25 Jahre Landesgesundheitskonferenz
Elke Grothe-Kühn
Die Landesgesundheitskonferenz feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Als Mitglied des vorbereitenden Ausschusses dieser Konferenz sind Sie seit zehn Jahren für die Freie Wohlfahrtspflege dabei. Was genau macht die Landesgesundheitskonferenz?
In diesem Gremium sind rund 50 Akteure des Gesundheitswesens in Nordrhein-Westfalen vertreten. Dazu gehören unter anderem Sozialversicherungsträger, Ärzte- und Apotheken-Kammern, Kassenärztliche Vereinigungen, Verbände der Krankenkassen, Kommunale Spitzenverbände, Patientenvertretungen und die Freie Wohlfahrtspflege. Den Vorsitz hat das Gesundheitsministerium. Die Landesgesundheitskonferenz wurde vor 25 Jahren als politisches Forum gegründet, in dem sich alle Mitglieder regelmäßig über gesundheitspolitische Themen austauschen und an gemeinsamen Zielen arbeiten. Einmal im Jahr verabschieden wir eine Entschließung, die die Politik, aber auch die beteiligten Akteure im Gesundheitswesen in die Pflicht nimmt. Wir haben schon Entschließungen zum Kampf gegen Krebs, zur Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen oder Gesundheitsprävention herausgegeben.
In diesem Jahr geht es um Flüchtlinge im Gesundheitswesen. Der Titel der Entschließung lautet "Angekommen in Nordrhein-Westfalen". Ist damit eine Art medizinische Willkommenskultur gemeint?
Es ist mehr als das. In den anderthalb Jahren, in denen rund 300.000 Menschen nach NRW neu zugewandert sind, haben wir festgestellt, dass es zwar eine große – auch ehrenamtliche – Hilfsbereitschaft von Ärzten, Pflegern, Kliniken und Praxen gab, Geflüchtete medizinisch gut zu versorgen. Doch es fehlen noch immer flächendeckende einheitliche Standards und Strukturen. So ist zum Beispiel nicht genau geregelt, wie die Ergebnisse der medizinischen Untersuchung in den Erstaufnahmeeinrichtungen an Weiterbehandelnde übermittelt werden. Nicht überall kann geröntgt werden. Das wäre aber wichtig, um Tuberkulose-Erkrankungen zu erkennen. Außerdem gibt es nicht überall die Gesundheitskarte für Flüchtlinge.
Gesundheitsministerin Barbara Steffens wollte die Gesundheitskarte für Flüchtlinge 2016 flächendeckend einführen. Warum ist das noch nicht gelungen?
Die Landesregierung hat in einer Rahmenvereinbarung mit acht Krankenkassen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte beschlossen. Sie kann aber weder die Kommunen noch die Kassen verpflichten, dazu Verträge anzuschließen. Die Kommunen, die in NRW die Gesundheitskarte eingeführt haben, müssen monatlich entweder acht Prozent der Leistungsausgaben je Flüchtling oder aber zehn Euro Verwaltungsgebühr an die Kassen entrichten. Für finanzschwache Städte und Gemeinden ist das also eine zusätzliche Belastung, die sie nicht schultern wollen. Doch die Vorteile der Gesundheitskarte liegen auf der Hand. Geflüchtete können damit direkt einen Arzt aufsuchen, ohne sich vorher einen Behandlungsschein der Kommune zu besorgen. Das hilft auch, Bürokratie abzubauen.
Eine Kernaussage der Entschließung lautet, dass die „akute medizinische Versorgung als Brücke zur Regelversorgung“ zu sehen ist. Was ist damit gemeint?
Asylbewerber haben in den ersten 15 Monaten nur einen eingeschränkten Anspruch auf medizinische Versorgung. Bei Schmerzen und akuten Erkrankungen können sie zum Arzt gehen. Weitergehende Leistungen wie Zahnersatz oder Psychotherapie oder eine Behandlung bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Rheuma sind ausgeschlossen. Erst wenn ein Asylbewerber einen sicheren Aufenthaltstitel hat, kommt er in die Regelversorgung. Das aber kann mehrere Jahre dauern, da die Behörden noch immer sehr lange für die Bearbeitung der Asylanträge brauchen. Hier müssen wir eine Lösung finden, damit chronisch erkrankte Flüchtlinge, aber auch Kinder und Mütter, die besonderen Schutz brauchen, besser medizinisch versorgt werden können. Auch für traumatisierte Flüchtlinge brauchen wir bedarfsgerechte Angebote. Dabei muss der Einsatz von Sprach- und Kulturmittlern mitgedacht werden.
Wie kann das praktisch aussehen?
Die Landesgesundheitskonferenz drängt darauf, dass der Bund entsprechende Mittel für den Einsatz von Sprach- und Kulturmittlern übernimmt. Es wäre gut, wenn hier regionale Dolmetscherpools aufgebaut würden, an die sich alle Stellen, die mit Flüchtlingen arbeiten, wenden können - eben auch Arztpraxen, Kliniken und Psychotherapeuten. Zwar gibt es Möglichkeiten, dafür Projekt- und Landesmittel abzurufen, aber das ist sehr kompliziert und letztlich bleiben die meisten Praxen und Kliniken auf einem Großteil der Kosten sitzen. Auch die Erstaufnahmeeinrichtungen und zentralen Unterbringungen brauchen Sprach- und Kulturmittler für die ärztlichen Sprechstunden vor Ort.
In der Pflege fehlen Nachwuchskräfte. Die Landesgesundheitskonferenz sieht die Zuwanderung als Chance, den Mangel an qualifizierten Pflegekräften zu mildern. Wie realistisch ist das angesichts von Sprachbarrieren und langen beruflichen Anerkennungsverfahren?
Es ist jedenfalls klar, dass wir zusätzliche Ausbildungskonzepte und –kapazitäten dafür benötigen. Es könnten zum Beispiel Teilzeitmodelle entwickelt werden, die mit Sprach- und Integrationskursen verknüpft werden. Außerdem brauchen wir ein Kompetenzfeststellungsverfahren für Pflege- und Gesundheitsberufe, mit dem überprüft werden kann, welche Qualifikationen bei den Flüchtlingen bereits vorhanden sind und welcher Nachschulungsbedarf besteht. In einem Projekt soll nun eine "Koordinierungsstelle für Geflüchtete in Pflege- und Gesundheitsfachberufen" gegründet werden, die geflüchtete Menschen mit einer Bleibeperspektive für die Arbeitsfelder im Gesundheitswesen gewinnen und qualifizieren soll. Sie wird auch die Entwicklung eines kultursensiblen Kompetenzfeststellungsverfahrens begleiten, über Ausbildungsmöglichkeiten informieren und geeignete Bewerber in Zusammenarbeit mit anderen Stellen vermitteln.