Donnerstag, 7. Juli 2016

Teilhabe fördern statt Misstrauen säen

Flüchtlingsexperte der Diakonie RWL kritisiert Integrationsgesetz der Bundesregierung

Düsseldorf/Münster, 7. Juli. Die bevorstehende heutige Verabschiedung des Integrationsgesetzes im Deutschen Bundesstag stößt bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe auf Kritik und Besorgnis. „Für die Integrationsbemühungen vieler Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, bedeutet dieses Gesetz einen Rückschlag“, erklärt der Flüchtlingsexperte der Diakonie RWL, Dietrich Eckeberg. „Es enthält nur wenige Maßnahmen, die die Teilhabe geflüchteter Menschen an unserer Demokratie und Gesellschaft fördern, aber viele Sanktionen, die Misstrauen säen und damit kontraproduktiv für die Integration sind.“

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Das Gesetz erweckt nach Ansicht der Diakonie RWL den völlig falschen Eindruck, der Großteil der geflüchteten Menschen verweigere aktive Integration. „In unserer Flüchtlingsarbeit beobachten wir genau das Gegenteil“, so Eckeberg. So bemühten sich viele Asylsuchende direkt nach ihrer Ankunft in Deutschland darum, die deutsche Sprache zu lernen und zu arbeiten. Doch die Plätze in den Sprachkursen reichten bei Weitem nicht aus. Allein in NRW fehlen laut Deutschem Gewerkschaftsbund und Wirtschaftskammern rund 45.000 Basissprachkurse. „Viele Flüchtlinge sind gekränkt, wenn sie jetzt im Bescheid der Bewilligung eines Kurses lesen, dass ein Abbruch zu Leistungskürzungen führt.“

Auch eine mangelnde Mitwirkung am Asylverfahren kann laut Gesetz künftig sanktioniert werden. In Nordrhein-Westfalen warten laut Eckeberg noch weit über 100.000 Flüchtlinge in den Städten darauf, durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) registriert zu werden. „Diesen von Integrationsmaßnahmen ausgeschlossenen Menschen damit zu drohen, dass ihnen das Bargeld gekürzt wird, mit dem sie zum Bespiel Anwaltskosten, den öffentlichen Nahverkehr oder ihre Telekommunikation begleichen, ist geradezu absurd.“

Der Flüchtlingsexperte kritisiert zudem die vorgesehene Wohnsitzauflage. Nur eine gute Integrationspolitik könne das Entstehen von sozialen Brennpunkten verhindern, so Eckeberg, nicht ein bürokratisches System, das Strafen vorsehe und Flüchtlingen die Möglichkeit nehme, sich selbstbestimmt und mit Unterstützung ihrer sozialen Netzwerke wirtschaftlich und sozial auf eigene Beine zu stellen. Eckeberg appelliert daher an die Landesregierung, bei der Umsetzung der Wohnortzuweisung zumindest humanitäre Aspekte zu berücksichtigen. „Die Einheit der Familie, aber auch die individuelle Situation - etwa der vorhandene Kitaplatz, der Minijob oder die besondere Schutzbedürftigkeit aufgrund einer Behinderung oder Traumatisierung - müssen zur Geltung gebracht werden können.“

Die Verknüpfung von staatlich geförderten Integrationsangeboten wie Sprachkursen Deutsch, Wohnungen, Ausbildungs- oder Arbeitsförderung an eine „gute Bleibeperspektive“ anhand der Staatszugehörigkeit ist laut Eckeberg nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention, internationalen Menschenrechtsstandards und dem Europarecht vereinbar. „Aus unserer Flüchtlingsberatung wissen wir, dass es entgegen der pauschalen politischen Bewertung, die sich auf die Herkunft aus vier zufällig ausgewählten Staaten bezieht, individuelle Anerkennungsgründe für Geflüchtete etwa aus Afghanistan oder Somalia durchaus zu einem langfristigen Aufenthalt in Deutschland führen.“

Für Presseanfragen steht Dietrich Eckeberg gerne zur Verfügung. Gespräche vermittelt Sabine Damaschke, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Telefon 0211 6398-286, E-Mail s.damaschke@diakonie-rwl.de.