Schuldnerberatung
Das Ergebnis des Haushaltsplans war ernüchternd. Als Judith Harrer von der Sozialen Schuldnerberatung der Diakonie Köln und Region mit ihrer Klientin alle Ausgaben und Einnahmen für den Monat Dezember zusammengetragen hatte, stand fest: Für Geschenke oder ein Festessen würde in diesem Jahr kein Geld übrigbleiben. Stattdessen würde jeder Euro zweimal umgedreht werden müssen, um überhaupt über den Monat zu kommen.
"Einen Posten für flexible Kosten gibt es bei den Ratsuchenden immer seltener", sagt Judith Harrer. Wer mit Schulden und einer knappen Haushaltskasse lebe und unerwartet zusätzliche Medikamente brauche, zum Beispiel ein Küchengerät ersetzen müsse oder Geschenke kaufen wolle, habe immer weniger Spielraum. "Wir haben den Eindruck, die Situation hat sich in diesem Jahr zugespitzt", sagt die Schuldnerberaterin – und denkt an hohe Energiepreise und Lebenshaltungskosten. "Es wird immer enger." Und das führe bei vielen Betroffenen zu Angst, Verzweiflung und großer Verunsicherung.
In der Weihnachtszeit verdichten sich die finanziellen Sorgen, weiß Judith Harrer von der Schuldnerberatung der Diakonie Köln und Umgebung.
Weihnachtszeit verdichtet Sorgen
"Wir stellen fest, dass viele Menschen beginnen, beim Essen zu sparen", berichtet die Schuldnerberaterin. Preise würden nicht nur ganz genau verglichen, der Gürtel werde dazu noch deutlich enger geschnallt. "Wir raten aber dazu, nicht an der Miete, dem Strom oder den Lebensmitteln zu sparen", sagt Judith Harrer, "das sind die existenziellen Posten."
In der Weihnachtszeit stehen Betroffene dann vor doppelten Herausforderungen – vor allem Familien. Geschenke, ein schönes Essen, wenige unbeschwerte Tage: Vor allem für die Kinder wollen die Familien es schön machen. "Auch wenn wir feststellen, dass viele Kinder in diesen Situationen gar keine großen Ansprüche an Geschenke stellen", sagt Judith Harrer. Und trotzdem: In der Weihnachtszeit verdichten sich die finanziellen Sorgen. Auch deswegen hat sich die Schuldnerberatung der Diakonie Köln und Umgebung so gefreut, als sie der Stärkungspakt der Landesregierung in NRW mit einer finanziellen Unterstützung bedacht hat: "Wir konnten Lebensmittelgutscheine kaufen und an unsere Klienten weitergeben", erzählt Judith Harrer, "die Menschen haben teilweise geweint, als wir ihnen die Gutscheine übergeben haben." Eine alte Dame stellte völlig überwältigt fest, dass es ihr das kleine finanzielle Polster des Gutscheins nun möglich mache, ihrer Enkelin ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen. "Da ging es um eine Teemaschine für 27 Euro", stellt Judith Harrer die Verhältnisse klar.
Geschenke, ein schönes Essen, ein paar unbeschwerte Tage: In der Weihnachtszeit stehen Betroffene häufig vor doppelten Herausforderungen – vor allem Familien.
Rechtzeitig Rat suchen
Diese kleinen Lichtmomente erlebt die Schuldnerberaterin in ihrem Arbeitsalltag immer wieder. "Meistens kommen die Menschen zu spät zu uns", erzählt sie. Dann ist der gelbe Brief mit der Ankündigung des gerichtlichen Mahnverfahrens schon angekommen. Wegen der enorm hohen Nachfrage ist ein kurzfristiger Termin bei der Schuldnerberatung allerdings selten möglich. "Während unserer wöchentlichen Terminvergabe sind die Termine meistens innerhalb von einer halben Stunde vergeben", erzählt die Beraterin. Dann können die Betroffenen über das Online-Portal der Diakonie Unterstützung erfragen, einmal in der Woche gibt es außerdem eine offene Sprechstunde. Vor allem das persönliche Beratungsgespräch sei dann aber häufig ein Schlüsselmoment: "Wir sehen die Menschen ganzheitlich", erklärt Judith Harrer.
So kommt meist schon im ersten Gespräch auf den Tisch, welche Schicksale und welche Lebensgeschichte hinter den Schulden stecken: Krankheit, Sucht, Arbeitslosigkeit. "Diese Probleme nehmen wir gemeinsam mit einem großen Netzwerk in Angriff, bevor sich eine Klientin oder ein Klient dann zum Beispiel einem Insolvenzverfahren stellen kann", erklärt die Beraterin. Wenn die Menschen sich dann auf den Heimweg machen, ist oft ein kleiner Funke Hoffnung in ihren Blick zurückgekehrt. "Das erleben wir in ganz vielen Erstgesprächen", sagt Judith Harrer. Menschen kommen mit Schulden, Herzrasen und Schlaflosigkeit in die Beratung, und hier entdecken sie: Es gibt Lösungen. Das reicht vom Sortieren der Fragen, Ängste und Zahlen bis zur Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos.
Jochen von Köller von der Diakonie RWL sagt: "Wir als Verbände fordern schon seit etlichen Jahren einen rechtlichen Anspruch auf eine kostenlose Schuldnerberatung."
Rechtsanspruch auf kostenfreie Beratung
Jochen von Köller, der für Schuldnerberatung zuständige Referent im Geschäftsfeld Berufliche und soziale Integration beim Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL), weiß um diese wichtigen Momente der Zuversicht. Und deswegen wünscht er sich dringend einen rechtlichen Anspruch für Betroffene auf Schuldnerberatung. "Diesen rechtlichen Anspruch auf eine kostenlose Beratung fordern wir als Verbände schon seit etlichen Jahren", sagt er. Bis dahin ist die Finanzierung der Beratungsstellen häufig mit offenen Fragen verbunden: Land, Kommunen und Träger stemmen die Kosten dann häufig zusammen, um ein kostenloses Angebot zu ermöglichen. "Denn die gewerbliche Schuldnerberatung kostet die Menschen Geld, das sie nicht haben", erinnert von Köller.
Zudem bieten die Wohlfahrtsverbände wie die Diakonie mit ihrer Schuldnerberatung deutlich mehr als nur den Blick auf die Zahlen. "Unsere Soziale Schuldnerberatung baut auf die Überzeugung, keinen Menschen zurückzulassen. Wir wollen die Wiedereingliederung der Menschen in das soziale Leben ermöglichen", erklärt Jochen von Köller. Dabei setzt die Schuldnerberatung auf ein dichtes Netzwerk mit anderen Beratungsstellen. Das reicht von Themen wie Wohngeld bis hin zur psychosozialen Beratung, von einer Therapie gegen Sucht bis hin zu Angeboten für Jugendliche, die beim Online-Einkauf viel Geld verloren haben. "Soziale Schuldnerberatung packt die Verschuldungssituation an der Wurzel", erklärt Jochen von Köller.
Text: Theresa Demski, Fotos: Privat/Diakonie RWL/Shutterstock/Pixabay