Hilfen für Wohnungslose
Roberto steht an diesem Morgen gemeinsam mit einigen Bekannten in der Sonne vor der Tagesstätte Horizont der Diakonie Düsseldorf. Er trägt ein Poloshirt und Sandalen, die dicke Jacke bleibt bei knapp über 20 Grad im Rucksack. Der 59-Jährige ist seit anderthalb Jahren wohnungslos, und das nicht zum ersten Mal in seinem Leben. Im Café Horizont hat er eine Portion Spaghetti Bolognese gegessen und danach in Ruhe seine Kleidung zusammengepackt. Aktuell hat Roberto "irgendwo in der Stadt" einen überdachten Schlafplatz, hin und wieder kann er bei einem Bekannten übernachten. "Ich mag den Sommer gerne", erzählt der gebürtige Sizilianer. "Dann ist es einfacher, draußen zu sein."
Diese beiden Wohnungslosen haben sich zum Lesen unter einen schattigen Baum gesetzt.
Begehrte Schattenplätze
Doch mit weiter steigenden Temperaturen über 30 Grad kommen die Probleme. Bei extremer Sommerhitze ist das Leben für Wohnungslose noch härter als sonst: Sie können sich nicht in ihre Wohnung oder in klimatisierte Büroräume zurückziehen. Ihre Lebensmittel verderben. Und adäquate Schattenplätze sind in der Stadt rar. Manche schlafen einfach in der prallen Sonne ein, oft ist auch Alkohol im Spiel. Die Folgen sind Kreislaufprobleme und Verbrennungen. Was Wohnungslosen jedoch am meisten fehlt, ist Wasser. Eine Dehydrierung kann gefährlich werden. Doch das Geld reicht oft nicht aus, um ausreichend Wasser zu kaufen – oder es wird wegen einer Suchterkrankung für andere Dinge ausgegeben. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen in Einrichtungen wie dem Horizont Café in Düsseldorf mit Wasser und kostenlosem kalten Tee versorgt werden.
Für Clarissa Schruck, Sachgebietsleitung Fachberatung und Projekte der Diakonie Düsseldorf, sind die Hitzehilfen "ein guter Auftakt".
"Wunderbare Sache"
Und auch die Politik will nun helfen: In diesem Jahr sollen in Nordrhein-Westfalen erstmals unbürokratisch insgesamt 250.000 Euro Hitzehilfen für Obdachlose auf der Straße ausgezahlt werden. "Das ist eine wunderbare Sache und ein guter Auftakt. Denn es ist wichtig, dass der Staat die Notwendigkeit sieht, auch wohnungslosen Menschen zu helfen", sagt Clarissa Schruck, Sachgebietsleitung Fachberatung und Projekte der Diakonie Düsseldorf. Bereits seit 2018 finanziert das Land sogenannte Winter- oder Kältehilfen. Schruck: "Aber wohnungslose Menschen sind immer in Not: Jede Jahreszeit hat für sie ihre Herausforderungen, auf die wir die Antworten parat haben müssen."
Clarissa Schruck, Leiterin der Tagesstätte Horizont, unterhält sich mit Roberto, der dort täglich zu Gast ist.
Gezielt nachfragen
In den Einrichtungen fehle es beispielsweise fast immer an einer ausreichenden und notwendigen Finanzierung von Sachmitteln wie Bekleidung, Schlafsäcke, Fahrtkosten oder Medikamente, weiß Schruck aus ihrer langjährigen Arbeit mit Wohnungslosen. "Die Menschen haben dafür kein Geld. Deshalb sind wir auf Spenden angewiesen." Sie sagt: "Mit der Hitzehilfe – bis zu 2.500 Euro pro Einrichtung – können wir nun individuell entscheiden, was gebraucht wird und genau die Dinge kaufen, die unsere Klienten am dringendsten benötigen." Das sind neben Wasser etwa luftige Bekleidung, gute Schuhe und Kopfbedeckungen, aber auch Sonnencreme, Insektenschutz, Kühl-Packs und leichte Schlafsäcke. "Wir haben die Menschen im Blick und wissen in der Regel, was sie brauchen", sagt die Sozialpädagogin. "Aber wir fragen auch gezielt nach, was ihnen fehlt."
Roberto fühlt sich gut vorbereitet auf die Sommerhitze.
Anstrengende Hitze
Roberto selbst fürchtet die Sommerhitze nicht. "Natürlich ist es bei über 30 Grad anstrengender, meine ganzen Sachen zu transportieren", berichtet er. Aber glücklicherweise besitzt er ein Fahrrad mit Packtaschen. "Und ausreichend Wasser habe ich auch immer dabei." Doch Clarissa Schruck kennt auch andere Wohnungslose, "die nicht so gut strukturiert sind wie Roberto". Für sie könne die Hitze lebensbedrohlich sein. "Denn sie haben keine Möglichkeit, sich einfach mal abzukühlen oder in einen kühlen Raum zu flüchten." Deshalb appelliert sie an alle, obdachlose Menschen nicht von Schattenplätzen und geschützten Aufenthaltsorten zu vertreiben und rät: "Wer eine Person entdeckt, die schutzlos in der Sonne eingeschlafen ist: Lieber einmal zu viel ansprechen, Wasser anbieten oder direkt Hilfe holen."
Jan Orlt, Referent im Geschäftsfeld Berufliche und Soziale Integration bei der Diakonie RWL, findet es gut, dass es nun neben den Kältehilfen für Wohnungslose auch Hitzehilfen vom Land gibt.
"Konsequent weitergedacht"
Diesem Appell schließt sich Jan Orlt an. Der Referent im Geschäftsfeld Berufliche und Soziale Integration bei der Diakonie RWL weiß: "Wohnungslose Menschen sind häufig auf Hilfe angewiesen – auch und gerade im Sommer. Denn Hitze ist fast noch gefährlicher als Kälte, weil man sich davor kaum schützen kann." Deshalb begrüßt er die erstmaligen Hitzehilfen vom NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. "Das ist auf jeden Fall ein richtiger Schritt, denn in Zukunft werden wir immer häufiger extrem heiße Sommer erleben. Und es ist gut, dass Karl-Josef Laumann hier konsequent weitergedacht hat und den Kältehilfen jetzt auch Hitzehilfen folgen lässt." In der diakonischen Wohnungslosenhilfe sei das Hitze-Problem bereits seit einigen Jahren ein Thema. "Für die Mitarbeitenden in den Einrichtungen haben Sommerhilfen längst denselben Stellenwert wie Winterhilfen." Nun heiße es abzuwarten, wie weit die Einrichtungen mit dem zusätzlichen Geld kommen. Orlt: "Auf jeden Fall bringt das Förderprogramm das Problem ,Hitze und Wohnungslosigkeit‘ mehr in den Fokus der Öffentlichkeit."
Text: Verena Bretz, Fotos: Bretz, Pixabay
Soziale Hilfen
Die Fachberatungsstelle Horizont der Diakonie Düsseldorf ist ein Hilfeangebot für Menschen, die ohne Wohnung sind oder denen der Wohnungsverlust droht.
Zahlen Daten Fakten
Trotz Corona-Beschränkungen wurden im Jahr 2021 in der Tagesstätte Horizont
- 1.991 Menschen beraten (1.900 Männer, 89 Frauen, 2 Diverse)
- 3.264 mal die Duschen benutzt
- 2.049 Waschmaschinenfüllungen gewaschen
- 15.199 Mahlzeiten und 17.938 Getränke zubereitet
- 72 Schlafsäcke ausgegeben
- 622 Postadressen neu eingerichtet