Flüchtlingshilfe - Gute Beispiele
Flüchtling
Seinen Namen hat er mit arabischen Schriftzeichen an die Tür geschrieben. Seit fast einem Jahr lebt Abraham in einer Wohngruppe für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge im Clearinghaus Völklingen. Seine Schuhe stehen sauber und ordentlich aufgereiht in einem Regal. Die Turnschuhe, die er auf der zweimonatigen Flucht von Eritrea bis nach Saarbrücken trug, sind längst zerschlissen. Doch seine zerfledderte Käppi hat er aufbewahrt. Sie hängt an der Wand.
Ein paar Poster, Bücher und Pflanzen – In Abrahams aufgeräumtem Zimmer erinnert wenig an seine alte Heimat. Woher auch, auf die Flucht hat er nichts Großes mitnehmen können. Deutschland ist ein Neuanfang, den seine Familie bewusst für ihn gewählt hat. „Mir gefällt es hier gut“, sagt der 18-jährige Jugendliche und lächelt. „Ich möchte in Deutschland bleiben, den Realschulabschluss machen und dann einen guten Job finden.“ Mit dem Geld will er seine Familie in Eritrea unterstützen.
Jugendliche Flüchtlinge als Hoffnungsträger
Plakat Diakonie
„Viele Jugendliche kommen mit einem klaren Auftrag nach Deutschland“, erzählt Pädagogin Steffi Grönitz, die das Clearinghaus leitet. „Die ganze Familie hat Geld für die Schlepper zusammengelegt, damit ein Sohn nicht nur sich selbst, sondern auch die Familie rettet, indem er ihr Geld aus Europa schickt.“ Dies sei auch ein Grund dafür, dass nur wenig Mädchen im Clearinghaus landen, so Grönitz. „Seit der Eröffnung hatten wir nur zwölf weibliche unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die dann aber direkt in eine Wohngruppe gekommen sind.“
jugendlicher Flüchtling
Abraham flüchtete gemeinsam mit Freunden aus Eritrea. Andere waren mit ihren Familien unterwegs, haben sie aber während der Flucht verloren. Fast alle Jugendlichen bringen tragische Geschichten mit nach Völklingen: Sie wurden auf der Flucht verhaftet, misshandelt, von Angehörigen getrennt oder mussten gar mit ansehen, wie Familienangehörige erschossen wurden.
Zufällig im Saarland gestrandet
In Saarbrücken stranden die meisten jugendlichen Flüchtlinge eher zufällig. Sie sind von Afghanistan, Eritrea, Syrien oder Libyen über Italien nach Frankreich geflüchtet. Von Paris aus besteigen dann viele den Zug nach Deutschland, um in die großen Städte, etwa nach Frankfurt oder Hamburg, weiterzureisen. Die Bundespolizei greift sie meist an der Grenze auf und bringt sie in das Clearinghaus, das vom Diakonischen Werk an der Saar, SOS-Kinderdorf Saarbrücken und der Partnerschaftlichen Familienhilfe betrieben wird. Die meisten bleiben. Mit gutem Grund.
Steffi Grönitz, Volker Bourgett
„Nach Monaten der Flucht erleben die Flüchtlinge hier erstmals eine jugendgerechte Unterbringung“, betont Volker Bourgett, Abteilungsleiter des Jugendhilfeverbundes der saarländischen Diakonie. Bis zu 32 ausschließlich männliche Jugendliche leben jeweils zwischen drei und sechs Monate in der Völklinger Einrichtung. Danach werden sie in Wohngruppen vermittelt. Eine von ihnen befindet sich direkt im Haus. 14 Mitarbeiter, darunter Erzieher, Pädagogen und Psychologen, betreuen die Jugendlichen im Clearinghaus.
Deutschunterricht vom ersten Tag an
Sie sorgen dafür, dass die Jugendlichen neben Unterkunft, Verpflegung und medizinischer Betreuung auch Hilfe bei Behördengängen und der Klärung ihres Aufenthaltsstatus bekommen. Anders als in den allgemeinen Erstaufnahmeeinrichtungen besuchen die jungen Flüchtlinge vom ersten Tag an Deutschkurse. Je nach Schulbildung und Sprachniveau nehmen sie in sogenannten Weltklassen für Flüchtlinge oder Regelklassen der umliegenden Schulen am Unterricht teil.
Außerdem organisieren die Mitarbeiter gemeinsam mit Sportvereinen vor Ort Freizeitangebote und helfen den Flüchtlingen, sich im deutschen Alltag zurechtzufinden. „Dabei ist das Essen immer wieder ein großes Thema“, sagt Erzieher Jens Uhl. „Die deutschen Gerichte sind für viele Jugendliche doch sehr gewöhnungsbedürftig.“
Großes Interesse an Integration
Meine Flucht aus der Heimat
Das Clearinghaus in Völklingen gibt es bereits seit vier Jahren. Rund 500 Jugendliche wurden dort seitdem betreut. Vor einem Jahr richtete das Diakonische Werk an der Saar in einem angemieteten Haus des Sozialverbandes VdK noch ein weiteres Clearinghaus in Besseringen bei Merzig mit weiteren 30 Plätzen ein. Denn der Bedarf steigt. Derzeit, so berichtet Volker Bourgett, werden 350 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in den beiden Häusern und in Wohngruppen betreut. Tendenz steigend.
Die Integration der überwiegend männlichen jugendlichen Flüchtlinge gelinge gut, erzählt der Sozialpädagoge. „Im Saarland haben wir ein großes Demografieproblem und sind dringend auf Nachwuchs angewiesen, deshalb freuen sich Schulen, Handwerksbetriebe und Wirtschaftskammern über den Zuzug der jugendlichen Flüchtlinge.“ Viele finden laut Bourgett recht schnell einen Ausbildungsplatz.
Zurück in die Heimat will fast kein Jugendlicher, aber Heimweh haben alle. Die erste Anschaffung in Deutschland sei daher ein gutes Handy, um mit der Familie in Verbindung zu bleiben, erzählt Erzieher Jens Uhl. Auch Abraham trägt sein Handy immer in der Hosentasche. Es ist der wichtigste Gegenstand in seinem neuen Leben in Deutschland.
Sabine Damaschke