Flüchtlingshilfe auf Lesbos
Keine zwei Wochen ist es her, da stand Ioanna Zacharaki vor dem Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Den Geruch hat sie immer noch in der Nase. Ein dicker, schwarzer Schlauch lag vor dem Eingang: die Abwasserleitung des Camps, in dem derzeit über 10.000 geflüchtete Menschen leben. "Die Zustände dort sind eine Katastrophe. Es riecht sehr unangenehm." Kein Wunder, wenn in einem Lager, das für 3.000 Menschen gebaut wurde, über 10.000 Migranten aus vielen verschiedenen Ländern zusammengepfercht leben müssen.
Täglich setzen wieder Flüchtlinge aus der Türkei auf die griechische Insel über. An Ioanna Zacharakis letztem Besuchstag auf Lesbos kamen 13 Boote mit über 500 Menschen an, darunter 200 Kinder. "Für sie ist es besonders schlimm, in dem überfülltem Camp leben zu müssen", sagt die Migrationsexpertin der Diakonie RWL. Seit fünf Jahren setzt sie sich mit ihrem Ehemann Konstantin Elefheriadis vom Diakonischen Werk Solingen ehrenamtlich für die Flüchtlingshilfe auf Lesbos ein. Beide leiten ein Hilfsprojekt, das mit Spendengeldern auch die Arbeit des Vereins "Syniparxi" unterstützt, der sich um allein reisende minderjährige Flüchtlinge im Lager kümmert.
Wirkt wie ein Gefängnis: das Camp Moria
Ausschreitungen im Flüchtlingslager
Wie explosiv die Situation ist, zeigte sich vor einigen Tagen, als es zu gewalttätigen Protesten von Jugendlichen kam, die aufs Festland gebracht werden wollten. Weil die Bearbeitung ihrer Asylanträge nur schleppend vorangeht, sitzen viele Flüchtlinge schon seit zwei oder sogar mehr Jahren auf der Insel fest – in einem Registrierungscamp, das von Anfang an zu klein war. Die Flüchtlinge wohnen in Zelten rund um das Lager oder schlafen auf dem Boden. Die hygienischen Zustände sind mehr als prekär.
Im Verein "Syniparxi" engagieren sich rund 40 ehrenamtliche Griechinnen und Griechen für die geflüchteten Kinder und allein reisenden Jugendlichen. Jeden Tag besuchen sie mittlerweile das völlig überfüllte Camp, um die jungen Menschen zu Ausflügen einzuladen und ihnen in einem eigenen Bildungszentrum Englisch- und Griechischunterricht zu geben oder Computerschulungen anzubieten. Sie begleiten rund 200 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, viele kommen aus Afghanistan.
Eine Spende für Syniparxi: Horst Koss, ehemaliger Geschäftsführer der Diakonie in Solingen (Mitte) überreicht einen Scheck über 7.000 Euro an die Vorsitzende des Vereins, Iva Frangou. Mit dabei: Ioanna Zacharaki (2. v.r.)
Hauptsache nicht zurück
"Ich war erstaunt, wie gut die Jugendlichen Griechisch sprachen, die ich dort kennengelernt habe", erzählt Ioanna Zacharaki. "Viele wollen weiter nach Deutschland oder Schweden, aber sie lernen Griechisch, weil sie damit rechnen, dass sie dort bleiben." Denn alles sei besser als wieder zurück in die Kriegsgebiete geschickt zu werden. "Es ist beeindruckend, was die Ehrenamtlichen von Syniparxi dort leisten."
Immer wieder hat Ioanna Zacharaki Spenden für die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit auf der Insel gesammelt, auf der ihr Ehemann geboren wurde. Regelmäßig reist die Griechin nach Lesbos und informiert in Deutschland über die dortige Situation. Sie appelliert an deutsche Politiker, sich in der Europäischen Union dafür stark zu machen, dass Griechenland mit der Registrierung und Unterbringung der vielen Flüchtlinge nicht alleine gelassen wird.
Ioanna Zacharaki mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Bürgerfest in Berlin
Bürgerfest des Bundespräsidenten
Für ihr ehrenamtliches Engagement auf Lesbos und in der werteorientierten Bildungsarbeit hatte sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kürzlich zu seinem Bürgerfest in Berlin eingeladen. Rund 4.000 Ehrenamtliche aus ganz Deutschland waren gekommen.
Ioanna Zacharaki nutzte die Gelegenheit nicht nur für ein Selfie mit dem Bundespräsidenten. Sie machte ihn auch auf die prekäre Situation auf Lesbos aufmerksam. "Er hat mir aufmerksam zugehört", erzählt sie. "Ich hoffe natürlich, dass daraus auch etwas folgt."
Schnell noch ein Schnappschuss auf dem Bürgerfest: Ioanna Zacharaki mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm (Mitte) und Ehemann Konstantin Elefheriadis
Für eine andere Flüchtlingspolitk
Ein längeres Gespräch konnte sie dafür mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, führen. Er fordert einen Mechanismus, mit dem aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge in der Europäischen Union verteilt werden können. Das sei eine Frage der Ehre und Würde Europas, betont er. Der Theologe setzt sich – wie Ioanna Zacharaki - für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik ein.
"Kirche und Diakonie sollten sich stärker einmischen, wenn es um das Thema Seenotrettung und die europäische Flüchtlingspolitik geht", sagt Ioanna Zacharaki. Die Bewohner von Lesbos hätten seit 2015 viel geleistet und Belastungen ertragen. Viele fühlten sich ausgelaugt, erschöpft und resigniert. "Es kann nicht sein, dass sich die Welt für immer darauf verlässt, dass die Menschen auf Lesbos und an der Peripherie Europas das alleine schaffen."
Text. Sabine Damaschke, Fotos: Ioanna Zacharaki
Spendenkonto:
Diakonisches Werk des Ev. Kirchenkreises Solingen
Stichwort "Lesvos"
Stadtsparkasse Solingen
IBAN: DE 45 3425 0000 0000 028803