Broschüre Wiederaufbauhilfe
Wenn die Immobilie im wahrsten Sinne des Wortes absäuft, der Keller oder sogar die Geschosse darüber volllaufen mit einer dreckigen Brühe, dann ist klar: Hier sind massive Sanierungsmaßnahmen notwendig. In den Überschwemmungsgebieten ist das ein großes Thema. Nicht nur die Handwerker fehlen, sondern auch Fachpersonal, das hier gut begleiten kann. Die Broschüre "Wiederaufbau nach dem Hochwasser" der Diakonie RWL und der Diakonie Katastrophenhilfe soll auch dem Bau-Laien strategische Unterstützung bei den nun anstehenden Entscheidungen geben.
"Mit unserer Broschüre möchten wir alle Betroffenen darin unterstützen, ihre Häuser möglichst nachhaltig wiederaufzubauen und Vorschläge machen, wie die Gebäude künftigen Katastrophen besser standhalten können", beschreibt Martin Keßler, Direktor der Diakonie Katastrophenhilfe, die Zielrichtung der Broschüre. Und verweist dabei auf die Erfahrungen, die in der Katastrophenhilfe weltweit gemacht werden: "Das Prinzip 'building back better' ist in unseren Auslandsprojekten seit vielen Jahren Standard", so Keßler. "Die wiederaufgebauten Häuser sollen also besser sein als die zerstörten. Unsere Erfahrung zeigt, wie wichtig das ist, um viele künftige Schäden zu vermeiden."
Packt auch gerne selbst mit an: Martin Keßler, Direktor der Diakonie Katastrophenhilfe, bei der Übergabe eines Bautrockners im Eifelort Kall
Expertise rund um den Wiederaufbau
In Deutschland wurden viele Menschen von den Ausmaßen der Zerstörung nach der Flutnacht im Juli vergangenen Jahres völlig überrascht. Erfahrungen mit derartigen Unwetterkatastrophen und dem Wiederaufbau gebe es bislang eher aus anderen Ländern, weiß Keßler. "Die Menschen auf den Philippinen etwa sind jedes Jahr mehreren heftigen Stürmen ausgesetzt – sie wissen aber größtenteils sehr genau, wohin sie fliehen und was sie tun müssen, um ihr Leben zu schützen und größere Schäden zu vermeiden." Und natürlich wird dort auch so gebaut, dass Hochwasser nicht mehr so große Schäden anrichten kann.
Die Broschüre "Wiederaufbau nach dem Hochwasser – Strategien & Maßnahmen für einen dauerhaften und umweltfreundlichen Wiederaufbau" umfasst 32 Seiten und wird kostenlos bei den jeweiligen örtlichen mobilen Fluthilfeteams der Diakonie erhältlich sein. Die Broschüre gibt es auch online als PDF.
Die 32-seitige Broschüre wurde deshalb vom Architekturbüro "humantektur" verfasst, das auf das Thema Nachhaltigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe spezialisiert ist. "Zentral ist es natürlich zunächst, betroffene, nicht zu reparierende Bauteilschichten zu entfernen, die Untergründe zu reinigen und vernünftig zu trocknen", beschreibt Maike Buttler, Geschäftsführerin und projektleitende Architektin der humantektur gUG.
Im Fokus: Umweltfreundlichkeit und Wasserbeständigkeit
Im Anschluss gehe es beim Wiederaufbau aber darum, das Haus so zu gestalten, dass es dem Hochwasser besser standhält. Zudem sollten wichtige Installationen – wie etwa Wärmeerzeuger und zentrale Elektroverteiler – dieser Gefahr auch ganz bewusst ausweichen. Generell müsse für mehr natürlichen Wasserrückhalt auf dem Grundstück gesorgt werden. Darüber hinaus vergleicht die Broschüre verschiedene Baumaterialien auf ihre Umweltfreundlichkeit und Wasserbeständigkeit. "Es ist wichtig, dass die Materialien gut aufeinander abgestimmt sind", so Buttler. "Im Extremfall werden sonst sogar gegenteilige Effekte erzielt."
Die Architektin Maike Buttler ist Expertin in Sachen "nachhaltiges Bauen". Ihr Büro "humantektur" hat die neue Broschüre für die Diakonie verfasst.
Als Beispiel nennt die Architektin das Verputzen und den Anstrich mit wasserundurchlässigen Materialien auf Bauteilen, die eigentlich von ihrer gesamten Beschaffenheit noch viel länger trocknen müssten. "Das kann zum Beispiel bei Schimmelbildung oder der Freisetzung flüchtiger organischer Verbindungen dann sogar gesundheitsschädlich sein", beschreibt Buttler.
Die Broschüre behandelt vorbeugende bauliche Maßnahmen wie etwa permanente oder mobile Schutzwände ebenso wie die hochwassergerechte Abdichtung von Fundamenten, die Verlegung der Haustechnik in andere Etagen oder die verschiedenen Möglichkeiten der umweltfreundlichen Wärmeversorgung. "Aber auch die Frage, wie Regenwasser ganz natürlich auf dem Grundstück besser zurückgehalten werden kann, stellt sich", so Buttler. Ihr Tipp: Kleinere Maßnahmen wie das Anlegen von Mulden oder Retentionsteichen, also eine Art Wasserstauraum, sorgen letztlich auch für Hochwasserschutz.
Noch gibt es wenige Handwerksfirmen, die sich auf nachhaltiges Bauen spezialisiert haben. Die neue Broschüre ist daher umso wichtiger.
Broschüre ergänzt Beratung vor Ort
Ein Problem sieht die Architektin in den Überschwemmungsgebieten konkret darin, dass es vor Ort noch zu wenig Handwerksfirmen gibt, die sich auf Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit spezialisiert haben. "Und diese dann für die individuell sehr unterschiedlichen Bedingungen vor Ort anpassen." Es bestehe hier enormer Informationsbedarf, betont sie. Insofern kommt die Broschüre zur rechten Zeit.
"Damit wird eine Lücke in der Beratung vor Ort bei unseren mobilen Teams geschlossen", sagt Ulrich Christenn, der bei der Diakonie RWL die Fluthilfe koordiniert. "Denn in der Tat ist dieses Thema mittel- und langfristig außerordentlich wichtig. Das wissen wir aus anderen Katastrophengebieten."
Text: Jörg Stroisch, Redaktion: Sabine Damaschke, Fotos: Frank Schultze/DKH, Shutterstock, Adobestock