Fluthilfe
Unmittelbar nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 haben sich verschiedene Hilfsorganisationen im Ahrtal vernetzt, um gemeinsam die jeweils beste Unterstützung für Betroffene möglich zu machen. "Wir arbeiten seitdem eng zusammen, vermitteln die Menschen bei Bedarf weiter und nutzen Synergieeffekte, um jedem Einzelnen optimal helfen zu können", sagt Stephan Zöllner vom RegionalTeam Ahrtal der Diakonie Katastrophenhilfe Rheinland-Westfalen-Lippe (DKH RWL).
"Manche vermuten, dass wir Konkurrenten sind, aber das Gegenteil ist richtig", ergänzt Christiane Böttcher von der Flutkoordinationsstelle der Caritas in Ahrweiler. "Bereits seit September 2021 treffen wir uns regelmäßig alle sechs bis acht Wochen, um uns auszutauschen und gegenseitig Tipps zu geben."
Bei diesen Treffen geht es etwa um allgemeine Themen wie Datenschutz und Öffentlichkeitsarbeit, den Umgang mit Versicherungen oder aktuelle Informationen der Landesregierung. Aber auch über konkrete Einzelfälle tauschen sich die Fluthilfe-Experten in ihrer Runde aus. Oder sie überlegen, welche Aktionen sie künftig gemeinsam planen und umsetzen können.
Während ihrer regelmäßigen Treffen tauschen sich die Mitarbeitenden der Fluthilfeteams über allgemeine Themen aus. Aber auch konkrete Einzelfälle sind in der Runde ein Thema.
Noch mehr Betroffene erreichen
An diesem Nachmittag ist die Caritas Gastgeberin des Treffens von Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), DKH RWL) Hospizverein Rhein-Ahr, Johanniter und Malteser. Thema unter anderem: "Wie können wir noch mehr Betroffene erreichen, um sie sowohl finanziell beim Wiederaufbau als auch seelisch mit psychosozialen Angeboten bestmöglich zu unterstützen?" Eine wesentliche Rolle spielt dabei die aufsuchende Hilfe, betonen die Teilnehmenden. "Mit Flyern und Infoständen allein ist es längst nicht getan. Vielmehr sind wir alle regelmäßig im Tal unterwegs, klingeln bei den Menschen und sprechen sie gezielt an", erklärt Anke Sattler von der Malteser Fluthilfe. "Unser gemeinsames Ziel ist, dass wir so viele Betroffene wie möglich erreichen und sie beraten oder dorthin vermitteln, wo sie die optimale Unterstützung finden." Das kann beispielsweise auch eine Schuldnerberatungsstelle sein, die an diesem Nachmittag durch Michal-Patryk Kalinowski vom Diakonischen Werk des evangelischen Kirchenkreises Koblenz vertreten ist. "Unsere Arbeit greift an vielen Stellen ineinander und ergänzt sich", sagt der Sozialarbeiter, der in der Außenstelle der Schuldnerberatung in Bad Neuenahr-Ahrweiler beschäftigt ist.
Auch fast zwei Jahre nach der Flut, so die Erfahrung aller Beteiligten des Treffens, gibt es in der weitläufigen Region noch immer Menschen, die die umfassenden Förderangebote der verschiedenen Hilfsorganisationen nicht kennen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zahlreiche Bewohner*innen aus dem Ahrtal sind nach der Flut weggezogen und kommen erst jetzt allmählich wieder zurück. Bei anderen sind die Infos – egal, ob online über die sozialen Netzwerke oder analog per Flyer, Plakat und Zeitungsartikel – einfach nicht richtig angekommen. "Viele wissen etwa nicht, dass wir Spendengelder vermitteln und damit beim Finanzieren des Eigenanteils von 20 Prozent beim Wiederaufbau einer Immobilie unterstützen können", so Fluthilfeberater Stephan Zöllner. "Oder dass Betroffene bei mehreren Hilfsorganisationen parallel finanzielle Unterstützung zu unterschiedlichen Finanzhilfeverfahren beantragen können."
Andere haben sich mit ihren Sorgen und Erinnerungen an die Katastrophe komplett zurückgezogen. "Sie sind traumatisiert, haben noch nicht wieder ins Leben zurückgefunden und sind nicht in der Lage, Anträge auszufüllen, Gutachten zu organisieren und sich um den Wiederaufbau ihres Hauses zu kümmern", berichtet Sabine Israel von der Johanniter Fluthilfe im Ahrtal. "Wir treffen beispielsweise Menschen, die 20 Monate lang ihre Kontoauszüge nicht angeschaut haben, weil ihnen dafür die Kraft fehlt", ergänzt Anke Sattler.
"Dass wir untereinander so gut vernetzt sind, hilft uns bei unserer Arbeit sehr", sagen die Mitarbeitenden der verschiedenen Hilfsorganisationen.
Vernetzung als große Hilfe
In ihren Beratungsgesprächen und bei unterschiedlichen psychosozialen Angeboten nehmen sich die Mitarbeitenden der Fluthilfeteams ausreichend Zeit für die Betroffenen. "Insgesamt sind die Fälle mittlerweile komplexer und ist die Situation der Betroffenen schwieriger geworden", fasst Jeannette Hess von der Hochwasserhilfe der Arbeiterwohlfahrt die aktuellen Beobachtungen der Fluthelfer*innen zusammen. "Wir müssen die Menschen deshalb noch stärker an die Hand nehmen und eng begleiten. Dass wir untereinander so gut vernetzt sind, hilft uns dabei sehr."
In ihrer täglichen Arbeit haben die Fluthilfeteams auch die Betroffenen im Blick, die die Fördermöglichkeiten zwar kennen, aber aus unterschiedlichsten Gründen keine Unterstützung annehmen möchten. "Manche waren bislang noch nie auf Spendengelder angewiesen und schämen sich regelrecht, ein öffentliches Infotreffen aufzusuchen", beschreibt Armee Kolians, Leiter Hochwasserhilfe ASB, die Situation. "Und andere reden ihre Probleme klein und sagen, dass andere die Unterstützung noch nötiger hätten." Auch diese Menschen möchten die Fluthilfeteams im Ahrtal noch unbedingt erreichen.
Stephan Zöllner vom RegionalTeam Ahrtal der Diakonie Katatstrophenhilfe RWL betont: „Unsere Hilfe wird weiterhin dringend benötigt."
Unterstützung ist weiter nötig
Stephan Zöllner betont im Namen des gesamten Teams vor Ort: "Unsere Hilfe wird weiterhin dringend benötigt – deshalb werden wir als RegionalTeam Ahrtal der DKH RWL mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Wohlfahrtsverbände gemeinsam bleiben, solange die Betroffenen unsere Unterstützung brauchen."
Text und Fotos: Verena Bretz