Fluthilfe
Ihre Geschichte hat Renate Pilz schon oft erzählt – und dabei in Gedanken wieder und wieder durchlebt: Wie der Nachbar sie in der Flutnacht warnte, dass sie ihr Auto umparken müsse. Wie sie ihre Tasche packte und bis zum nächsten Morgen Schutz in der ersten Etage ihres Hauses suchte. Wie dann das Wasser immer höher und höher die Treppe hinaufkletterte. Und wie sie erfuhr, dass für die Nachbarin gegenüber jede Hilfe zu spät kam. "Sie ist im Keller ihres Hauses ertrunken", sagt die 83-Jährige. Immer noch lähmt sie die Erinnerung an die Nacht des 14. Juli 2021. "Aber irgendwie muss es ja weitergehen", hofft sie. "Und wenn ich mich wieder richtig schlecht fühle, tun mir die Waldspaziergänge mit Stefan Bergner sehr gut."
Der Pfarrer leitet das Seelsorge-Team der Diakonie Katastrophenhilfe Rheinland-Westfalen-Lippe (DKH RWL) im Ahrtal. Er sagt: "Viele Betroffene der Flut sind traumatisiert und schaffen es kaum, ihren Alltag zu bewältigen – geschweige denn, sich um den Wiederaufbau ihrer Häuser zu kümmern." Gemeinsam mit seiner Kollegin Angelika Obinwanne, die im mobilen Fluthilfeteam für die Antragsberatungen zuständig ist, unterstützt er die Menschen im Ahrtal. "Wir ergänzen uns ideal und versuchen, die Menschen in unserer Arbeit genau dort aufzufangen, wo sie gerade stehen", so Bergner.
Zum ZDF-Team aus Mainz gehören die Reporterin Angela Ebhardt (links) sowie ihre Kollegen für Kamera und Ton.
Drehtag im Ahrtal
Wie genau diese Arbeit aussieht und wer Unterstützung sucht beim Fluthilfeteam der DKH RWL, darüber will das ZDF an diesem Vormittag berichten. „Wir möchten beispielsweise erfahren, warum der Wiederaufbau im Ahrtal in Teilen nur schleppend vorankommt“, sagt ZDF-Reporterin Angela Ebhardt. Sie ist schon morgens mit ihrem Team – das sind ein Kameramann und ein Kollege für den Ton – aus Mainz angereist. Nahezu den ganzen Tag wollen sie in der Region verbringen. Am Nachmittag steht eine Pressekonferenz mit Landrätin Cornelia Weigand an. Das Thema: Deren Bilanz nach einem Jahr Amtszeit im Kreis Ahrweiler. Die Stunden davor will das Fernsehteam in Sinzig bei den Mitarbeitenden der Diakonie Katastrophenhilfe RWL verbringen.
Fluthilfe-Mitarbeiterin Angelika Obinwanne sitzt an ihrem Laptop. Das ZDF-Team filmt die Beratung.
Dankbar für Beratung
Fluthelferin Angelika Obinwanne bespricht mit Renate Pilz geduldig und Schritt für Schritt, wie sie bei der DKH RWL Gelder aus der Förderlinie Wiederaufbauhilfe beantragen kann. Die Haushaltsbeihilfe hat sie bereits bekommen. "Aber ich möchte mein Haus auf jeden Fall wieder aufbauen und dort einziehen", bekräftigt die 83-Jährige, die seit der Flut in der benachbarten Ortsgemeinde Brohl-Lützing wohnt. Während das Beratungsgespräch im Gemeindehaus in Sinzig von dem Fernsehteam gefilmt wird, liegt Angelika Obinwannes Hündin Luna neben den Füßen der Seniorin. Viele Betroffene würden einfach ruhiger, wenn Luna in ihrer Nähe sei, so die Erfahrung der Beraterin nach mehr als 18 Monaten Fluthilfe.
Sie berichtet, dass in der Region immer noch viele Menschen nicht wüssten, dass es für sie umfassende Hilfen gibt, sowohl finanzieller als auch psychosozialer Art. "Der Bedarf ist weiterhin enorm." Gründe für den teils stockenden Wiederaufbau kennt sie viele: Manche Bewohner seien unmittelbar nach der Flut weggezogen und kämen erst jetzt wieder ins Tal zurück, um den Wiederaufbau anzugehen. Den Älteren fehle es häufig an der digitalen Ausstattung für einen Online-Antrag, wieder andere hätten sprachliche Schwierigkeiten. Hinzu kommt ein Mangel an Gutachtern und Handwerkern. "Und viele Betroffene sind einfach zu erschöpft", ergänzt Seelsorger Stefan Bergner.
Oft erführen die Menschen dann durch Mund-zu-Mund-Propaganda, dass es bei der Diakonie Unterstützung gibt. "Aber wir sprechen sie auch an oder suchen sie aktiv auf", sagt Angelika Obinwanne. Während sie der TV-Reporterin aus ihrem Arbeitsalltag berichtet, betritt ein weiterer Anwohner das Gemeindehaus. Er hat zahlreiche Umschläge, Rechnungen und Fotos dabei, mit denen er Spendengelder aus der Förderlinie Haushaltsbeihilfe beantragen möchte. Auch ihn leitet Angelika Obinwanne durch den Online-Antrag, scannt Fotos und Rechnungen und beantwortet Fragen. "Ich bin so dankbar für die Hilfe", sagt der 65-Jährige nach dem Gespräch.
Fluthilfekoordinator Markus Koth (rechts) beantwortet vor laufender Kamera die Fragen der ZDF-Reporterin.
Umfassende Unterstützungsangebote
Wie genau die Unterstützung der Diakonie Katastrophenhilfe Rheinland-Westfalen-Lippe aussieht, welche Projekte mit den Spendengeldern gefördert wurden und welche noch gefördert werden können, das erklärt Fluthilfekoordinator Markus Koth im anschließenden Fernsehinterview. "Ich freue mich über die Gelegenheit, unsere umfassenden Unterstützungsangebote einem breiten Publikum vorstellen zu können", sagt er nach dem Dreh.
Letzte Stationen des ZDF-Teams: ein Hausbesuch im Rohbau von Renate Pilz und Aufnahmen von einem leerstehenden Mehrfamilienhaus mit Sozialwohnungen. Auch dort hat sich nicht viel getan seit der Flut vor mehr als 18 Monaten. Die Deutschlandfahne, die über dem Eingangsbereich hing, ist mittlerweile von Wind und Regen zerfetzt. "Mit mehreren Freiwilligen aus der Kirchengemeinde haben wir hier damals Schlamm und Schutt rausgeschleppt", erinnert sich Stefan Bergner. "Aber in diesem Frühjahr soll es nun auch hier endlich weitergehen."
Angelika Obinwanne, Hündin Luna und ihr Kollege Stefan Bergner gehen mit dem Fernsehteam durch Sinzig.
TV-Ausstrahlung im März
Mittags endet für die beiden "Flutengel" ein ungewöhnlicher Arbeitsmorgen. "Die Dreharbeiten waren spannend und mal etwas Neues", sagt Angelika Obinwanne. "Jetzt hoffe ich, dass wir möglichst authentisch rüberkommen und unsere Arbeit angemessen präsentieren können." Die Ausstrahlung Mitte März wollen sie und Stefan Bergner "natürlich anschauen". Bei aller Aufregung und Vorfreude ist ihnen aber besonders wichtig, "dass wir mit dem Fernsehbeitrag ganz viele Flutbetroffene erreichen können und sie ermuntern, sich Unterstützung bei uns oder den anderen Hilfsorganisationen zu suchen".
Text und Fotos: Verena Bretz