8. Juni 2018

Wohnungslosigkeit

Mit Käfigen gegen die Wohnungsnot

In einigen asiatischen Metropolen sind die Mietpreise inzwischen so hoch, dass Menschen in kleinen Wohnkäfigen leben. Wenn sich der Wohnungsmarkt in deutschen Großstädten nicht ändert, könnte es auch hier so weit kommen, warnt die Diakonie Düsseldorf. Mit Wohnkäfigen hat sie diese Woche gegen die Wohnungsnot in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt protestiert.

Publikumsattraktion vor der Kirche: Wohnkäfige mit Mitarbeitenden der Diakonie Düsseldorf

Keine eigene Wand, keine Tür, die man hinter sich schließen kann. Nur das Gitter, ein Bett aus Holz, darauf ein Schlafsack. Und das auch noch mitten in der Düsseldorfer Innenstadt, vor der großen Johanneskirche. Die Wohnkäfige, die die Diakonie Düsseldorf hier eine Woche lang präsentiert, sorgen für Aufmerksamkeit.

Passanten bleiben stehen, kommen ins Gespräch, wollen mehr erfahren über die engen Behausungen. Eine Klasse hat extra einen Schulausflug zur Aktion gemacht. Denn hier wird das Thema Wohnungsnot greifbar, das die Einrichtungen und Werke der Diakonie RWL überall zwischen Bielefeld und Saarbrücken beschäftigt.

"Unsere Aktion ist eine Warnung", sagt Diakoniepfarrer Thorsten Nolting. "Wir wollen zeigen, in welche Richtung es gehen kann, wenn der Wohnungsmarkt sich so weiter entwickelt." In Hongkong, Tokio und anderen asiatischen Metropolen gebe es solche engen Behausungen für Bedürftige bereits, betont er. "Gerade in Düsseldorf haben wohnungslose Menschen kaum eine Chance, eine akzeptable Wohnung auf dem freien Markt zu finden."

Sogar einen Briefkasten gibt es, denn Ordnung muss sein.

Gravierender Mangel an Sozialwohnungen

Vor allem an kleinem, bezahlbarem Wohnraum fehlt es. Bundesweit müssten nach Schätzungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes jährlich 450.000 neue Wohnungen gebaut werden, um diesen Bedarf zu decken. In Düsseldorf sind es mindestens 1.500 pro Jahr.

Fast die Hälfte der Düsseldorfer Bevölkerung hat aufgrund ihres Einkommens Anspruch auf geförderten Mietraum. Doch den gibt es derzeit nur für rund sieben Prozent, weil diese Wohnungen schlichtweg fehlen.

Seit Ende der 1980er Jahre bis 2015 ist der Bestand an Sozialwohnungen bundesweit von knapp vier Millionen auf 1,3 Millionen Wohnungen gesunken. Problematisch ist das besonders für diejenigen, die ein sehr geringes oder kein Einkommen haben, verschuldet sind, auf der Straße leben, aus dem Gefängnis kommen. Eben all jene, denen die Diakonie mit ihren vielen Beratungsangeboten täglich hilft.

Portrait

Clarissa Schruck und das Team von "Horizonte" haben Drazenko Aleksic bei der Suche nach einer Wohnung geholfen.

Mit "Horizonte" auf Wohnungssuche

Drazenko Aleksic war knapp anderthalb Jahren ohne Wohnung. "Wenn Vermieter meine Jobcenter-Dokumenten gesehen haben, war ich meist schon im Abseits", erzählt er. Drei Monate lebte er auf der Straße. Bei der Beratungsstelle "Horizonte" der Diakonie Düsseldorf bat er um Hilfe. Immer wieder suchte er dort im Internet und mit den Beratern nach Wohnungen. Inzwischen hat er tatsächlich eine Wohnung gefunden.

Seit zwanzig Jahren gibt es "Horizonte", die Fachberatungsstelle für Menschen ohne Wohnung. Mehrere hundert Menschen haben darüber in den vergangenen Jahren eine Bleibe gefunden. Für alle, die nicht direkt in die eigene Wohnung können oder wollen, gibt es verschiedene Angebote vom Trainingswohnen für Frauen bis zu "Start-Up-Appartements" als Zwischenschritt zum eigenen Mietvertrag. "Ziel ist es aber immer, dass die Menschen irgendwann für sich selbst sorgen können", sagt Clarissa Schruck, Sachgebietsleiterin Fachberatung und Tagesstätten der Diakonie Düsseldorf.

Portrait

Wer aus dem Gefängnis kommt, findet bei Natascha Zippro Hilfe. Aber bei der Wohnungssuche fühlt sie sich zunehmend hilflos.

Kaum Chancen für Wohnungslose

Die dramatische Wohnungssituation in Düsseldorf, wo die Durchschnittsmiete pro Quadratmeter inzwischen bei 10 Euro liegt, macht es den Mitarbeitern allerdings schwer, günstigen Wohnraum für ihre Klienten zu vermitteln. Natascha Zippro, die in der Beratungsstelle für Haftentlassene arbeitet, erzählt, dass sie in den über zwei Jahren, die sie bei der Diakonie beschäftigt ist, nur acht Klienten helfen konnte, eine Wohnung zu finden. "Das Wohnungsamt in Düsseldorf hat nicht genügend günstige Wohnungen, die es vermitteln kann, und bei privaten Vermietern stehen Haftentlassene ganz unten auf der Liste."

Diakoniechef Thorsten Nolting appelliert daher an die Wohnungswirtschaft und die Verwaltung, jährlich wenigstens 50 preisgünstige Kleinwohnungen für Wohnungslose zu schaffen. Außerdem brauche es endlich eine Wohnraumschutzsatzung gegen die Umwandlung von Mietwohnungen in Gewerberäume und Ferienwohnungen, betont er. "Damit nicht noch mehr Wohnraum in Düsseldorf verloren geht."

Thorsten Nolting, Vorstand der Diakonie Düsseldorf, wünscht sich beim Thema Wohnungsnot mutigere Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene.

"Wohnen ist ein Menschenrecht"

Dass das Wohnungsthema nun auch auf der Bundesebene endlich angepackt wird, sieht die Diakonie Düsseldorf positiv. Bundesjustizministerin Katharina Barley hat in dieser Woche einen Gesetzentwurf präsentiert, der die Themen Mietpreisbremse und Modernisierungsumlage aufgreift. Doch wie der Mieterbund ist auch die Diakonie skeptisch, ob die Regelungen zu einer wirklichen Preisdämpfung bei Wiedervermietungen führen. Nolting wünscht sich mutigere und schnellere Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene, damit wieder mehr günstiger Wohnraum in deutschen Großstädten geschaffen wird.

Clarissa Schruck hofft nun auf einen Runden Tisch in Düsseldorf, an dem die Diakonie mit allen Akteuren der Wohnungswirtschaft und der Politik sitzt. "Mit unserer Aktion haben wir ein Bewusstsein in der Bevölkerung, aber auch bei der Kommunalpolitik und Wohnungswirtschaft für die katastrophale Lage in unserer Stadt geschaffen", sagt sie. "Wir können es nicht hinnehmen, dass Menschen dauerhaft durchs Raster fallen. Wohnen ist ein Menschenrecht."

Text: Sabine Damaschke, Fotos: Diakonie Düsseldorf

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