewältigung sein", so die Pfarrerin. "Und Sie sollten sich auch eingestehen, wenn professionelle Hilfe nötig ist."

Wesentlicher Bestandteil der psycho-sozialen Arbeit sei es, Angebote für verschiedene Zielgruppen zu machen. "Drängen Sie sich dabei nicht auf", rät sie den Fluthelfer*innen. Es sei auch nicht nötig, aus bloßem Aktionismus zig neue Maßnahmen zu entwickeln. "Stärken Sie stattdessen das, was schon da ist, oder bauen Sie solche Angebote wieder auf, die die Flut zerstört hat." Dabei könne es sinnvoll sein, sich Partner zu suchen, etwa bei der Stadt, in Schulen und Kitas oder in Vereinen. "Bieten Sie Ihre Unterstützung bei solchen Veranstaltungen an, die es sowieso schon gibt", so Gühne weiter.  Dann merkten Betroffene im Idealfall gar nicht, dass sie psycho-sozial begleitet werden. "Denn kein Mensch fühlt sich gerne als Opfer." 

Die Fluthilfeteams der Diakonie Katastrophenhilfe Rheinland-Westfalen-Lippe starten in die zweite Projektphase.

Künftig wollen sich die Fluthilfeteams untereinander noch mehr austauschen und ihr Wissen teilen.

Profis mit Herz

"Christine Gühnes Impulse bestärken uns in unserer bisherigen Arbeitsweise, die Menschen ganzheitlich zu betrachten", so das Fazit von Markus Koth. "Von Tag eins an war uns klar, dass Geld alleine nicht hilft. Daher gehen unsere Angebote weit über die reine Antragsberatung hinaus." Auch die Mitarbeitenden aus den Fluthilfeteams nehmen viel mit aus dem Austausch mit der Pfarrerin. "Alle Fragen, die ich bislang noch hatte, sind beantwortet und sämtliche Unsicherheiten beseitigt", sagt etwa Thorsten Müller, der im mobilen Fluthilfeteam Eschweiler arbeitet. Seine Kollegin aus Hagen, Anette Becker, ergänzt: "Für mich war besonders die Erkenntnis wichtig, dass wir nicht das Rad neu erfinden müssen, sondern vielmehr das nutzen können, was schon da ist."

Für alle Teilnehmenden steht nach der zweitägigen Kick-Off Veranstaltung fest, dass der Austausch der Teams untereinander künftig noch intensiver werden soll. "Wir haben mittlerweile so viel Expertise und Erfahrung, die wir miteinander teilen können", sagt Dorothee Meidling aus Euskirchen. Sie empfindet das Treffen als "Bereicherung" und sagt: "Unser Engagement in der Fluthilfe war schon immer hoch, weil wir alle Profis mit viel Herz sind. Aber aus diesem Workshop nehme ich nochmal einen Extra-Schub an Motivation und viele neue Erkenntnisse mit."

Dass nach mehr als zwei Jahren intensiver Arbeit die Einsatzbereitschaft der mobilen Teams immer noch ungebrochen ist, stellt auch Fluthilfekoordinatorin Elena Weber fest: "Ich spüre in allen Gesprächen, mit wie viel Lust, Power und Engagement die Teams weiterhin dabei sind."

Text und Fotos: Verena Bretz

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