Austausch mit Integrationsstaatssekretärin
Serap Güler
Von vier Säulen der Integrationspolitik, Rückführungen abgelehnter Asylbewerber, langjährigen Duldungen bis hin zur Wertevermittlung reichten die Themen, die Serap Güler in ihrem Austausch mit den Mitgliedern der Servicegruppe Flucht der Diakonie RWL ansprach. "Wichtig ist mir bei allen Aspekten der Integrationspolitik, dass wir künftig nicht mehr zwischen Migranten und Flüchtlingen trennen", betonte sie. "Auch wenn beide Gruppen spezifische Bedürfnisse haben, müssen sie doch ähnliche Herausforderungen bewältigen."
Die Projekte ihres Ministeriums sollten deshalb künftig weniger zwischen Migranten aus Drittstaaten, der Europäischen Union und Flüchtlingen unterscheiden. Das 2017 neu gegründete Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) verstehe Integration als eine gesellschaftliche Querschnittaufgabe. "Hier fließen die vier Säulen unserer Integrationspolitik zusammen", so die 37-jährige CDU-Politikerin, "Sprache, Bildung, Arbeit und Wertevermittlung". Ein erster Schritt dorthin ist für sie der neue Zuschnitt ihres Ministeriums. Dort sitzen die Abteilungen Flucht und Asyl sowie Integration unter einem Dach zusammen.
Kritik der Diakonie an Landesunterkünften
Güler räumte ein, dass dies durchaus ein Balanceakt sein könne. "Es ist nicht leicht, Integration auch mit Abschiebung zu verbinden und das in einem Haus zu denken", sagte sie. Die politischen Diskussionen über Rückführungen bezeichnete die Staatssekretärin als "unglücklich". Sie erweckten den Eindruck, dass alle Asylbewerber mit schlechter Bleibeperspektive zurück in ihre Herkunftsländer geführt werden könnten. Dabei gebe es rund 50.000 geduldete Flüchtlinge, über 8.000 von ihnen befänden sich schon seit mehr als zehn Jahren im Duldungsstatus. "Das ist unmenschlich. Dafür müssen wir schnell eine Lösung finden", betonte sie. Offen ließ Güler allerdings, ab wann eine Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge gelten soll.
Serap Güler mit Diakonie RWL-Vorstand Thomas Oelkers
Die Kritik der Diakonie-Referenten an den Landesunterkünften, in denen alle Flüchtlinge bis zum Ende ihres Verfahrens monatelang - möglicherweise bis zu zwei Jahre - warten müssen und keinerlei Integrationsangebote erhalten, wies die Staatssekretärin zurück. Viele Kommunen seien strikt dagegen, Flüchtlinge aufzunehmen, deren Aussichten auf ein erfolgreiches Asylverfahren schlecht sind. Ebenso ist es laut Güler nicht möglich, wenigstens den Kindern und Jugendlichen in den Landesunterkünften einen Schulbesuch in der jeweiligen Kommune zu ermöglichen, in der sich die Aufnahmeeinrichtung befindet. "Das macht keine Kommune mit."
Knackpunkte Schulpflicht und Ausbildungsduldung
Allerdings sprach sich die Staatssekretärin dafür aus, Bildungsangebote in den Landesunterkünften einzurichten, da ja grundsätzlich die Schulpflicht gilt. Hierzu wolle ihr Ministerium ab 2018 Modellprojekte vorstellen, kündigte Güler an. "Dabei möchten wir mit den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege und den Gewerkschaften zusammenarbeiten." Die Servicegruppe Flucht begrüßte dies, machte aber deutlich, dass damit das Recht der Kinder und Jugendlichen auf Bildung nicht erfüllt wird und die Integration der jungen Menschen deutlich erschwert ist.
Offen blieb im Gespräch auch, wie Flüchtlinge in den Landesunterkünften Kontakt zu Beratungsstellen der Flüchtlingshilfe, zu Anwälten bis hin zu lokalen Unternehmen knüpfen können. Etwa, um über eine Ausbildungsduldung eine berufliche Perspektive zu erhalten.
Serap Güler mit Susanna Thiel, Geschäftsführerin der Servicegruppe Flucht, sowie Vorstand Thomas Oelkers (l.) und Migrationsexperte Manfred Hoffmann
Laut Güler könnten die Kommunalen Integrationszentren grundsätzlich eine Anlaufstelle sein. Überhaupt wünscht sich die Staatssekretärin eine Stärkung dieser Zentren in den Städten und Gemeinden. Statt den Weg durch zahlreiche Behörden zu nehmen, etwa bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, sollten Migranten im Integrationszentrum direkt die richtige Anlaufstelle finden. "Das erfordert eine Aufstockung der Ressourcen und eine engere Zusammenarbeit mit den Integrationsagenturen."
Ausbau der Zusammenarbeit
Zum Schluss betonte die Staatssekretärin noch, wie wichtig ihr der Aspekt der Wertevermittlung beim Thema Integration ist. "Ich bin eine Verfechterin einer besonderen Form der Leitkultur", sagte Güler, "sehe darin aber einen gesamtgesellschaftlichen Prozess, an dem auch Menschen mit Migrationshintergrund mitwirken." Die Diskussion um gemeinsame Werte will die Staatssekretärin in einem Integrationsbeirat auf Landesebene führen. "An diesem Beirat wirken wir gerne mit", bekräftigte Manfred Hoffmann, Leiter des Geschäftsfeldes Flucht, Migration und Integration. Auch beim Vorhaben der Landesregierung, ein Konzept zur Flüchtlingsintegration zu erarbeiten, werde die Diakonie RWL mit jahrzehntelangen Erfahrung gerne beratend tätig werden.
Der Austausch mit Staatssekretärin Serap Güler bildete den Abschluss der Anfang 2016 gegründeten Servicegruppe Flucht. Über ein Jahr lang arbeiteten dort Referenten aus unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern – von der Kita über die Jugendhilfe bis zu den Kliniken – zusammen, um die vielfältigen Integrationsangebote für Geflüchtete besser zu vernetzen. Außerdem hat die Gruppe ein Positionspapier zu Flucht und Migration verfasst.
Text: Sabine Damaschke, Fotos: Christian Carls
Diakonie RWL-Interview zum Recht auf Bildung in Landesunterkünften
Positionspapier zu Flucht und Migration
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