Raus aus der Schuldenspirale
Soziale Hilfen
Derzeit profitieren nur 15 Prozent von einer kostenfreien Beratung. "Soziale Schuldnerberatungen müssen dringend ausgebaut werden." Außerdem solle ein Rechtsanspruch sicherstellen, dass alle Menschen gleich welcher Einkommensklassen oder sozialer Hintergründe erreicht werden.
Hoher Bedarf an kostenfreier Beratung
"Pro 50.000 Einwohner sollte es zwei vollzeitbeschäftigte Schuldnerberater geben", schlägt Heine-Göttelmann vor. Derzeit kommen im Bundesdurchschnitt nur 1,03 Berater auf 50.000 Einwohner. Ein geordnetes Verfahren zur Schuldenregulierung begrenze den Schaden für Schuldner und Gläubiger und schütze sie vor dem sozialen Absturz.
"Der Bedarf nach Beratung ist enorm hoch", berichtet die zuständige Expertin der Diakonie RWL, Petra Köpping. Unter dem Dach der Diakonie RWL arbeiten zwischen Bielefeld und Saarbrücken über 80 soziale Schuldnerberatungsstellen, die im vergangenen Jahr rund 48.000 Menschen beraten haben.
Begleitet wurden vor allem Menschen, die arbeitslos gemeldet sind, Hartz IV beziehen oder bei denen eine besondere Hilfebedürftigkeit, etwa durch eine Behinderung, festgestellt wurde. Alle anderen, die Arbeit haben, aber so wenig verdienen, dass sie immer mehr Schulden anhäufen, zählen nicht dazu.
Armutsgefährdung als Schuldenrisiko
Die wachsende Einkommens- und Vermögensungleichheit der vergangenen 15 Jahre schlägt sich auch in den Überschuldungszahlen nieder, belegt der Schuldner-Atlas. "Trotz des Wirtschaftsbooms der letzten Jahre, nahm die Zahl der prekär Beschäftigten, die von ihrem Lohn kaum leben können und deshalb Schulden anhäufen, zu", erklärt Köpping. Insgesamt leben derzeit rund acht Prozent der Menschen in Deutschland von einem Niedriglohn. Mittlerweile ist jeder sechste Mensch in Deutschland von Armut bedroht.
Erschreckend sei auch, dass die Zahl älterer überschuldeter Menschen kontinuierlich wachse, so Köpping. "Die Altersarmut ist in unseren Beratungsstellen längst angekommen." Immer wieder treffen die Schuldnerberaterinnen auf Senioren, die unter dem Existenzminimum leben, aber keine Hilfen beim Sozialamt beantragen wollen. "Sie schämen sich", sagt die Expertin. "Ihre Einkünfte reichen gerade für das Allernötigste. Kommen jedoch unerwartete Ausgaben hinzu, wird es schwierig. Dann werden Kredite aufgenommen, etwa um die kaputte Waschmaschine zu ersetzen." Für viele sei das dann der Beginn der Schuldenfalle. "Diese Menschen werden wir nur erreichen, wenn wir die kostenfreien Beratungen für alle öffnen."
Weitere Hintergrundinformationen gibt es auf der Website der Diakonie RWL: https://www.diakonie-rwl.de/themen/soziale-hilfen/schuldner-atlas-2019