Brot für die Welt
Scharfe Kritik übt Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt, am Kabinettsentwurf für den Bundeshaushalt 2024. Denn der sieht starke Kürzungen bei den Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe vor. Pruin dazu: "Aus meiner Sicht ist das nichts anderes als eine Absage an die internationale Verantwortung Deutschlands." Von der Regierung fordert sie "mutige Entscheidungen, die viel Geld kosten werden". Dieses Geld sei da. Doch die Ampelkoalition müsse vorangehen und gleichzeitig internationale Partner motivieren, mehr zu tun "für eine gerechte Welt".
Der Haushaltsentwurf stehe im krassen Widerspruch zum Koalitionsvertrag und zu der ambitionierten Nationalen Sicherheitsstrategie, so Pruin weiter. Diese messe sowohl der Entwicklungszusammenarbeit als auch der Humanitären Hilfe und der zivilen Krisenprävention im Rahmen der sogenannten integrierten Sicherheit große Bedeutung bei. "Wenn die Bundesregierung ihren eigenen Sicherheitsbegriff ernst nimmt, müssten die Kurven des Verteidigungs- und des Entwicklungsetats zumindest in die gleiche Richtung weisen. Doch stattdessen soll es für die Unterstützung der Menschen in ärmeren Ländern deutlich weniger Geld geben", sagt Pruin.
Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt, warnt vor einer Zunahme des Hungers in der Welt.
Hunger als Kriegswaffe
Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks warnte auf der Jahrespressekonferenz vor einer Zunahme des Hungers in der Welt. Bislang sei genug Getreide verfügbar, obwohl Russland das Getreideabkommen mit der Ukraine ausgesetzt hat. Die Ernährungskrise sei aktuell vor allem auf hohe Inflation und Konflikte – etwa in einigen Ländern Afrikas - zurückzuführen. Doch: "Wenn das Schwarze Meer in den kommenden Wochen noch mehr zum Kriegsgebiet wird, müsste Russland seine Getreideexporte einstellen", so Pruin. "Dann ist die Gefahr groß, dass die Preise explodieren und noch größere Teile der Welt in eine Hungersnot stürzen."
In diesem Zusammenhang betont Brot für die Welt die Rolle der deutschen Agrarpolitik: "Wir können Präsident Putin die Kriegswaffe Hunger nehmen", sagt Pruin und kritisiert die große Menge Getreide, die hierzulande für Kraftstoffe und Tierfutter angebaut wird. "Deutschland erzeugt zu viel Nahrungsmittel, die in Tank und Trog enden. Stattdessen kann man auch Getreidereserven aufbauen und sie im Fall einer Notlage armen Ländern zur Verfügung stellen oder zumindest die Preise auf dem Weltmarkt stabilisieren", so Pruin.
Ernte in Kenia: Edwin Lagat zeigt den heimischen Mais.
Heimische Nahrungsmittel anbauen
Zudem, so die Forderung, müssten Nahrungsmittel dort angebaut werden, wo sie gebraucht werden. Der agrarökologische Ansatz, den Brot für die Welt mit seinen Partnerorganisationen weltweit verfolge, setze etwa auf heimische Gemüse- und Getreidesorten, die der Klimakrise angepasst sind, und auf organischen Dünger, der weniger energieintensiv in der Herstellung ist. "Die Land- und Ernährungswirtschaft ist heute zu etwa einem Drittel für die weltweiten Klimaschäden verantwortlich", stellt Dagmar Pruin fest. "Wenn Industrieländer noch mehr produzieren, erhöht das zum einen die Import-Abhängigkeit armer Länder und verschärft zum anderen die Klimakrise."
Bundesweit haben Spenderinnen und Spender die Arbeit des evangelischen Hilfswerks mit mehr als 75,6 Millionen Euro unterstützt.
Deutlich mehr Spenden
Die Präsentation der Jahresbilanz 2022 fällt positiv aus: Brot für die Welt hat im vergangenen Jahr bundesweit mehr Spenden und Kollekten erhalten. Bundesweit haben Spenderinnen und Spender die Arbeit des evangelischen Hilfswerks mit mehr als 75,6 Millionen Euro unterstützt. Das ist ein Plus von 12 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr (2021: 63,6 Millionen Euro). Darin sind auch die Kollekten aus den Weihnachtsgottesdiensten 2021 enthalten, die vielerorts trotz coronabedingter Einschränkungen wieder stattfinden konnten. "Ich bedanke mich von Herzen für dieses ermutigende Ergebnis und das Vertrauen in unsere nachhaltige Arbeit", sagt Pruin.
"Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Not in vielen Teilen der Welt vergrößert", sagt Ulrich T. Christenn, Zentrumsleitung Drittmittel und Fundraising der Diakonie RWL.
Gegen Hunger, für Gerechtigkeit
Auch auf den Gebieten der evangelischen Landeskirchen in Rheinland, Westfalen und Lippe steigerte Brot für die Welt die Spendeneinnahmen deutlich. Hier gingen rund 14,2 Millionen Euro Spenden ein. 2021 waren es noch rund elf Millionen Euro. "Wir bedanken uns sehr herzlich bei unseren Unterstützerinnen und Unterstützern, die mit einer Spende an Brot für die Welt ihre Solidarität mit den Menschen in ärmeren Ländern zum Ausdruck bringen", sagt Ulrich T. Christenn, Leiter Zentrum Drittmittel und Fundraising des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL) zu der hohen Spendenbereitschaft der Menschen. "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Not in vielen Teilen der Welt vergrößert. Die Spenden ermöglichen es Brot für die Welt und seinen weltweiten Partnerorganisationen, darauf zu reagieren und sich weiterhin gegen Hunger und für Gerechtigkeit einzusetzen."
Die Gottesdienst-Kollekten nähern sich wieder den Vor-Corona-Zahlen an.
Kollekten auf hohem Niveau
In allen Regionen im Diakonie RWL-Gebiet spendeten Menschen mehr als im Vorjahr an das evangelische Hilfswerk: Auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland kamen 2022 Spenden in Höhe von rund neun Millionen Euro (rund 6,5 Millionen Euro in 2021) zusammen. Im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen spendeten Menschen insgesamt rund 4,9 Millionen Euro (rund 4,3 Millionen Euro). 332.241 Euro Spenden (271.474 Euro) können dem Gebiet der Lippischen Landeskirche zugeordnet werden. Das sehr starke Ergebnis verdeutliche die hohe Verbundenheit der Menschen in der Region mit der Arbeit von Brot für die Welt, betont Ulrich T. Christenn. "Das zeigt sich besonders im Ergebnis der Gottesdienst-Kollekten, die sich den Vor-Corona-Zahlen annähern." Auch die vielen anderen Krisen weltweit sorgten für eine hohe Bereitschaft, sich für die Betroffenen einzusetzen. "Wir danken den Spenderinnen und Spendern dafür, dass sie die Menschen in Not im Blick behalten."
Ernte in der Region Nandi in Kenia: Brot für die Welt will Menschen durch landwirtschaftliche Projekte langfristig vor Hunger und Mangelernährung schützen.
682 Projekte neu bewilligt
Weitere Einnahmen - neben Spenden und Kollekten – erhielt Brot für die Welt aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes und aus Drittmitteln. Hierunten fallen vor allem Mittel aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Insgesamt standen dem Hilfswerk der evangelischen Kirchen und Freikirchen für die weltweite Arbeit 338,6 Millionen Euro zur Verfügung, das waren 17,4 Millionen Euro mehr als 2021 (321,2 Mio. Euro). Für Hilfsprojekte hat Brot für die Welt 291 Millionen Euro (92 Prozent der Gesamtausgaben) ausgegeben. Das sind 13,3 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Für Werbe- und Verwaltungsaufgaben wurden 8 Prozent eingesetzt. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) bewertet diesen Anteil der Werbe- und Verwaltungsausgaben an den Gesamtausgaben als niedrig. Das ist die beste vergebene Kategorie.
Brot für die Welt hat im vergangenen Jahr weltweit 682 Projekte neu bewilligt. Wie im Vorjahr waren regional Afrika mit 228 neuen Projekten und Asien/Pazifik mit 191 neuen Projekten die Schwerpunkte, auch gemessen an der Bewilligungssumme (Afrika: 92,9 Millionen Euro; Asien/Pazifik: 90,2 Millionen Euro). Inhaltlich blieb der Fokus von Brot für die Welt auch im Jahr 2022, Menschen durch landwirtschaftliche Projekte langfristig vor Hunger und Mangelernährung zu schützen sowie die lokale Zivilgesellschaft zu stärken.
Text: Verena Bretz mit Material Brot für die Welt, Fotos: Brot für die Welt, Andreas Endermann/Diakonie RWL, Pixelio