Flüchtlingshilfe auf Lesbos
Ioanna Zacharaki mit ehrenamtlichen Helferinnen des Bildungszentrums "Mosaik"
Seit einer Woche sind sie wieder auf der Insel Lesbos unterwegs, um Hilfsprojekte für Flüchtlinge zu besuchen, die Sie seit drei Jahren mit kirchlichen, diakonischen, privaten und Stiftungsgeldern unterstützen. Was wird derzeit gebraucht?
Während wir 2015 und 2016 mit Spendengeldern vor allem Essenspakete und Medikamente für Flüchtlinge finanziert und die Unterkunft PIKPA unterstützt haben, liegt der Fokus jetzt stärker auf der Bildungsarbeit. Ich schaue mir hier verschiedene Projekte des Bildungszentrums "Mosaik" sowie des gemeinnützigen Vereins "Syniparxi" an, deren ehrenamtliches Engagement für Kinder und Jugendliche wir fördern. Uns geht es darum, den geflüchteten Kindern, Jugendlichen und Familien eine Perspektive für ein neues Leben zu geben. Es ist wichtig, dass sie die Hoffnung nicht aufgeben, Asyl zu erhalten und von Lesbos aus in ein europäisches Land zu kommen.
Wirkt wie ein Gefängnis: das Camp Moria
Genau das hat die Europäische Union Griechenland ja immer wieder versprochen. Dennoch sitzen noch rund 8.000 Flüchtlinge auf Lesbos fest, die meisten von ihnen im Camp Moria. Warum ändert sich die Flüchtlingssituation kaum?
Anstatt einer nachhaltigen europäischen Regelung in der Flüchtlingsthematik hat die EU Geld für schnelle Verfahren und deutlich mehr Mitarbeiter versprochen, die über die Asylanträge entscheiden. Es sollte mehr Gelder für den Ausbau des Camps, Verpflegung und medizinische Versorgung geben. Doch es dauert unendlich lange, bis davon etwas ankommt. Diese gewollte Politik mit dem Bürokratiewahnsinn frustriert die Menschen vor Ort. Die Bewohner der Insel vermuten inzwischen, dass all das mit Absicht geschieht, um Flüchtlinge davon abzuhalten, nach Europa zu fliehen. Sie sollen sehen, dass es sich nicht lohnt, auf illegalen Fluchtwegen nach Griechenland zu kommen.
Doch diese Politik der Abschreckung scheint bisher nicht zu funktionieren.
Es kommen zwar längst nicht mehr so viele Menschen nach Lesbos wie zu Beginn der Flüchtlingskrise vor drei Jahren. Doch seit Beginn des Jahres sind wieder fast 3.000 Menschen über die Türkei hierher geflohen. Täglich landen Fischerboote voller Flüchtlinge. Alle werden nach Moria gebracht und dort registriert. In einem Lager, das für knapp 3.000 Menschen angelegt ist, leben derzeit knapp 6.000. Die desolaten Zustände sorgen für Aufstände und Gewaltausbrüche. Es gab Selbstmordversuche. Bei solchen Rahmenbedingungen sind die Probleme vorprogrammiert, obwohl die Akteure vor Ort im Camp und außerhalb alles Mögliche versuchen. Die EU-Regelung, alle Geflüchtete in der Peripherie Europas zu verwalten und fern von Europa zu halten, sowie Griechenlands Bürokratie erschweren die Arbeit vor Ort.
Stavros Myrogiannis (Mitte), Leiter des Lagers Kara Tepe, und seine drei Mitarbeiterinnen haben Ioanna Zacharaki die Flüchtlingsunterkunft gezeigt.
Wann haben die Flüchtlinge Aussicht darauf, das Lager Moria zu verlassen?
Wenn sich abzeichnet, dass der Asylantrag erfolgreich ist, dürfen die Flüchtlinge auch in andere Unterkünfte verlegt werden. Ich habe mir gerade das Lager Kara Tepe angesehen, in dem 1.200 Menschen leben, davon 700 Kinder. Dort geht es den Flüchtlingen viel besser. Wer hierher kommt, schöpft wieder Hoffnung und kann Ideen entwickeln, wie er seinen Lebensunterhalt in Europa verdienen will. Hier setzt das Bildungszentrum "Mosaik" an. Es organisiert Sprach- und Computerkurse sowie eine Schmuck- und Nähwerkstatt. Die Taschen, die dort entstehen, werden bereits über das Internet verkauft und sichern zwei Schneidern den Arbeitsplatz. Die Projekte des Zentrums würde ich künftig gerne mit Spendengeldern unterstützen.
Im letzten Jahr haben Sie vor allem die Arbeit des Vereins "Syniparxi" gefördert, der sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Camp Moria kümmert. Werden Sie das weiterhin tun?
Auf jeden Fall. Ohne die privaten Spenden und die Fördergelder der Reinold-Keppler-Stiftung sowie der UNO-Flüchtlingshilfe, die wir organisiert haben, könnte der Verein diese Arbeit nicht leisten. Die ehrenamtlichen Helfer kümmern sich um rund 200 Kinder und Jugendliche. Sie machen regelmäßig Ausflüge mit ihnen, renovieren gemeinsam Unterkünfte und organisieren Computerkurse. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie stark die Hilfsbereitschaft der Einwohner ist, obwohl sie selbst nicht viel zum Leben haben. Alle sind wütend über die Flüchtlingssituation auf ihrer Ferieninsel, aber diese Wut lassen sie nicht an den geflüchteten Menschen aus.
Neues Wahrzeichen der Insel: Seit einem Jahr gibt es auf Lesbos das Denkmal für Menschlichkeit.
Haben die Bewohner von Lesbos noch Hoffnung, dass sich etwas an ihrer Situation ändert?
Sie hoffen jedenfalls nicht mehr auf die Behörden oder die Politiker in der Europäischen Union. Sie sagen: "Die Welt hat uns vergessen." Alle wünschen sich Frieden und Ruhe. Doch das ist nur möglich, wenn insbesondere die Menschen aus Syrien nicht mehr vor dem Krieg fliehen müssen. Die Griechen hier verstehen nicht, warum es keine großen Proteste und Friedensmärsche in den EU-Staaten gibt. Sie warten darauf, dass Europa wieder ein menschliches Gesicht zeigt.
Das Gespräch führte Sabine Damaschke.
Spendenkonto:
Diakonisches Werk des Ev. Kirchenkreises Solingen
Stichwort "Lesvos"
Stadtsparkasse Solingen
IBAN: DE 45 3425 0000 0000 028803