18. September 2020

Pflegekammer NRW

Auf Augenhöhe mit der Politik

Lange haben Pflegekräfte für eine eigene Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen gekämpft. Am 21. September kommt sie zu ihrer ersten konstituierenden Sitzung mit NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann zusammen. Für die Diakonie sitzt Petra Krause in dem 19-köpfigen Gremium. Die Leiterin der Gesundheitsschulen am Evangelischen Klinikum Bethel hat hohe Erwartungen an die neue Pflegekammer.

  • Selbstbewusst für den eigenen Beruf eintreten: NRW hat jetzt eine Pflegekammer. (Foto: Shutterstock)

Frau Krause, die neue Pflegekammer NRW wird es voraussichtlich erst in zwei Jahren geben. Warum dauert es so lange, bis die neue Vertretung für die rund 200.000 Pflegekräfte in NRW steht?

Der Errichtungsausschuss, dem ich angehöre, hat die Aufgabe, eine neue Behörde aufzubauen. Das ist eine große Aufgabe. Immerhin gehören wir mit rund 200.000 Pflegekräften, die bei uns Mitglied werden, zu den größten Kammern in ganz Deutschland. Wir müssen eine Geschäftsstelle aufbauen und Satzungen erarbeiten. Alle Kammermitglieder müssen erstmal erfasst und registriert werden. In einer Kammerversammlung, die 2022 stattfinden soll, wird die Präsidentin oder der Präsident gewählt und die Leitungen der Ausschüsse bestimmt. Die Kammerversammlung verabschiedet die Satzungen und Ordnungen, die unmittelbar die Pflegeprofession betreffen. Für den Aufbau der Pflegekammer hat die Landesregierung insgesamt fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Seit 2015 leitet Petra Krause die Gesundheitsschulen am Evangelischen Klinikum Bethel. Ab Montag vertritt sie die Diakonie in der neuen Pflegekammer NRW. (Foto: privat)

Seit 2015 leitet Petra Krause die Gesundheitsschulen am Evangelischen Klinikum Bethel. Ab Montag vertritt sie die Diakonie in der neuen Pflegekammer NRW. (Foto: privat)

Es gibt in Deutschland Ärzte-, Apotheken und Industrie- und Handelskammern sowie diverse Berufsverbände. Warum brauchen wir noch eine Pflegekammer?

Die Pflegekräfte benötigen als größte Gruppe im Gesundheitswesen eine stärkere Stimme und eine eigene Institution für ihre Interessenvertretung. Wir sind bisher immer nur "mitgedacht" worden, konnten aber über pflegefachliche Fragen wie unsere Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten oder Prüfungsverordnungen nie selbst auf Augenhöhe mit der Politik verhandeln. Kammern mögen altmodisch sein, aber es gibt für mich keine andere geeignete Organisationsform, mit der wir unseren Weg zur Professionalisierung der Pflege weitergehen können. Wir wollen und können eigenverantwortlich agieren und genau das zeigen wir mit der Gründung einer eigenen Kammer.

Der Nutzen einer Kammer wird von Gewerkschaften, aber auch von Pflegekräften selbst in Frage gestellt. In Niedersachsen gab es so massive Widerstände gegen die Zwangsmitgliedschaft in der dortigen Kammer, dass sie jetzt aufgelöst wird. Fürchten Sie, dass dies auch in NRW passieren kann?

Bei uns haben sich im Herbst 2018 in einer repräsentativen Umfrage unter 1.500 Pflegekräften 79 Prozent für die Gründung einer Pflegekammer ausgesprochen. Bereits Ende September 2015 wurden mehr als 42.000 Unterschriften dafür gesammelt und der Landesregierung übergeben. Insofern haben wir eine gute Basis für unsere neue Pflegekammer. Das Beispiel aus Niedersachsen zeigt uns aber, wie notwendig es ist, die Pflegenden dabei mitzunehmen. Wir dürfen nicht zu Funktionären werden, die den Kontakt zu den Menschen verlieren, die sie vertreten. 

Es ist wichtig, regelmäßige Veranstaltungen anzubieten, die Mitglieder über Umfragen einzubeziehen und gut über das zu informieren, was wir erarbeiten und mit der Politik diskutieren. Die Pflegekräfte müssen wissen, was sie von einer Kammer haben. Mein Eindruck ist, dass dies in Niedersachsen nicht so gut gelungen ist. Im Streit um die Mitgliedsbeiträge wurde ungeschickt agiert.

Das Interesse für den Pflegeberuf ist da. Jetzt muss sich auch das Bild von Pflege in unserer Gesellschaft ändern. (Foto: Shutterstock)

Das Interesse für den Pflegeberuf ist da. Jetzt muss sich auch das Bild von Pflege in unserer Gesellschaft ändern. 

Bislang gibt es fünf Pflegekammern in Deutschland. Welche könnte ein Vorbild für NRW sein?

Die meiste Erfahrung hat die 2017 gegründete Pflegekammer in Rheinland-Pfalz. Die Kolleginnen und Kollegen haben es geschafft, eine gute Vernetzung zu den Pflegekräften vor Ort herzustellen. Ihre Arbeit wird von den Mitgliedern geschätzt, weshalb es auch nie solche Diskussionen um die Mitgliedsbeiträge gegeben hat wie in Niedersachsen. Die Kammer hat eine gute Weiterbildungsverordnung auf den Weg gebracht. Dabei war sie nicht laut, aber immer in Politik und Öffentlichkeit präsent und auch transparent.

In der Corona-Pandemie haben die Pflegekräfte eine starke Aufwertung erfahren. Gibt Ihnen das Rückenwind für Ihre Arbeit?

Ich denke schon. Es interessieren sich mehr junge Menschen für den Pflegeberuf, seit er als "systemrelevant" gilt. Aber das alleine reicht noch nicht. Auch das Bild von Pflege muss sich in unserer Gesellschaft ändern. Es ist ein fast reiner Frauenberuf, der aus der Tradition einer "dienenden weiblichen Rolle" kommt und allein deshalb in der Hierarchie weiter unten steht. Das zeigt sich für mich schon darin, dass Pflegekräfte meist mit dem Vornamen angesprochen werden – im Gegensatz zu anderen Professionen in den Kliniken. Es gibt immer noch die weit verbreitete Meinung, Pflege könne eigentlich jeder und dafür seien keine besonderen Qualifikationen nötig. Das ist falsch. Auch in der Pflege kann frau Karriere machen, wenn sie sich weiterbildet. Es ist ein anspruchsvoller, sinnstiftender und vielfältiger Beruf, den ich persönlich seit 39 Jahren gerne mache.

Das Gespräch führte Sabine Damaschke. Fotos: Shutterstock und Privat.

Ihr/e Ansprechpartner/in
Heidemarie Rotschopf
Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.
Geschäftsfeld Krankenhaus und Gesundheit