25. April 2016

Suchtkrankenhilfe

Schlechte Zeiten für Drogenkliniken

In den achtziger Jahren setzte man in der Suchtkrankenhilfe auf kleine stationäre Einrichtungen. Heute werden sie zunehmend von großen Rehakliniken verdrängt. Jüngstes Beispiel ist die Schließung von zwei Fachkliniken des Diakoniewerks Duisburg. Die Diakonie RWL sieht diesen Trend mit Sorge.

Innenhof der Drogenklinik Peterhof in Moers

Aus nach 35 Jahren Drogentherapie: die Fachklink Peterhof in Moers

Für Suchttherapeut Udo Horwat war der Peterhof in Moers eine "Herzensangelegenheit". 13 Jahre lang hat er in der stationären Einrichtung für Drogenkranke gearbeitet und sie anschließend als Fachbereichsleiter Sucht des Diakoniewerks Duisburg begleitet und gefördert. In den letzten zwei Jahren kämpfte er für den Erhalt des Peterhofs und der Frauen-Fachklinik Scheideshütte in Kempen - zwei Einrichtungen, die eng mit der Entstehungsgeschichte des Diakoniewerks verbunden sind. Ohne Erfolg. Nach 35 Jahren müssen die beiden Drogenkliniken schließen.

Was gerade am Niederrhein geschieht, ist typisch für die gesamte Suchtkrankenhilfe, beobachtet Diakonie RWL-Suchthilfeexperte Ralph Seiler. "Die Rentenversicherungsträger setzen für die Rehabilitation von Drogenkranken zunehmend auf große Kliniken", erklärt er. "Wir halten das für einen fatalen Trend, denn Drogenabhängige brauchen nach unseren Erfahrungen eine Betreuung in kleineren Gruppen und Häusern." Gerade für jüngere Patienten, aber auch für Frauen mit Kindern sei eine familiäre Atmosphäre und ein Schutzraum wichtig, um von der Sucht loszukommen und ein eigenständiges Leben aufbauen zu können.

Knackpunkt "100-Betten-Papier"

In den achtziger Jahren entstanden viele Drogenkliniken, die nach diesem Konzept arbeiteten und genau wie die stationären Einrichtungen des Diakoniewerks Duisburg maximal 25 Therapieplätze anboten. Doch bereits vor gut zwölf Jahren begannen die Kostenträger, höhere Anforderungen an technische Ausstattung, Personal und Auslastung der kleinen Kliniken zu stellen. Mit dem Ergebnis, dass das Diakoniewerk die Einrichtungen quersubventionieren musste, um sie zu erhalten. Damit war sie nicht allein. Laut Bundesverband der stationären Suchtkrankenhilfe (BUSS) arbeiten rund 70 Prozent ihrer Mitgliedskliniken nicht kostendeckend.

Portrait

Hat intensiv für den Erhalt der Drogenkliniken gekämpft: Udo Horwat

Die Situation verschärfte sich, als die Rentenversicherer 2010 das "100-Betten-Papier" als Grundlage für Sucht-Rehakliniken veröffentlichten. Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben sei immer stärker auseinandergegangen, erzählt Udo Horwat, der auch Vorsitzender des Fachverbands Sucht bei der Diakonie RWL ist. "Letztlich ging es natürlich darum, Kosten zu sparen."

Kleine therapeutische Gemeinschaft wichtig

Einige Strukturanforderungen hält der Suchttherapeut allerdings für berechtigt. "In größeren Kliniken kann es natürlich mehr Angebote wie geschlechtsspezifische Gruppentherapie, Raucherentwöhnung oder Achtsamkeitsgruppen geben", räumt er ein. "Da sind bei kleineren Kliniken schneller Grenzen erreicht, auf diese modernen Anforderungen einzugehen." Allerdings hält er es für falsch, die vielfältigen Angebote mit einer funktionellen und eher anonymen Krankenhausbehandlung zu verknüpfen. "Drogenabhängige Patientinnen und Patienten brauchen eine individuelle Betreuung und die ist in einer kleinen therapeutischen Gemeinschaft am besten möglich."

Beim Diakoniewerk Duisburg dachte man daher über ein neues Konzept nach, mit dem der familiäre Charakter der kleinen Einrichtungen erhalten bleiben konnten, aber Synergien in Verwaltung und Arbeitstherapie möglich waren. Horwat und seine Kollegen präsentierten dem Kostenträger, der deutschen Rentenversicherung Rheinland, im Oktober 2015 das Konzept einer Drogenklinik mit 50 bis 60 Betten. Es sollte eine gemischtgeschlechtliche Einrichtung werden, die aber besondere Angebote für Frauen vorhielt wie eine Kinderbetreuung und Elternkurse. Zudem sollte die Rehabilitation stärker auf Arbeit und Ausbildung ausgerichtet sein.

Portrait

Diakonie RWL-Referent Ralph Seiler fordert mehr Hilfen für Angehörige von Suchtkranken.

Innovative Rehaklinik "zu gewagt"

"Statt nur innerhalb der Klinik arbeitstherapeutische Angebote zu machen, wollten wir mit Betrieben außerhalb kooperieren und den Drogenkranken Praktika und Hospitationen ermöglichen, damit sie nach ihrer Entlassung schneller wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt fassen können", betont der Suchttherapeut. Ihr Konzept kam beim Kostenträger zunächst gut an, wurde dann aber als "zu gewagt" verworfen. Nun bleibt nur die Schließung der beiden Einrichtungen. Das Diakoniewerk versucht jetzt, die 32 Mitarbeitenden in anderen Bereichen unterzubringen. "Wir sind vorsichtig optimistisch, dass es uns gelingt", meint der Suchttherapeut.

Auch Ralph Seiler ist über die Entscheidung des Kostenträgers und die rigide Anwendung des Strukturpapiers der Rentenversicherung enttäuscht. "Es ist schwer zu ertragen, dass engagierte und innovative Träger der Sucht- und Drogenhilfe so ausgebremst werden. Wir müssen nach innovativen Lösungen suchen", sagt er. Das Konzept aus Duisburg wäre seiner Ansicht nach ein guter Kompromiss gewesen, mit Synergieeffekten Kosten zu sparen und gleichzeitig das Prinzip der therapeutischen Gemeinschaften teilhabeorientiert weiterzuentwickeln. "Wir werden uns weiter dafür einsetzten, dass auch kleinere Einrichtungen und innovative Konzepte in der Suchthilfe eine zukunftsfähige Perspektive entwickeln können", kündigt der Diakonie RWL-Referent an.

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