Ehrenamtliche Flüchtlingshilfe
Ute Clevers
Rund 100 freiwillige Flüchtlingshelfer saßen im vergangenen Jahr in den Fortbildungen, die die Diakonie Düsseldorf regelmäßig für Ehrenamtliche anbietet. "Wir hatten Probleme, genug große Räume dafür zu finden", so Ute Clevers, Ehrenamtskoordinatorin in der Evangelischen Flüchtlingsberatung. Seit Januar organisiert sie die Seminare nur noch für 5 bis 10 Ehrenamtliche. "Wir spüren deutlich, dass sich die Stimmung im Land seit den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht gedreht hat."
Der "Hype" um die Flüchtlinge ist vorbei. Darin waren sich die 35 Ehrenamts-Koordinatoren der Diakonie RWL und der Evangelischen Kirche im Rheinland Kirche einig, die sich jetzt zu einem Erfahrungsaustausch in der Diakonie RWL getroffen haben. Nicht überall sind die Anfragen neuer Ehrenamtlicher so stark zurückgegangenen wie in Düsseldorf. In Köln oder Essen wollen sich noch immer sehr viele Menschen engagieren. Doch es ist Ernüchterung eingetreten. Die Unterkünfte leeren sich, weil deutlich weniger Flüchtlinge nachkommen und viele abgeschoben werden. Das verändert auch die Arbeit.
Elena Lind Vietma
Nachhaltige Flüchtlingshilfe gefragt
"Wir machen jetzt bedarfsgerechtere Angebote, etwa indem wir Sprachkurse für Mütter mit gleichzeitiger Kinderbetreuung organisieren", erzählte Ute Clevers. Nun also sind Helfer gefragt, die sich längerfristig und verantwortlicher engagieren. Statt Betten in Notunterkünften aufzubauen und Essenspakete zu verteilen, geht es verstärkt darum, Flüchtlingsfamilien zu Behörden und Ärzten zu begleiten, Sprachunterricht zu organisieren und bei der Wohnungssuche zu helfen. Günstigen Wohnraum zu finden, sei die große Herausforderung der kommenden Jahre, betonte Elena Lind Viedma von der Evangelischen Migrations- und Flüchtlingsarbeit Bonn.
Immer mehr Ehrenamts-Koordinatoren setzen deshalb auf Patenschaften. Doch nicht alle freiwilligen Helfer eignen sich dafür. "Es gibt Paten, die sind ständig in den Flüchtlingsfamilien und nehmen ihnen alles ab. Dabei sollten sie die Menschen zu einem eigenständigen Leben in Deutschland befähigen", berichtete Carlos Stemmerich von der Diakonie Michaelshoven. Andere kämen nur schlecht damit zurecht, dass "ihre" Familien wieder abgeschoben würden, erzählten andere Koordinatoren.
Diakonie RWL-Referentin Karen Sommer-Loeffen hat an der Handreichung mitgeschrieben.
Das "Evangelische" im Ehrenamt
"Sich ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren, ist eine hochkomplexe Tätigkeit", betonte Karen Sommer-Loeffen, Referentin für Ehrenamt in der Diakonie RWL. Ehrenamtliche müssten die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz finden, Sprachbarrieren überwinden und auch mit kulturellen Verschiedenheiten umgehen können. Es sei also wichtig, sie intensiv zu begleiten, aber auch sorgfältig auszuwählen und fortzubilden. Karen Sommer-Loeffen gab den Ehrenamts-Koordinatoren daher Checklisten für das Erstgespräch, Hinweise auf Unterstützungsmöglichkeiten und Handlungsempfehlungen.
Vor allem müsse klar sein, dass die ehrenamtliche Tätigkeit eine "Auftragsarbeit der evangelischen Kirche und Diakonie" sei, ergänzte Pastorin Barbara Montag von der Diakonie RWL, die auch für die Ehrenamts-Koordination in der Flüchtlingshilfe zuständig ist. "Wir sind evangelisch und stehen daher für bestimmte Werte und Standards - vom Menschenbild bis hin zum Versicherungsschutz." Gemeinsam mit der Evangelischen Kirche im Rheinland arbeite die Diakonie RWL gerade daran, diese Standards für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit zusammenzufassen und zu veröffentlichen, kündigte Barbara Montag an. "Das ist auch deshalb sinnvoll, weil viele freiwillige Helfer bislang mit Kirche und Diakonie nicht viel zu tun hatten."
Veranstalter der Tagung: Rafael Nikodemus (rheinische Kirche) und Barbara Montag (Diakonie RWL)
Buntes, engagiertes Völkchen
Einen Nachteil sehen die meisten Koordinatoren darin aber nicht. "Ich bin seit 37 Jahren Pfarrer und habe noch nie ein so buntes, engagiertes Völkchen in der Ehrenamtsarbeit erlebt wie heute", erzählte Heiko Dringenberg vom Kirchenkreis Dinslaken. Junge und ältere Menschen, Frauen und Männer, Studenten und Rentner arbeiten in Flüchtlingsunterkünften, Begegnungscafés und als Paten Hand in Hand. Überwiegend handelt es sich, so die Beobachtung der Koordinatoren, um einen "gut situierten und politisch interessierten Mittelstand". Viele fragten daher auch nach der Position von Kirche und Diakonie zur Flüchtlingspolitik und wünschten sich eine "lautere Stimme", so Marcus Franke von der Diakonie Wuppertal.
Aktueller Terminhinweis: Am 13. November 2016 laden Diakonie RWL und die Evangelische Kirche im Rheinland zu einem großen Ehrenamtstag ins Bonner Brückenforum ein. Die Einladung wird über die Kirchenkreise und Diakonischen Werke versandt.