6. Oktober 2014

Diakonie RWL-Fluchtexperte in der ARD

"Denken vom Flüchtling her"

Die Nachrichten über Misshandlungen und Missstände in Flüchtlingsunterkünften reißen nicht ab. „Verantwortungslose Flüchtlingspolitik“ war Thema des Tages im ARD-Morgenmagazin am 6. Oktober. Als Experte konnte Dietrich Eckeberg für die Diakonie RWL und die Landeskirchen Stellung nehmen. Er fordert ein „Denken vom Flüchtling her“ und nennt konkrete Schritte, die sofort eingeleitet werden können.

Denken vom Flüchtling her

Nordrhein-Westfalen war vorbereitet auf die Aufnahme von etwa 4.800 Flüchtlingen. Nun sind mehr als 1.000 mehr gekommen und müssen untergebracht werden. Steht die mangelnde Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung dem im Wege, fragte Moderatorin Anne Gesthuysen. Dietrich Eckeberg sieht das nicht so. In der Zivilgesellschaft gebe es viel Sympathie für die Menschen, die aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland kommen. Allerdings sei die Politik nicht vorbereitet. Die Qualitätsstandards der Betreuung sind selbst Experten wie ihm nicht bekannt. Eckeberg vermutet, dass die aktuellen Skandale nur die Spitze eines Eisbergs sind. Grundsätzlich müsse vom Asylrecht her gedacht werden, nicht aus der Perspektive von Verwaltung, lautet Eckebergs Grundforderung.

Auf die Frage der Moderatorin, wie die Standards der Unterbringung konkret aussehen sollen, betonte Eckeberg, dass sofort alle Flüchtlinge ein „gutes Dach über dem Kopf“ bräuchten. Da könnten auch Neubauten in Schlichtbauweise hilfreich sein. Das dürfe aber Mindeststandards nicht aushebeln. Flüchtlinge, die Schweres erlebt haben, etwa, weil sie aus Syrien kommen, so machte er deutlich, brauchen Ruhe und Schutz, eine freundliche Atmosphäre, eine gute Versorgung, eine medizinische Behandlung, die auf Traumatisierungen eingehen kann und gut qualifizierte Menschen, die sich engagiert kümmern. Überbelegung, so der Referent für Flüchtlingsfragen, darf es grundsätzlich nicht geben.

Auf die Nachfrage der Moderatorin, ob eine solche gute Betreuung angesichts der Haushaltszwänge nicht zu teuer werde, regte Eckeberg an, hier eine gemeinsame Diskussion von Kommunen, Bund und Ländern in Gang zu bringen; tatsächlich dürften die Kommunen nicht finanziell überfordert werden. Kurzfristig gelte es, ein qualifiziertes Beschwerdemanagement einzurichten und den Posten eines Flüchtlingsbeauftragten zu schaffen, damit zuallererst der Schutz der Flüchtlinge gesichert ist. Nur wenn die geltenden Mindeststandards auch öffentlich sind, könnten private Betreiber auch kontrolliert werden.

Freie Wohlfahrtspflege NRW fordert Missstände zu beseitigen und Standards in Flüchtlingsheimen sicherzustellen

Bereits in einer Pressemeldung vom 1. Oktober hatte die Freie Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen vom Land gefordert, die bisherige Ausgestaltung der Erstaufnahme grundlegend zu überprüfen und eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge sicherzustellen. „Im System der Erstaufnahme bedarf es grundlegender Korrekturen“, betont Luger Jutkeit, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft. Seit Jahren geht es den Wohlfahrtsverbänden darum, asylsuchende Menschen aus der Notversorgung herauszuführen. Die Erstunterbringung müsse grundlegend geändert werden. Bund und Länder müssten die Kommunen mehr als bisher bei der kommunalen Unterbringung unterstützen, um eine humanitäre menschenwürdige Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge zu ermöglichen.

Für die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe schließt sich Nikolaus Immer diesen Forderungen an. Der Geschäftsbereichsleiter für Soziales und Integration betont: „Für Flüchtlinge und andere Armutsgruppen muss der Soziale Wohnungsbau ausgebaut werden.“ Die Kirchen und ihre karitativen Hilfswerke, unterstreicht Immer, werden in ihrem konstruktiven Engagement in Sachen Migration nicht nachlassen.

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