11. Juli 2019

Bezahlbarer Wohnraum

Schnelle Hilfe, wenn die Wohnung bedroht ist

Der Wohnungsmarkt ist aus den Fugen geraten, nicht nur in Düsseldorf oder Köln. Inzwischen droht auch immer mehr Menschen in ländlichen Regionen der Verlust ihrer Wohnung, weil sie ihre Miete nicht mehr aufbringen können und keine neue, bezahlbare Wohnung finden. Im Oberbergischen Kreis unterstützen die Wohnhilfen Oberberg der Diakonie Michaelshoven schnell und unbürokratisch, wie Geschäftsbereichsleiterin Susanne Hahmann erläutert.

Susanne Hahmann engagiert sich auch im Vorstand des Ev. Fachverbandes Wohnungslosenhilfe der Diakonie RWL. (Foto: Diakonie Michaelshoven)

Täglich erreichen uns neue Nachrichten über fehlenden oder überteuerten Wohnraum. Im Oberbergischen Kreis "retten" Sie schon seit drei Jahren Wohnraum. Wie ist Ihr Projekt entstanden?

Wir haben damals für den Oberbergischen Kreis die Wohnungsanzeigen gesichtet und die Wohnraumsituation analysiert. Klares Ergebnis war: für die Menschen, die in unsere Angebote kommen – die also billigen und kleinen Wohnraum benötigen – gibt es keine Wohnungen. Auch für große Familien ist die Lage auf dem Land sehr schwierig. Wer dann noch verschuldet ist und einen Schufa-Eintrag hat, hat keine Chance.

Wir waren der Überzeugung, dass wir auch im Oberbergischen Kreis dringend eine Fachstelle für Wohnungsnot brauchen, wie es sie in großen Städten oft gibt. Dazu haben wir ein Modell entwickelt, wie man präventiv Wohnungsnot verhindern kann. Dieses Projekt hat das Land NRW überzeugt und wir haben aus einem Fördertopf für innovative Projekte eine Finanzierung für drei Jahre bekommen.

Viele Menschen sind verdeckt wohnungslos. Es gibt auch Betroffene, die haben ein Zelt im Wald.
(Foto: LAG Freie Wohlfahrtspflege NRW)

Wie sieht Ihr Projekt konkret aus?

Unsere Sozialarbeiter haben erstmal an einer umfangreichen Fortbildung zum Thema Mietrecht und Klageverfahren teilgenommen und sich auf diesem Gebiet fit gemacht. Der Oberbergische Kreis hat den Wohnhilfen die Bearbeitung der Wohnungsnotfälle übertragen. Daher erhalten wir nun alle Räumungsklagen der Amtsgerichte. Sie schicken uns die Fälle, in denen eine Räumung droht. Dann schreiben wir die Betroffenen an und kündigen kurzfristig einen Hausbesuch innerhalb von zwei Tagen an. Bei einer Räumungsklage und auch bei Kündigungen muss es schnell gehen. Wir suchen die Menschen auf und bieten unsere Unterstützung bei der Sicherung des Wohnraums an. Wir erreichen dabei natürlich nicht alle. Manche sind schon ausgezogen. Viele Menschen sind verdeckt wohnungslos und kommen bei Bekannten oder – bei uns auf dem Land – auch mal in der Scheune unter. Es gibt Betroffene, die leben im Auto oder haben ein Zelt im Wald. Zunächst geht es bei unserer Beratung darum, schnell zu verhindern, dass jemand die Wohnung verliert.

Viele haben wahrscheinlich hohe Mietschulden und wissen nicht mehr, wie es weitergehen soll.

Ja das ist so. Die Menschen, die wir antreffen, sind oft sehr verzweifelt. Aber wir haben ein gutes Netzwerk und arbeiten eng mit dem Ordnungsamt, dem Sozialamt und den Jobcentern zusammen. Nach unserer Erfahrung lassen sich die meisten Probleme mit einer Ratenzahlung lösen, wenn man schnell reagiert. Mit den Vermietern kann man oft reden. Das hat uns am Anfang selbst überrascht. Häufig sind es Übergänge, die dazu führen, dass Menschen einen Finanzengpass haben. Wenn zum Beispiel das Jobcenter noch nicht alle Unterlagen zusammen hat und deshalb nicht zahlt.

Die Wohnhilfen Oberberg helfen, Rechnungen und Mahnungen zu ordnen.
(Foto: Pixelio / Thorben Wengert)

Warum erklären die Menschen ihren Vermietern nicht vorher, warum sie Probleme haben die Miete zu zahlen und finden selbst einen Kompromiss mit dem Vermieter?

Manche haben Angst, mit dem Vermieter alleine zu reden. Andere stecken den Kopf in den Sand und öffnen ihre Post nicht mehr. Wenn wir die Rechnungen und Mahnbriefe geordnet und die Probleme sortiert haben, dann erleben wir oft, dass für die Betroffenen wieder eine Tür aufgeht. Viele schaffen es dann auch alleine, ihr Leben und ihre Wohnsituation wieder in die Hand zu nehmen. Und was die Leute selber leisten können, das sollten sie auch selber tun.

Gibt es auch Fälle, in denen sie nicht helfen können?

Wir können natürlich nicht jeden Wohnraum halten. Manche Menschen befinden sich in einer psychisch schwierigen Situation oder das Verhältnis zum Vermieter ist zerrüttet. Wenn der Wohnungsverlust nicht zu verhindern ist, bieten wir Unterstützung an, wie es danach weitergeht.  Familien konnten wir bisher immer vor der Obdachlosigkeit bewahren. Doch auch hier merken wir, dass es immer enger wird.

Das "Bündnis Fairer Wohnraum" ist eine Initiative der Diakonie RWL.

Ihr dreijähriges Projekt lief Ende Juni aus. Wie geht es weiter?

Mit drei halben Stellen konnten wir in 2018 im Oberbergischen Land mit insgesamt knapp 300.000 Einwohnern in 296 Wohnungsnotfällen unsere Hilfen anbieten. Wir als Diakonie haben ein starkes Hilfesystem im Rücken. Das ist ein großes Plus. Aufgrund der ausgesprochen guten Kooperationen in Oberberg  können wir  jederzeit auch eine Suchtberatung oder ein ambulant betreutes Wohnen vermitteln, wenn die Betroffenen das brauchen. Mittlerweile haben wir drei Jahre Erfahrung und sind eine schnelle Einsatztruppe, wenn die Wohnung bedroht ist. Man kann mit wenig Einsatz eine große Wirkung erzielen. Auch die Politik haben wir damit überzeugt. Seit dem 1. Juli wird aus unserem Projekt zur Prävention in Wohnungsnotfällen eine Regelfinanzierung.

Die Diakonie RWL hat das "Bündnis Fairer Wohnraum" gegründet, fordert mehr bezahlbaren Wohnraum und setzt sich dafür ein, dass kirchliche und diakonische Träger kreativ Wohnraum schaffen. Sind Sie dabei?

Ich glaube, auch beim Thema "Wohnraum schaffen" ist Vieles nötig. Man muss sich jetzt auf den Weg machen. Das vorgestellte Projekt ist einer unserer Beiträge zur Reduzierung der Wohnungsnot.

Das Gespräch führte Sabine Portmann.
(Teaserfoto: Pixelio/ Rainer Sturm)

 

Ihr/e Ansprechpartner/in
Jan Orlt
Geschäftsfeld Berufliche und soziale Integration
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