Diakoniesammlung 2020
Die Sommersammlung der Diakonie ist am Wochenende gestartet. Normalerweise würden jetzt tausende Ehrenamtliche in den Gemeinden von Tür zu Tür zu gehen und um Spenden für kirchlich-soziale Projekte bitten. Durch die Corona-Krise geht das nicht. Fehlen nun Spendengelder?
Wir erleben schon in den letzten Jahren, dass immer weniger Leute von Tür zu Tür gehen und wir weniger Spenden bekommen. Das wird sich jetzt durch Corona noch mal beschleunigen. Von den Gemeinden hören wir, dass sie die Sammlerinnen und Sammler, die meist Senioren über 60 sind, nicht schicken können, was verständlich ist. In vielen Gemeinden findet die Sammlung nicht mehr an der Haustür statt, sondern über Flyer mit Zahlscheinen oder im Gemeindebrief. Wir haben eine digitale Spendenwerbung erstellt, die per Newsletter verschickt werden kann.
Die Diakoniesammlung wird von den Pfarrern und Pfarrerinnen, den Freunden und Bekannten getragen, die für die Diakonie und ihre Projekte werben, betont Ulrich T. Christenn, Fundraising-Experte der Diakonie RWL.
Gibt es Alternativen? Nach dem Motto: Not macht erfinderisch?
Wir sind gemeinsam mit den Landeskirchen dran, nach digitalen Möglichkeiten für Kollekten und die Diakoniesammlung zu suchen, die wir den Gemeinden anbieten können.
Wie kann man sich die digitale Spende vorstellen?
Wie vieles wird auch das Spenden digital. Allerdings hat die Diakoniesammlung eine Tradition: dass eine vertrauensvolle Person – ein Pfarrer, eine Freundin, Bekannte – zu Spenden aufruft. Deswegen funktioniert die Diakoniesammlung. Wir haben kein konkretes Projekt, für das wir sammeln. Wir sammeln für die Arbeit der Diakonie an sich. Nur weil wir Leute haben, die für die Diakonie stehen, funktioniert die Diakoniesammlung. Es muss daher weiterhin einen analogen Impuls auf zwischenmenschlicher Ebene geben, wenn es um eine Spende geht. Die sonntägliche Kollekte ist ein gutes Beispiel. Bei der digitalen Variante gibt es kein „Herumreichen“ und „Hineingeben“ in den Klingelbeutel. Hier suchen wir noch nach einer Lösung.
In der Corona-Krise spenden die Leute mehr, sagt der Fundraising-Experte Ulrich Christenn.
Das Spendenaufkommen deutschlandweit ist seit Jahren rückläufig, auch in der Diakoniesammlung. Liegt das an der sinkenden Zahl der Kirchenmitglieder?
Das stimmt nicht ganz. Es spenden zwar immer weniger Menschen, – wir sind jetzt bei unter 30 Prozent der Deutschen die spenden – aber die, die spendengeben immer mehr. Meist sind das ältere Menschen über 70.
Jetzt kommt die Corona-Krise dazu. Alle Zahlen, die mir vorliegen, sagen: Es wird nicht weniger gespendet. Ganz im Gegenteil, einige Leute spenden jetzt in der Krise sogar mehr, sie haben Geld übrig, weil sie nicht in den Urlaub fahren konnten oder ihr Lieblingsrestaurant geschlossen war. Deswegen hoffen wir, dass die Sammlung trotz Krise gut ausfallen wird.
Die Diakoniesammlung leidet darunter, dass es weniger Ehrenamtliche und Gemeinden gibt, die mitmachen. Es gibt Gemeinden, die sammeln lieber für eigene Projekte. Denen ist das Hemd näher als die Jacke. Die Diakoniesammlung ist aber ein solidarisches Prinzip, über Gemeindegrenzen hinweg. Da ist es unsere Aufgabe, Vertrauen zu wecken, indem wir sagen, wofür wir die Spenden einsetzen. Es ist wichtig, diakonische Arbeit überregional zu unterstützen. Bestes Beispiel war in der Zeit, als 2015 hunderttausende Flüchtlinge kamen. Hier konnten wir als diakonischer Landesverband Gemeinden vor Ort mit Geldern, Beratung und Vernetzung unterstützen.
Per Klick im Smartphone soll das Spenden für die Diakonie RWL einfacher werden. Foto: pixabay
Wie sieht für Sie die Diakoniesammlung der Zukunft aus?
Vielleicht hilft uns für die Zukunft ein Kniff aus der Vergangenheit. Johann Hinrich Wichern, einer der Gründungsväter der modernen Diakonie, hat den Adventskranz vor 150 Jahren erfunden – für Waisenkinder. Den Adventskranz wollen wir für die Diakonie wiederbeleben und ganz modern mit digitalen Spenden verbinden. Eine Idee ist es, für die nächste Adventssammlung ein NFC-Tag zu nutzen.
Was ist ein NFC-Tag?
NFC ist die Abkürzung für „Near Field Communication“, also Nahfeldkommunikation. Das ist ein Standard zum Austausch von Daten über kurze Distanzen, ohne dass ein Kabel benötigt wird. Die meisten modernen Handys können das. Mit NFC lässt sich eine Funktion oder Anwendung auf dem Handy aktivieren. Das Ganze könnte in einem hauchdünnen NFC-Aufkleber oder -Anhänger an einem Adventskranz untergebracht werden. An diesen können Interessierte dann ihr Handy halten und mit einem Klick für die Arbeit der Diakonie spenden.
Mobiles Spenden ist der Weg für die bargeldlose Smartphone-Generation. Foto: pixabay
Warum sollten die Leute mobil spenden?
Letztlich ist es nur ein Weg, Menschen, die kein Bargeld in der Tasche haben, doch zum Spenden zu motivieren. Wie digitalisieren wir den Klingelbeutel oder die Spendendose? NFC ist nur ein Weg, QR-Codes, ein Link zur Website oder Bluetooth sind auch möglich. Wir setzen daher auf Wege, um mobil per Handy zu spenden.
Was würden Sie sich als Fundraising-Experte wünschen?
Mein Traum wäre ein großer Adventskranz auf dem Weihnachtsmarkt mit dakonieblauen Kerzen und auf einmal vibriert das Handy bei den Gästen mit einer Botschaft: „Du für den Nächsten – Ihre Diakonie engagiert sich … Machen Sie mit! Wollen Sie dazu spenden?“ Betrag ausgewählt und einmal mit dem Fingerabdruck bestätigt – schon ist die Spende auf dem Konto der Diakonie.
Letztlich bleibt aber die große Frage: „Wo gibt es den persönlichen Bezug, die vertrauenswürdige Person, die mich zum Spenden einlädt?“ Da kann der Diakonie-Adventskranz auch nur Mittel zum Zweck sein.
Christenn selbst spendet, damit Projekte realisiert werden, die es sonst nicht gäbe.
Was bedeutet für Sie Spenden?
Für mich hat Spenden ganz klar etwas mit dem christlichen Glauben zu tun. Mir wurde in meinem Leben viel geschenkt und anvertraut. Davon kann, darf und vielleicht soll ich etwas abgeben. Aus der Dankbarkeit heraus, möchte ich auch was abgeben.
Die andere Seite: Ich möchte Dinge fördern, die ich toll und wichtig finde. Beispielsweise damit etwas realisiert wird, was vielleicht sonst nicht umgesetzt werden könnte. Wenn ich spende, dann für kirchliche Kinder- und Jugendarbeit oder für Bildungsprojekte in Äthiopien und Indien. Ich engagiere mich aber auch ehrenamtlich in meiner Nachbarschaft, damit wir hier ein gutes Miteinander haben. Da gebe ich gerne mein Geld und meine Zeit, weil da viel zurückkommt.
Das Interview führte Christoph Bürgener, Fotos: pixabay, Ann-Kristin Herbst
Spenden und Fundraising
1,5 Millionen Euro wurden 2018 bei der Sommersammlung gespendet. 35 Prozent der Spenden bleiben bei den Kirchengemeinden, 25 Prozent gehen an regionale Diakonieprojekte. Damit bleiben 60 Prozent in der Region. Die restlichen 40 Prozent gehen an die Diakonie RWL für die überregionale Arbeit.