Diakonische Sozialberatung
Zwischen den Häusern an der Fürstenberger Straße ist das Ernst-Lange-Haus das niedrigste. Und doch ist es für die Anwohner von enormer Bedeutung: Dort, wo Kinder zwischen den Hochhäusern ihre Runden auf dem Fahrrad drehen und Erwachsene auf den Stufen in der Sonne sitzen, finden sie in der Einrichtung der Diakonie ein zweites Wohnzimmer, einen Ort der Begegnung – und vor allem Ansprechpersonen für nahezu alle Lebenslagen.
Die Umgebung ist das, was die Stadt einen "Sozialraum mit sehr hohem sozialen Handlungsbedarf" nennt. In mehr als 1.500 Wohnungen leben hier knapp 4.000 Menschen. Viele davon sind von Armut betroffen, rund ein Drittel haben eine Zuwanderungsgeschichte. Die Familien leben hier oft auf beengtem Raum. Das Ernst-Lange-Haus wurde 2012 mitten in der Siedlung eingerichtet. Seitdem gibt es in dieser ehemaligen evangelischen Kirche Beratungs- und Bildungsangebote – und auch einfach einen Ort, an dem man sich treffen kann. "Das Haus gehört den Menschen aus dem Stadtteil, nicht uns", sagt Barbara Dully, Leiterin des Hauses.
Unterstützung auf Augenhöhe: In Wohnvierteln sind die Allgemeinen Sozialberatungsstellen ein erster Anlaufpunkt bei finanziellen oder sozialen Schwierigkeiten.
Treffpunkt für Menschen im Viertel
Die Unterstützung, die Anwohnerinnen und Anwohner hier finden, ist vielfältig. Das Haus ist ein Ort, an dem Kinder betreut werden, wenn noch kein Kita-Platz gefunden ist. Wo ihnen jemand bei den Hausaufgaben hilft, wenn die Eltern das nicht können. Oder einer, an dem sich Nähgruppen, Mütter und Nachbarn unabhängig von ihrem religiösen oder kulturellen Hintergrund treffen. Wo man miteinander lacht und feiert.
Doch besonders wichtig ist das Beratungsangebot, das die Diakonie Düsseldorf hier organisiert. Auch an diesem Tag steht jemand vor der Tür mit einem geöffneten Brief, der nach Amt aussieht, und fragt, ob Frau Nitze denn da sei. Sie ist für die Sozialberatung zuständig. Die Themen, mit denen sie zu tun hat, drehen sich um Existenzsicherung und die Familie, ums Einkommen oder Wohnen: Wie bekomme ich einen Betreuungsplatz für die Kinder? Was bedeutet der Brief, den ich vom Amt bekommen habe − wie muss ich darauf reagieren? Welche Leistungen kann ich bekommen, wenn ich noch keinen Job gefunden habe? Und welche Rechte und Pflichten habe ich eigentlich?
Kinder beim Aufwachsen unterstützen: Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, setzt sich für eine langfristige Finanzierung der Stadtteilberatungen ein.
Sozialberatung langfristig finanzieren
Genau diese niederschwelligen Beratungen helfen dabei, sich zurechtzufinden. Oft kommen die Menschen mit der einen Frage und im weiteren Gespräch stellt sich heraus, dass es noch viele weitere Baustellen gibt. "Da helfen wir, den Überblick zu behalten, zu entscheiden, was jetzt am Wichtigsten ist", sagt Barbara Dully, Leiterin des Ernst-Lange-Hauses. Grundsätzlich unterstützen die Mitarbeitenden die Menschen dabei, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.
Maria Loheide, Vorständin für Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, weiß um die Bedeutung von Angeboten wie die des Ernst-Lange-Hauses. "Eine allgemeine Sozialberatung wie hier muss staatlich finanzierte Pflichtaufgabe werden. Wir brauchen mehr auf Dauer angelegte Hilfen, um besonders Kinder zu schützen", fordert Loheide während eines Besuchs in Düsseldorf-Hassels gemeinsam mit Diakonie RWl-Vorstand Christian Heine-Göttelmann. "Wir sind dort vor Ort, wo unsere Mitmenschen unsere Hilfe bedürfen", betont Heine-Göttelmann. "Das schaffen wir aber nicht allein. Wir sind auf ein klares Bekenntnis aus der Politik zu einer nachhaltigen Finanzierung der sozialen Beratungsangebote angewiesen."
Hilft auch mal im Café aus: Hadisa Wahabi kam vor Jahren als Ratsuchende ins Ernst-Lange-Haus und unterstützt jetzt andere Menschen im Viertel. (Foto: Anne Wolf/ Diakonie Düsseldorf)
Ratsuchende werden zu Ehrenamtlern
Das Angebot der Diakonie kommt an. Auch Hadisa Wahabi war froh über die Unterstützung. "Für mich ist es am Anfang schwer gewesen." Ihr Mann war krank, sie habe sich um vieles allein kümmern müssen. Vor allem um die fünf Kinder. Da sei es eine große Hilfe gewesen, mit schwer verständlichen Formularen oder allerlei Fragen zur Beratung um die Ecke gehen zu können.
Heute sind ihre Kinder erwachsen, studieren und unterstützen die Eltern. Hadisa Wahabi arbeitet mittlerweile selbst ehrenamtlich im Ernst-Lange-Haus und betreut das offene Café, das in Zeiten ohne Pandemie zum Plausch einlädt. Wahabi ist darüber hinaus auch Gesundheitslotsin, die andere zum Arzt begleitet und dort bei Verständnisproblemen vermittelt. Vor allem aber ist sie ein wichtiges Bindeglied zwischen Anwohnenden und Beratungsstelle: Sie hilft, Informationen weiter zu verbreiten.
Familienfreundliche Warteräume: Auch dafür kann das Geld aus der Diakonie-Kollekte verwendet werden.
Unkomplizierte Unterstützung
Das Besondere im Ernst-Lange-Haus ist, dass hier viele Angebote an einem Ort zusammengefasst sind: Hier ist Platz für Begegnung, Kinderbetreuung und Bildungsangebote. Gleichzeitig ist es eine Anlaufstelle für eine allgemeine Sozialberatung und verschiedene spezielle Themen – etwa für Einwanderinnen und Einwanderer aus EU-Staaten, für Themen rund um die Gesundheit, für Bildungs- oder Familienfragen. Mittlerweile gibt es auch eine psychosoziale Beratung. "Denn wenn die Menschen hier einziehen und langsam Ruhe einkehrt, kommen manchmal Bilder aus der Vergangenheit hoch", sagt Barbara Dully. Da könne man unkompliziert an die Kollegin zwei Türen weiter vermitteln.
Die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, sei niedriger, wenn Angebote wie hier gebündelt seien. Vor allem aber auch dadurch, dass die Anwohner die Mitarbeitenden mit der Zeit kennenlernen und Vertrauen fassen, so Dully. "Die Beziehungsarbeit ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Hilfe und Unterstützung ankommen."
Text: Carolin Scholz, Fotos: Carolin Scholz, Anne Wolf/ Diakonie Düsseldorf und Michael Englert/ Diakonie Deutschland.
Soziale Hilfen
Sozialberatung stärken
Hilfen aus einer Hand, direkt vor Ort – das ist praktische Armutsbekämpfung. Die Diakonie RWL setzt sich deshalb gemeinsam mit der Diakonie Deutschland dafür ein, eine rechtliche Grundlage für die Sozialberatung zu schaffen. Bisher gelte die Beratung oft als freiwillige Aufgabe einer Kommune, sagt Diakonie Deutschland Vorständin Maria Loheide. Besonders für finanziell schwächer gestellte Städte und Gemeinden sei die Aufrechterhaltung der Sozialberatung eine große Herausforderung. Dabei ist die Sozialberatung ein unverzichtbares Element staatlicher Daseinsvorsorge. Vor der Bundestagswahl setzt sich die Diakonie deshalb für einen Ausbau der wichtigen Beratungsstellen ein.