4. August 2022

Theaterprojekt mit Wohnungslosen

Szenen, die das Leben schreibt

Sie bringen ihr eigenes Leben auf die Bühne: Wohnunglose und ehemalige Wohnungslose erzählen mit dem Straßentheater-Projekt "Die Unerhörten" ihre Geschichten. Damit machen die Spielerinnen und Spieler ihren Alltag erlebbar. Sie wollen sich selbst mehr Respekt verschaffen. Nach vielen Proben in der Theaterwerkstatt Bethel sind sie nun bereit für ihre ersten Aufführungen.

  • Bei den Improvisationsübungen stellten Uwe Eger (v.l.) und Dirk Dymarski ihre Spontanität unter Beweis.
  • Das Straßentheaterprojekt "Die Unerhörten" trifft sich einmal im Monat in Bethel für Proben.
  • Die Teilnehmenden entwickeln die Szenen für das Stück selbst.

Die Obdachlosenzählung in Berlin, der Gang zum Amt, ein Überfall auf offener Straße – es sind Erlebnisse aus ihrem Alltag, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Theaterprojekt "Die Unerhörten" auf die Bühne bringen. Die Darstellerinnen und Darsteller sind wohnungslose und ehemals wohnungslose Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet. Sie haben sich in der Theaterwerkstatt Bethel getroffen, um gemeinsam zu proben und neue Szenen zu entwickeln. 

Das Projekt ist eine Kooperation der Theaterwerkstatt Bethel mit der Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen, die sich mit Unterstützung von Bethel im Jahr 2019 gegründet hat. "Ich brauch ‘nen Euro" heißt die aktuelle Produktion, die Anfang August das erste Mal aufgeführt werden soll. "Alle Szenen sind von den Teilnehmenden selbst entwickelt worden", sagt Theaterpädagogin Pia Ringhoff, die das Projekt zusammen mit Musiker Veit Osthoff leitet. "Gemeinsam wollen wir zeigen, wie leicht es sein kann, auf der Straße zu landen; dort Gewalt zu erfahren oder sogar psychisch zu erkranken."

Das echte Leben auf die Bühne bringen

Seine Anfänge hat das Projekt im Jahr 2016, als beim Wohnungslosentreffen in Freistatt zum ersten Mal ein Theaterworkshop angeboten wurde. Nach Wiederholungen in den Folgejahren gibt es seit Anfang 2021 regelmäßige Proben, mittlerweile treffen sich "Die Unerhörten" einmal pro Monat. "Was wir auf die Bühne bringen, ist frei Schnauze und das echte Leben", sagt Projekt-Teilnehmer Dirk Dymarski. Jeder bringe seine individuellen Erfahrungen mit ein.

Tim Seywert gehört zu den jüngsten Gesichtern in der Gruppe und ist an diesem Tag zum dritten Mal bei den Treffen. "Mir hilft das Schauspiel dabei, Erlebtes aufzuarbeiten", verrät der 27-Jährige. Auch er selbst sei schon Opfer von Gewalt geworden – einen Überfall, wie er auch im Stück vorkomme, kenne er aus eigener Erfahrung.  "Das erste Mal, als ich die Szene gesehen habe, musste ich aus dem Raum gehen. Mittlerweile kann ich aber dabei sein – und spiele sogar selber mit."

Am Samstag, 6. August, führen "Die Unerhörten" das Stück "Ich brauch ‘nen Euro" um 17 Uhr auf dem Kesselbrink in Bielefeld auf. Der Eintritt ist frei. Weitere Aufführungen sind beim Wohnungslosentreffen in Freistatt am 18. August um 20 Uhr sowie bei der Sommeruniversität in Mönchengladbach am 20. August um 10 Uhr geplant.

Text: v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Fotos: Thomas Richter/Stiftung Bethel

Ihr/e Ansprechpartner/in
Jana Hofmann
Stabsstelle Politik und Kommunikation
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Die neue Straßentheaterproduktion "Ich brauch 'nen Euro" handelt davon, psychisch krank zu werden und alles zu verlieren, von Schicksalsschlägen mit Familien, Beziehungspartner*innen oder Freund*innen, von Gesprächen mit Mitarbeitenden auf Ämtern, die vom Schicksal anderer scheinbar unberührt bleiben, von Gewalt auf der Straße und von Neuanfängen.

Das Theaterprojekt ist eine Kooperation der Theaterwerkstatt Bethel mit der Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen und wird durch das Förderprogramm "Demokratisches Zusammenleben in Bielefeld" finanziert.