Mehr Abschiebungen am Flughafen Düsseldorf
Dalia Höhne am Abflugschalter
Seit Frühjahr 2012 arbeitet Dalia Höhne als Abschiebebeobachterin am Düsseldorfer Flughafen. Dort hat sie ein kleines Büro, das auch manchmal als Schlafraum dient, denn viele Abschiebungen geschehen am frühen Morgen. Schnell räumt sie vor dem Gespräch noch ihre Matratze und einen Wassereimer in den Schrank.
Frau Höhne, gehören Übernachtungen am Flughafen zu Ihrem Job?
Nein. Ich habe zwar sehr flexible Arbeitszeiten, aber es erwartet niemand von mir, dass ich hier übernachte. Doch ich wohne in Köln und müsste öfter mitten in der Nacht losfahren, um bei einer Abschiebung dabei sein zu können. Daher habe ich mich hier ein bisschen häuslich eingerichtet. Mein Büro ist gemütlich und ruhig und die Matratze bequem. Schade ist nur, dass es hier keine Duschen gibt. Dafür habe ich den Wassereimer mitgebracht. Ihn nutze ich als eine Art Dusche in den Toilettenräumen. Eine Methode, die ich aus Afrika kenne. Dort habe ich während meines Studiums der Afrikanistik und sozialen Arbeit in Flüchtlingslagern in Äthiopien und Malawi gearbeitet. Ich bin es gewohnt zu improvisieren.
Die Menschenrechte immer im Blick: Dalia Höhne in ihrem Büro
Wie häufig sind Sie denn bei Abschiebungen dabei?
Derzeit finden ein- bis zweimal in der Woche sogenannte Sammelabschiebungen statt. Dabei handelt es sich um größere Gruppen von rechtmäßig abgelehnten Asylbewerbern, die in einer eigens dafür gecharterten Maschine zurück in ihre Heimatländer geflogen werden. Das geschieht meist sehr früh morgens, damit die Behörden der Zielländer die Flüchtlinge während ihrer Arbeitszeit in Empfang nehmen können. Hinzu kommen Einzelabschiebungen. Diese abgelehnten Asylbewerber werden dann mit Linienflügen zurückgeschickt. Seit dem Frühjahr 2015 ist die Zahl der Abschiebungen am Düsseldorfer Flughafen deutlich gestiegen. Bis Ende des Jahres rechnen wir mit rund 5.000 Abschiebungen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es unter 2.000.
Was genau ist Ihre Rolle bei den Abschiebungen?
Ich bin unabhängige Beobachterin und achte darauf, dass man bei Abschiebungen die Menschenrechte im Blick behält. Dazu gehört, dass Asylbewerber nicht abgeschoben werden, wenn ihr gesundheitlicher Zustand es nicht erlaubt, dass Familien möglichst nicht getrennt werden und es nicht zu unverhältnismäßigen Fesselungen kommt, wenn Widerstand geleistet wird. Als Beobachterin bin ich nicht berechtigt, eine Abschiebung zu verhindern, aber ich kann auf Missstände aufmerksam machen und zwischen allen Beteiligten vermitteln. Allein dadurch, dass ich dabei bin, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich alle an die Regeln halten. Oft erlebe ich auch, dass die Beamten über meine Anwesenheit froh sind, weil ich Ansprechpartner für die betroffenen Menschen bin.
Bei ihrer Abschiebung sind viele Flüchtlinge verzweifelt und geschockt
Foto: © ItinerantLens / Fotolia.com
Wie erleben Sie die Menschen, die hier am Flughafen angekommen, um in ihre Heimatländer oder in die Staaten zurückgeführt zu werden, die laut Dublin III-Verordnung für ihr Asylbegehren verantwortlich sind?
Fast alle sind verzweifelt, denn niemand geht gerne zurück. Schließlich haben sie ihre Heimatländer ja verlassen, um in Deutschland ein besseres Leben zu finden, Armut und Diskriminierung zu entkommen. Besonders schlimm ist es nach meiner Beobachtung für diejenigen, zu denen Mitarbeiter der Ausländerbehörde oder Polizei unangekündigt gekommen sind. Sie hatten dann in der Regel weniger als eine Stunde, um ihren Koffer zu packen, der ja auch nur 20 Kilo wiegen darf, und wurden direkt zum Flughafen gefahren. Theoretisch wissen die abgelehnten Asylbewerber natürlich, dass sie jederzeit mit ihrer Rückführung rechnen müssen und aus Angst, dass sie untertauchen könnten, nennen die Behörden bewusst keinen Termin. Aber wenn es dann plötzlich so weit ist, sind sie völlig überrumpelt und überfordert mit der Situation. Ich habe schon Menschen erlebt, die hier in Badeschlappen standen, die ihre Brille oder Medikamente vergessen hatten und kein Geld in der Tasche hatten.
Wie können Sie diesen Leuten helfen?
Ich kann ihnen ein sogenanntes Handgeld von rund 50 Euro auszahlen, damit sie sich in dem Land, in das sie abgeschoben werden, mit den notdürftigsten Dingen versorgen können. Ich nenne den Menschen oft Adressen von sozialen Organisationen oder Anwälten, die ihnen dort helfen. Was ich für die Menschen tun kann, ist nicht allzu viel, aber es trägt doch oft dazu bei, dass sie sich respektiert fühlen. Doch je mehr Menschen abgeschoben werden, umso schwieriger wird es für mich, diese Hilfe zu leisten. Insofern müssten meines Erachtens auch die Rahmenbedingungen für die Abschiebebeobachter verbessert werden.
Welche Veränderungen wünschen Sie sich?
Deutschland war der erste EU-Staat, in dem eine unabhängige Abschiebebeobachtung am Flughafen etabliert wurde – und zwar 2001 am Düsseldorfer Flughafen. Wir waren damals Vorreiter. Inzwischen gibt es im Rahmen eines sogenannten „Rückführungs-Monitoring“ europaweit Abschiebebeobachter. Wir liegen heute, was unsere rechtlichen Möglichkeiten anbelangt, nur noch im Mittelfeld. Denn unsere Beobachtung beschränkt sich auf den Flughafen. Wir dürfen nicht, wie Abschiebebeobachter anderer EU-Staaten, beim gesamten Ablauf der Rückführung von der Abholung bis hin zur Übergabe an die Behörden des jeweiligen Zielstaates dabei sein. Außerdem haben wir aus Datenschutzgründen keine Akteneinsicht. All das müsste geändert werden.
Dalia Höhne wünscht sich mehr Abschiebebeobachter
Warum passiert das nicht? Deutschland hat das Rückführungsmonitoring doch offiziell anerkannt.
Nach Ansicht des Bundesinnenministeriums erfüllt Deutschland die Vorgaben des Monitorings bereits, weil bei uns das Rechtsstaatsprinzip gilt und wir unabhängige Verwaltungsgerichte haben, bei denen gegen die Abschiebung Beschwerde eingelegt werden kann. Ich würde mir wünschen, dass die Rolle der Abschiebebeobachter hier gestärkt wird - und das bedeutet auch, mehr Personal einzustellen. Aktuell habe ich nur noch eine Kollegin am Flughafen in Berlin. In Frankfurt am Main übernimmt derzeit ein Seelsorger die Aufgaben der Abschiebungsbeobachtung. In Hamburg gibt es keinen Beobachter mehr. In München, wo auch sehr viele Abschiebungen stattfinden, hat noch nie jemand gearbeitet.
Wer ist eigentlich zuständig für die Stelle eines Abschiebebeobachters?
Die Stelle am Düsseldorfer Flughafen wurde 2001 durch Vertreter des NRW-Innenministeriums und der Bundespolizei eingerichtet. Angesiedelt ist sie bei der Diakonie RWL. Über meine Beobachtungen berichte ich dem Forum Flughäfen in NRW, dem neben der Diakonie noch die evangelische und katholische Kirche, amnesty international, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, der Flüchtlingsrat NRW, die Freie Wohlfahrtspflege, Pro Asyl sowie das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW, die Bundespolizei und die Zentralen Ausländerbehörden angehören. Diese Zusammenarbeit ist bundesweit einzigartig.
Das Gespräch führte Sabine Damaschke.
Dalia Höhne