Pilgern mit Flüchtlingen
Mit der Pilgerwanderung für den Frieden knüpft Pfarrer Jean-Gottfried Mutombo vom Amt für Mission, Ökumene und Weltmission (MÖWe) an eine alte Tradition an. Der Pilgerweg spielt eine entscheidende Rolle für den Westfälischen Frieden, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete. Was wussten die Pilger darüber?
Der Großteil unserer Gruppe, die aus rund 80 Leuten bestand, wusste, dass in Osnabrück und Münster die Friedenverträge unterzeichnet wurden, die den Dreißigjährigen Krieg und den 80-jährigen Unabhängigkeitskrieg der Niederlande beendeten. Aber die meisten – und dazu gehöre ich auch – wussten nicht, dass diese Friedensverträge, die zu einer Neuordnung Europas führten, in vielen Teilverhandlungen entlang des Weges entstanden sind. Auf dem 74 Kilometer langen Weg waren ständig Boten unterwegs, um die Ergebnisse weiterzugeben. Daran erinnern Wegmarkierungen und Informationstafeln. Wir hatten übrigens einen 67-jährigen Rentner aus Schweden dabei, der extra aus Uppsala mit dem Zug angereist war. Er wusste, dass damals auch Boten aus Schweden und Polen den Pilgerweg genutzt hatten. An diese Tradition wollte er anknüpfen.
Pfarrer Jean-Gottfried Mutombo (Mitte) hält die regenbogenfarbene Friedensfahne in der Pilgergruppe hoch.
Das gemeinsame Pilgern sollte nicht nur ein Zeichen für Frieden setzen, sondern ihn auch in der Begegnung mit Menschen unterschiedlicher Herkunft erlebbar machen. Ist das gelungen?
Auf jeden Fall. Wir haben in den drei Tagen der Wanderung viele Gespräche darüber geführt, wie ein friedliches Miteinander aussehen kann und sollte. Unsere Gruppe bestand aus Menschen verschiedener Generationen und Professionen, die aus Deutschland, Syrien, dem Iran, dem Irak, Afghanistan und Afrika stammten. An verschiedenen Stationen gab es bei Kaffee und Kuchen Gelegenheit zum Austausch mit geflüchteten Menschen, die in der Region leben. Viele kamen aus Syrien, kennen also Krieg, Gewalt und Zerstörung und sind unglaublich froh, in Deutschland in Frieden leben zu können. Die meisten sprachen gut Deutsch, nahmen aktiv am sozialen Leben in den Dörfern teil und verdienten ihr eigenes Geld. Aber sie wünschten sich, qualifizierte und sinnvolle Tätigkeiten zu finden, zum Beispiel als Altenpfleger oder Erzieherin.
Rast im Heimatmuseum Ladbergen. Von hier sind die Vorfahren des berühmten US-Astronauten Neil Armstrong ausgewandert.
War der erstarkte Rechtspopulismus in Deutschland kein Thema?
In den Gesprächen mit den Flüchtlingen vor Ort spielte er kaum eine Rolle. Die meisten sind dankbar, dass Deutschland sie aufgenommen hat und wollen sich nicht negativ äußern. Aber unter den vielen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern, die der Pilgergruppe angehörten und die wir auch in den Bürger- und Pfarrhäusern unterwegs getroffen haben, war das natürlich ein Thema. Alle sind hochgradig besorgt über den rauen Ton und die rigide Politik, wenn es um Flüchtlinge geht. Viele haben davon berichtet, dass sie sich für ihr Engagement im Freundes- und Bekanntenkreis rechtfertigen müssen. Die Angst vor einer Spaltung unserer Gesellschaft, einer zunehmenden Radikalisierung und dem Verlust demokratischer Werte treibt alle um.
Denkmal für den "jauchzenden Boten". Er soll damals auf die Felder gerannt sein und den Bauern verkündet haben, dass endlich Frieden ist.
Was wollen die Pilger dagegen tun?
Wir haben auf unserer Wanderung viel darüber diskutiert, welchen Beitrag wir für ein friedliches Zusammenleben leisten können. Sich für geflüchtete Menschen einzusetzen und nicht zu schweigen, wenn sie ausgegrenzt werden, ist sicher wichtig. Aber wir müssen auch von unten Druck machen, damit unsere demokratischen Parteien sich stärker für ein friedliches und sozial gerechtes Deutschland und Europa einsetzen. Die Ressourcen sind auf dieser Welt extrem ungleich verteilt. Das können wir nur ändern, indem wir mehr von unserem Wohlstand abgeben. Das gilt für jeden einzelnen wie auch für unseren Staat. Mit unserem gemeinsamen Pilgern für Frieden wollten wir ein Zeichen setzen. Jetzt wünsche ich mir, dass aus dieser Aktion eine Bewegung wird.
Am Ende des dreitägigen Pilgerweges hat jeder einen Pilgerstempel bekommen.
Wie könnte eine solche Pilger-Friedensbewegung aussehen?
Pilgern ist sehr modern geworden. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass wir noch mehr Mitstreiter finden. Pfarrer Jean-Gottfried Mutombo hat unsere Aktion mit einem Fluss im Kongo verglichen, an dem er aufgewachsen ist. Er entspringt einer völlig unscheinbaren Quelle, wird an manchen Stellen aber mehr als 20 Kilometer breit. Den Wunsch nach Frieden und Teilhabe haben ganz viele Leute. Wenn wir den Pilgerweg so gestalten, dass er inklusiv wird, also auch Menschen mit Behinderung, Alte und Kinder daran teilnehmen, können wir eine richtig große Gemeinschaft werden, die auch überregional wahrgenommen wird. Wir sollten uns als Diakonie RWL mit unseren vielen großen Einrichtungen daran beteiligen und dafür einsetzen.
Das Gespräch führte Sabine Damaschke.
Fotos: Tuve von Bremen
Flucht Migration Integration
Der 2. Westfälische Friedenspilgerweg fällt coronabedingt aus. Stattdessen soll dieser im kommenden August 2021 stattfinden, wie das Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Verantwortung berichtet. (Stand: 21.08.2020)